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Reihe: Band 1 Eine Rezension von Judith Gor (Weitere Rezensionen von Judith Gor findet ihr hier auf fictionfantasy oder auf ihrer Website www.literatopia.de) |
Ryota Sakamoto ist der einzige Japaner in den Top Ten der Weltrangliste des Online-Games BTOOOM!. Die Videospielfirma beschäftigt ihn sogar als Debugger, das heißt Ryota testet das Spiel und merzt Fehler aus. Leider ist dafür noch keine Festanstellung herausgesprungen und zwischen den Aufträgen sitzt Ryota daheim herum und spielt BTOOOM!. Er ist so auf die Spielwelt und seinen Wunsch, richtig bei der Entwicklerfirma zu arbeiten, fixiert, dass er keinen anderen Job annimmt und seiner Mutter auf der Tasche liegt. Eines Tages wacht er auf einer tropischen Insel auf: Er hängt mit seinem Fallschirm in einem Baum und kann sich nicht erinnern, wie er dort hingekommen ist. Bald trifft er auf seinen ersten Gegner, der unweigerlich ernst macht. Ryota kann es nicht fassen: Er scheint Teil seines Spiels geworden zu sein – doch was er anfangs für einen bizarren Traum hält, entpuppt sich als kranke Realität …
Wirklich neu ist die Idee, Menschen auf einer Insel gegeneinander kämpfen zu lassen, nicht. In „Battle Royale“ von Kōshun Takami wird eine ganze Schulklasse auf einer Insel ausgesetzt und die Schüler sollen sich zur Belustigung eines diktatorischen Staates gegenseitig abschlachten (ähnlich geht es in der später erschienen Romantrilogie „Die Tribute von Panem“ zu). BTOOOM! bedient sich eines Videospiels, das zur Realität wird, wobei man im ersten Band noch nicht erfährt, was das Ganze eigentlich soll. Steckt die Entwicklerfirma Tyrannos Japan etwa dahinter? Die Regeln im grotesken Survival-Game entsprechen zumindest denen von BTOOOM!: Es wird nur mit Bomben gekämpft, wobei jeder Teilnehmer zu Beginn nur über eine Sorte verfügt. Wenn jemand Gegner besiegt, kann er deren Bomben an sich nehmen und so sein Arsenal vergrößern. Jeder Teilnehmer hat zudem einen Chip in der Hand, mir dem er Gegner orten kann. Und nicht zuletzt muss man 8 solcher Chips sammeln, um zu gewinnen – das bedeutet, den eigenen Chip mitgerechnet, man muss sieben Menschen töten.
So sehr Ryota BTOOOM! liebt, so sehr erschreckt ihn die Live-Variante. Obwohl er ein Dauerzocker ist, hat er den Kontakt zur Realität nicht verloren und kann sehr genau zwischen Spiel und Wirklichkeit unterschieden. Entsprechend weigert er sich zu Beginn, zu kämpfen und andere zu töten. Doch bereits der erste Gegner lässt ihm keine Wahl, denn es gilt: Entweder du oder ich. Ryota trifft jedoch auch auf Menschen, die nicht an diesem kranken Spiel teilnehmen wollen, wie beispielsweise den übergewichtigen Kiyoshi Taira, der sich mit Ryota zusammentut. Allerdings hat man bei dem netten Herrn sofort ein ungutes Gefühl. Andere Mitspieler sieht man nur kurz, bevor sie einen grausigen Tod sterben. Über manche wird jedoch etwas mehr erzählt, beispielsweise über einen vierzehnjährigen Jungen und seinen gewalttätigen Vater. Die beiden wurden samt ihrem Anwalt auf die Insel befördert. In Rückblenden erfährt man von Gräueltaten des Jungen und erhält Einblick in Situationen, die ihn zu einem Kriminellen gemacht haben.
Auch anhand anderer Mitspieler könnte man glauben, dass für die Live-Version von BTOOOM! Verbrecher ausgewählt wurden, aber auf Ryota trifft dies nicht zu (und wohl auch nicht auf seinen Verbündeten Taira). Ryota war zwar ein Loser, der seine Zeit mit Videospielen verschwendet, statt irgendeinen Job anzunehmen (denn Angebote gab es sogar), aber er ist kein Krimineller. Dadurch, dass er sich anfangs an nichts erinnert, gestaltet sich der Manga unheimlich spannend: Stück für Stück erfährt man mehr über die Hintergründe des Spiels und auch über Ryota und dessen Mutter (die er ziemlich schlecht behandelt hat). Neben Rückblenden gibt es auch Seiten mit Informationen zu den Spielern und den Bomben – und in der Mitte des Manga kann man sich mit Hilfe einer Chronik Übersicht über die Ereignisse verschaffen. Auf wenn die Thematik nicht neu ist, wurde sie insgesamt doch sehr gut umgesetzt. BTOOOM! erinnert übrigens ein wenig an den Ego-Shooter Halo.
BTOOOM! kann auch zeichnerisch beeindrucken: Mimik und Gestik der Charaktere sind sehr gelungen und alle Spielteilnehmer sind optisch einwandfrei zu unterscheiden. Besonders schön sind zudem die Hintergründe: Die tropische Insel wartet mit zahlreichen Details auf, die kräftig Atmosphäre schaffen. Die Kampfszenen sind wunderbar dynamisch und zeigen auch mal abgetrennte Körperteile oder die Innereien einer Leiche. Die Altersempfehlung ab 16 sollte daher unbedingt beachtet werden. Neben der deutlichen Gewaltdarstellung gibt es auch einige menschen- beziehungsweise lebensverachtende Szenen, für deren Einordnung eine gewisse Reife nötig ist. Denn BTOOOM! ist keine Gewaltverherrlichung, sondern eine erschreckende Illustration der menschlichen Natur im Computerzeitalter. Eine kleine Kritik an den Zeichnungen bleibt jedoch: Ryotas Haare auf dem Cover und den Farbseiten sind braun, im Manga wirken sie dagegen blond (weil weiß gezeichnet und nicht schattiert). Die Animeumsetzung erscheint übrigens im Frühjahr 2014 bei KAZÉ.
Fazit
Die Idee hinter BTOOOM! ist nicht wirklich neu, aber grandios umgesetzt: Eine Trauminsel wird für den Protagonisten Ryota zum Alptraum, denn hier töten Menschen ihresgleichen, um zu überleben. Er ist Teil eines kranken Spiels geworden, das er zwar nicht spielen will, aber letztendlich muss. Junya Inoue hält die Spannung dabei konstant hoch und bietet herrlich dynamische Kampfszenen, detailreiche Hintergründe und glaubwürdige Charaktere. 4,5 von 5 Punkten.