|
Titel: Cäsar - Gesamtausgabe |
Im Jahre 1959 fragte man seitens des Dupuis-Verlages beim belgischen Szenaristen und Künstler Maurice Tillieux an, ob dieser regelmäßig einen humoristischen Beitrag für das Magazin "Le Moustique" leisten könne und wolle. Tillieux, aus dessen umfangreichem Werk dem deutschen Leser vor allem die leicht komische Detektiv-Serie "Gil Jourdan" (dt. Jeff Jordan) ein Begriff sein dürfte, willigte ein und griff bei der Entwicklung der Figur(en) auf ein Comic-Strip zurück, den er 1957 für das Spirou-Magazin entwarf, von dem bis dato allerdings kaum eine Handvoll Geschichten erschienen waren.
Somit kann man die eigentliche Geburtsstunde von "Cäsar" guten Gewissens auf das Jahr 1959 datieren, wobei die Reihe zunächst als halbseitiger Strip begann, aber auf Grund des Publikumserfolges schon bald als One-Pager fortgeführt wurde. Bis 1966 konnte der Leser in 299 Gag-Strips am Leben des Junggesellen Cäsar teilnehmen, der als Comic-Zeichner und Werbegrafiker sein Auskommen hat und dessen kleine, heile Welt regelmäßig auf den Kopf gestellt wird.
Die Personen die für das Chaos in Cäsars Leben verantwortlich sind, lassen sich an einer Hand abzählen; zunächst wäre da der gemütliche Wachmeister und Kontaktbereichsbeamte Knöllchen, dessen innerstes Anliegen es zu sein scheint, Cäsar schriftliche Verwarnungen auszustellen; und sollte es einmal nicht möglich sein, dann gibt es eben genau deshalb einen Strafzettel. Privat allerdings ist Knöllchen ein äußerst umgänglicher Mensch, was man von seiner kleinen Tochter Effi nur schwerlich behaupten kann. Effi verbringt die meiste Zeit bei und mit Cäsar, was nicht nur wegen ihres Gebrülls, ihres Gesangs, ihrer chaotischen Kreativität, sondern – überhaupt – wegen ihres bloßen Daseins die Nerven des emotional sehr ausgeglichen Zeichners ein ums andere Mal kurz vors Zerreißen bringt. Komplettiert wird die Familie Knöllchen durch Effis älteren Bruder Eugen, der aber im Gegensatz zu seiner anstrengenden Schwester ein auch in intellektueller Hinsicht eher behäbiger Zeitgenosse ist. Zu guter Letzt sorgt die resolute Haushälterin Felicitas ab und an für Ordnung in Cäsars guter Stube, wobei ihre Arbeitsleistung ihrem Berufsstand zwar keine Ehre macht, ihr loses Mundwerk aber immerhin für Stimmung im Haus sorgt.
Für mich gehörten die Cäsar-One-Pager in eine fast vergessene Zeit, in meine Kindheit, die comicseitig eher von Superman und Batman, den Fantastischen Vier oder dem Unglaublichen Hulk geprägt war, denn von Publikationen des Kauka-Verlags, wo "Cäsar" seine deutsche Veröffentlichung fand. Dennoch waren nach wenigen Seiten Figuren wie Hintergrund sofort wieder so präsent, als hätte ich zwischenzeitlich nichts anderes gelesen.
Obgleich die Strips ein gutes halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben, strahlen sie dennoch eine Frische, einen so zeitlosen Humor aus, dass man Tilleux zweifellos zu den ganz großen seiner Zunft rechnen muss. Ein Grund für diese Zeitlosigkeit mag darin liegen, dass der Autor Inspiration in seinem direkten, lebendigen Umfeld gesucht und gefunden hat, sei es in seiner Tochter Régine, die für Effi Pate stand, sei es in seiner Wohnungseinrichtung oder der Putzfrau seiner Großmutter. Und so werden sich gerade Eltern in den Geschichtchen, in denen Effi ihre großen, ungestümen Auftritte hat, ein ums andere Mal wieder und bestätigt finden.
In editorischer Hinsicht lässt dieser über 350 Seiten starke Sammelband bezüglich der Vollständigkeit keine Wünsche offen. Nicht nur, dass sämtliche Strips ungeachtet dessen, ob noch Druckvorlagen vorhanden waren oder nicht – notfalls wurde in Faksimile-Manier gearbeitet – ihren Weg in das Album gefunden haben, auch Cover-Bilder, kurze Kommentare sowie ein umfangreiches informatives Vorwort machen diese Gesamtausgabe zu einem kleinen Juwel mit einem winzigen Makel in Form einer kleinen setzerischen Ungenauigkeit. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Wahl des Papiers, die in einem relativ leichten, matten, leicht holzhaltigen und sanft gelblichen Papier besteht, welches eine gewisse antiquarische "Patina" umgibt.
Fazit: Für jeden Freund franko-belgischen zeitlosen Humors – gerade auch für denjenigen, der keine Kindheitserinnerungen mit Cäsar verknüpft - ein Muss.