Reihe: Luzifers Anthologien Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Der Luzifer-Verlag begann seine Verlagstätigkeit gleich mit 6 Ausschreibungen, deren Einsendeschluss in zwei Staffeln angelegt war. Ich selbst war sehr neugierig auf den Verlag. Zum einen waren diese Ausschreibungen sehr interessant, zum anderen versprach das Programm (dafür spricht auch der Name des Verlags) sehr horrorlastig zu werden. Ich mag Horror, also waren meine Erwartungen sehr hoch.
Dieses Buch ist die erste Publikation des Verlages, und ja, der erste Eindruck ist ein überaus guter. Das Titelbild ist stimmungsvoll, der Druck hochwertig. Der Schriftsatz ein bisschen experimentell (schöne Überschriften), und es gibt einige Innenillustrationen.
Nun zum Inhalt. Der Name des Verlages leitet sich ja von dem gefallenen Engel Luzifer ab, der gemeinhin als der Teufel gilt, als der Widersacher Gottes (okay, es gibt Feinheiten in der Auslegung, auch die Kirche hat diesbezüglich im Laufe der Jahrhunderte ihren Standpunkt mehrfach verändert) – aber eindeutig christlichen Ursprungs.
Das ist der Stxy nicht, auch wenn das Totenreich Hel zur Inspiration für die Hölle gelten mag. Jedenfalls trennt dieser Fluss der Toten die Welt der Lebenden von der der Toten. Man muss ihm überqueren, wobei einem hilfreich der Fährmann Charon zur Seite steht – vorausgesetzt, man kann ihn bezahlen.
Verhasster Fluss, verhasstes Land von Karl Plepelits
Ein berühmter Opernsänger steigt findet im Höllental den Eingang zur Unterwelt. Er steigt hinab, um seine geliebte Frau zurückzuholen, so wie es eins Orpheus tat. Und ebenso wie sein berühmter Vorgänger verzaubert er den Todesengel mit seinem Gesang, sodass er vorgelassen wird, zum Herrscher der Unterwelt, dem großen Pluton. Doch der gibt keine Seele mehr frei, wenn sie sich erst einmal in seinem Reich befindet.
Offensichtlich ist diese Geschichte an die Oper Orpheus angelehnt (keine Ahnung, ich bin kein Opernfreund). Sie besticht durch eine erstaunliche Kenntnis der griechischen Mythologie, wobei mir der Todesengel schon ein wenig seltsam erscheint. Aber ansonsten ist sie sehr stimmungsvoll und spannend geschrieben, auch wenn man sich das Ende denken kann. Trotzdem, ein guter Einstieg in das Buch!
Nach Hause von Annika Dick
ist eigentlich keine Geschichte, sondern eher ein Stimmungsbild. Wir haben keine Charatere, keine Handlung und auch keine nennenswerte Pointe. Hat mir nicht gefallen.
Hinter den Masken von Bernd Teuber
Zwei Studentinnen erleben den Karneval in Venedig. Dass die Mädels dabei in einen Rausch fallen und Dinge tun, die junge Mädchen nicht tun sollten, erwartet man so ziemlich. Dass die Geschichte eher an Poes Die Maske des Roten Todes erinnert, auch. Nur dass plötzlich der Styx in Venedig liegen soll, das ist neu.
Die Geschichte ist nett geschrieben, und auch spannend, aber nicht wirklich etwas besonderes.
Das Loch von Steve Kußin
In der Nähe des Strandes befindet sich am Meeresgrund ein Loch. Das ist eine Herausforderung für die Jungs der Umgegend, die alle zeigen möchten, wie tief sie tauchen können. Bis, ja bis es einer dort hinunter schafft...
Da ist ein Alter Mann, der den Tod des Frevlers fordert, und der etwas von einem uralten Pakt murmelt. Und ein Sheriff, der es plötzlich mit seltsamen Wesen zu tun bekommt, die den Menschen den Krieg erklären, weil man in ihr Territorium eingedrungen ist.
Ein sehr coole Geschichte, die besser in eine Lovecraft-Anthologie gepasst hätte. Für mich die beste Geschichte des Buches!
Der Fährmann, der Tote und der Obolus von Marius Kuhle
Der neue Fährmann wird von seinem älteren Kollegen gewarnt, keinen Toten hinüberzusetzen, der nicht zahlen kann. Die Toten wären sehr kreativ, wenn es um das Erfinden von Ausreden ginge ... und ausgerechnet der erste Passagier behauptet, die Münze zwar zu besitzen, an die selbe jedoch im Moment nicht heranzukommen. Wird er ihn trotzdem mitnehmen?
Okay, vielleicht ist dies nicht die originellste Geschichte der Welt, aber sie ist liebevoll erzählt, und sehr unterhaltsam.
Kafkas Geburtstag von Achim Amme
Ich konnte Kafka noch nie etwas abgewinnen, und mir fiel es sehr schwer, nachzuvollziehen, was uns der Autor hier überhaupt erzählen will. Vielleicht liegt es an mir, deshalb ohne Wertung.
Das letzte Geschenk von Emil Berel
Eine junge Frau stolpert durch einen Wald, bis sie an den Ufern eines dunklen Flusses steht. Was macht sie hier?
„Sie sind es doch, die hierher gekommen ist. Wenn Sie es nicht wissen, wer sonst?“
Sie ist verwirrt, und die beiden Fährmänner sind auch keine große Hilfe. Auf die Frage, was sich auf der anderen Seite befindet, antwortet einer „Nichts“, der andere „Alles“.
Der kurze Text hat mir sehr gut gefallen. Er beschreibt zwar einen keineswegs besonderen Vorfall, aber auf eine sehr besondere Art. Die Art der Fragen, und auch die der Antworten hat mich tief beeindruckt. Tolle Geschichte!
Der dunkle Fluss von Dennis Huber
Ein vielversprechender Autor verfällt dem Einfluss eines Kollegen, der in der Literaturszene als exzentrisch oder gar als wahnsinnig gilt. Gemeinsam versuchen sie den dunklen Geheimnissen der jenseitigen Welt auf die Spur zu kommen. Doch das, was sie finden, verändert sie...
Gähn!
Über den Styx muss jeder alleine von Antonia Schmalstieg
Fragmente eines Albtraums. Wieder ein Stimmungsbild und keine Geschichte. Zum Glück recht kurz.
Der Obolus von Susanna Montua
An den Ufern des Styx herrscht ein übles Gedrängel, denn die wenigsten Toten haben den Obolus dabei. Die, welche den Fährmann nicht bezahlen können sind für immer verdammt, an dem Ufer des dunklen Flusses zu verweilen, das Totenreich ist ihnen versperrt.
Um dennoch hinüber zu gelangen wird gelogen und gestohlen, und so bringt man ein kleines Mädchen um ihre Münze, und sie ist verzweifelt und beschämt und weiß nicht, was sie tun soll...
Eine mitreißende Geschichte, toll erzählt.
Mein Bruder ist kein Böser Mensch von Katharina Erfling
Er tut nur böse Dinge. Nein, das stimmt nicht, er ist sehr fürsorglich und nimmt stets die Schuld auf sich. Damit seine Geschwister nicht bestraft werden ... oder so.
Über den Styx von Sebastian Gaidus
Wieder mal zwei gestalten, die die Abgründe des Geschmacklosen ausloten wollen. Ganz nett, aber nichts besonderes.
Kassandra von Elisa Wächtershäuser
Das Schicksal der Seherin, deren Fluch es war, dass man ihren Prophezeihungen keinen Glauben schenke ... Klassisch.
Neuanfang von Veronika Bicker
In einer postapokalyptischen Welt sammelt ein junges Mädchen Kinder um sich. Gemeinsam schlagen sie sich durch, mit dem, was sie am Fluss so finden. Doch dann findet sie einen verletzten Mann. Dieser erzählt, er sei Matrose und bringe die Überlebende der Katastrophe aus dem Krisengebiet heraus. Aber er hat ein düsteres Geheimnis...
Diese Geschichte nimmt einen Verlauf, den man nicht einmal ansatzweise erahnt. Klasse geschrieben. Ein würdiger Abschluss für das Buch.
Illustrationen von Anne Zimmermann, Steffen Marquart, Jan Hillen, Kristina Kesselring
Alles in Allem handelt es sich bei diesem Buch um ein respektables Erstwerk. Die Auswahl ist hinsichtlich des eng gefassten Themas erstaunlich vielfältig, und einige der Geschichten wissen gut zu unterhalten. Allerdings kam mir persönlich der Horror-Faktor ein wenig zu kurz. Aber es stehen ja noch 5 Anthologien aus ... auf jeden Fall hat der Verlag Potential.
Da der Preis des Buches vor Kurzem gesenkt wurde, kann man getrost zugreifen! Ach ja, und ein stylisches Lesezeichen bekommt man auch...