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Titel: Die dunklen Gassen des Himmels
Eine Rezension von Doris Michel-Himstedt |
Wer hätte das gedacht – es stimmt alles. Es gibt ein Leben nach dem Tod, den Himmel, das Fegefeuer, die Hölle, Engel und Dämonen aller Arten. Den Höchsten hat zwar noch kein Engel gesehen, aber es gibt ihn offenbar auch. Stirbt ein Mensch, so wird sofort nach seinem Tod Gericht über ihn gehalten. Ein Anwaltsengel kämpft darum, dass die Seele der Verstorbenen nicht der Verdammnis überlassen werden, der Anwalt der Hölle repräsentiert die Gegenseite, der Schutzengel des Menschen ist als Zeuge anwesend, ein Richterengel spricht das Urteil. Die Seele geht dann sofort an ihren Bestimmungsort. So ist es jedenfalls immer gewesen. Aber jetzt ist etwas anders. Eine Seele verschwindet spurlos. Der Anwaltsengel Bobby Dollar muss sich einer Untersuchung im Himmel stellen. Seine Vorgesetzten argwöhnen, dass Bobby damit etwas zu tun hat. Das ist nicht ungewöhnlich, hat Bobby doch schon in der Vergangenheit manches Mal am Rande der himmlischen Legalität gearbeitet. Eine Seele hat er aber noch nie verloren, also macht er sich auf, den Fall zu klären. Bobby, eigentlich der Engel Doloriel, aber er mag Bobby Dollar lieber, besteht dabei Abenteuer, die einen Actionfilm füllen könnten. Auf sein Lieblingslokal, in dem er sich mit den anderen in der Gegend tätigen Anwaltsengeln trifft, wird ein Anschlag verübt. Er wird von der Polizei verhaftet und muss aus dem Gefängnis fliehen. Er erliegt den Reizen einer verführerischen Dämonin. Ein alter, mächtiger Dämon wird von seinen Gegnern beschworen und gegen ihn eingesetzt. Er kann sich jedes Mal nur mit knapper Not seiner Angreifer erwehren. Sein bester Freund Sam, natürlich auch ein Anwaltsengel, belügt ihn und bringt ihn in lebensgefährliche Situationen, seinen Vorgesetzten haben einen Spion auf ihn angesetzt, der ihm das Leben schwer macht. Während der Flucht Bobby Dollars vor seinen Feinden verschwinden immer mehr Seelen. Sam klärt ihn schließlich darüber auf, dass es nicht nur Himmel und Hölle gibt, sondern auch den Dritten Weg. Für diesen alternativen Weg für ein Leben nach dem Tod setzen sich einige „Verräter“ in den Reihen der Engel und Höllendämonen ein. Bobby selbst weiß noch nicht, was er davon halten soll. Er will jedenfalls erst einmal die verführerische Dämonin wiedersehen …
Ich habe dieses neue Buch von Tad Williams mit großem Vergnügen gelesen. Es ist so voll gepackt mit rasanter Action, dass man aufmerksam lesen muss. Nur gelegentlich kann der Autor nicht widerstehen, sein Detailwissen zur Geschichte von Gebäuden und zur Biographie von Menschen einfließen zu lassen; er hat sich in diesem Buch gegen seine Gewohnheit sehr damit zurückgehalten. Viele gute Einfälle und ein oft durchscheinender trockener Humor machen einen weiteren Teil der Qualität dieses Buches aus.
Die Hauptfigur, Bobby Dollar/Doloriel, muss man einfach gern haben. Ein Engel, der sich manchmal ein Glas zu viel einschenkt, der eine Schusswaffe mit sich herumträgt und sie auch einsetzt. Ein Engel mit Beziehungsproblemen. Schon auf den ersten Seiten kämpft er mit Dämonen in einer Szene, die sich zeitlich erst etwa in der Mitte des Buches abspielt. Durch diesen Kniff bekommen wir schon zu Beginn einen ersten, durchaus zutreffenden Eindruck von Bobby. Die Geschichte wird in Ich-Form aus Bobbys Perspektive erzählt. Man leidet mit ihm, zweifelt und rätselt mit ihm. Die anderen Figuren sind ebenfalls gut ausgearbeitet und passen wunderbar zur Story.
Erst sehr spät merkt Bobby, worum es eigentlich geht – um den Dritten Weg. Dorthin gingen auch die verschwundenen Seelen. Von all‘ dem werden wir sicher im nächsten Band dieser Trilogie mehr erfahren. Ich werde mir sicher auch die nächsten beiden Bände besorgen.