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Titel: Call of Duty: Modern Warfare 2 - Ghost |
Der Comic Tie-in zu Modern Warfare 2 leidet vor allem unter zwei Problemen. Erstens: Der Sammelband kommt eindeutig zu spät und man hätte sich schon etwas Ähnliches zu Call of Duty Black Ops (wäre immerhin eine nette Idee gewesen) erwartet. Zweitens: Der darin vorgestellte Task-Force-141-Lieutenant Simon "Ghost" Riley nimmt in Modern Warfare 2 bei weitem keine so tragende Rolle ein wie etwa Captain Price oder Soap MacTavish. Auch ist eine Rückkehr Ghosts in Modern Warfare 3 aufgrund seines "Ausscheidens" vermutlich auszuschließen, auch wenn mit Captain Price schon einmal ein Mitglied der Task Force 141 quasi von den Toten wiederauferstanden ist. Im Übrigen sind die einzelnen Modern-Warfare-2-Comics, aus denen sich der vorliegende Sammelband zusammensetzt, sehr knapp vor und nach dem Release erschienen, der Sammelband kam allerdings auch in den USA erst im Herbst 2010.
Auf drei Handlungsebenen beschäftigt sich GHOST mit der Geschichte Lieutenant Simon Rileys und wie dieser zu seiner Totenkopfmaske und seinem späteren Decknamen kam. Die Erzählung beginnt mit einem gefesselten Ghost, der in einer von russischen Separatisten besetzten ukrainischen Grundschule gefangen gehalten wird, nachdem sein Aufklärungseinsatz für die Task Force 141 wohl etwas schief gelaufen ist. Um die Kinder und auch die Geiselnehmer abzulenken, beginnt er davon zu erzählen, warum er seine Maske trägt, und erinnert sich dabei an eine Mission vor wenigen Jahren.
SAS-Lieutenant Simon Riley gehörte zu den Besten, die das britische Militär aufzubieten hatte, mitunter auch der Grund, warum er für eine ganz spezielle Mission an die US Special Forces ausgeliehen wurde. Zusammen mit einigen Angehörigen der Delta Force soll Simon einen Anschlag auf Dragon Manuel "El Gordo" Roba ausführen, der neben afghanischen Drogen auch Terroristen in die USA einzuschleusen droht. Nichts einfacher als das? Es steckt wohl mehr dahinter, dass Roba nicht nur die Angriffe der anderen US-gesponserten Kartelle überlebt hat, sondern auch bereits die letzten Mordkommandos der Delta Force liquidieren konnte, ehe sie ihm zu nahe kamen. Gibt es einen Maulwurf in den eigenen Reihen? Simon und sein Team erfahren von dieser Gefahr viel zu spät ...
Während sich Ghost an diese Mission erinnert, die sein Leben verändern und ihn unverhofft zum "gefährlichsten Mann Englands" machen sollte, tauchen jedoch auch immer wieder Erinnerungen an die Zeit davor und auch seine Kindheit auf. Erinnerungen an seinen soziopathischen Punk-Vater, der seine Söhne konstanten psychischen Qualen aussetzte, so dass Simons Bruder beinahe als Junkie sein Leben gelassen hätte, aber auch daran, wie aus dem Jungen Simon Riley der fähige, weil auf psychische und physische Belastungen sehr gut vorbereitete Soldat wurde, der begann in seinem Leben und seiner Familie wieder so etwas wie Ordnung zu schaffen ...
Simon Riley alias Ghost ist im Grunde nicht schwierig zu verstehen, aufgewachsen mit einem auf sehr spezielle Art gewalttätigen Vater, konnte er sich gerade durch diese harte Schule einige jener Fähigkeiten erwerben, die ihn zu einem der Besten machen sollten. Er ist der typische Underdog, der dank des SAS etwas aus seinem Leben machen konnte. Doch Riley ist eben der, zu dem er geworden ist: ein nicht ganz fehlerfreier Held, eher ein Gewalttäter der, um seine Familie zu schützen, vor nichts zurückschreckt. So verprügelt Riley zunächst den eigenen Vater, als dieser im Vollrausch nicht zugeben wil,l mit seinen "Erziehungsmethoden" den beiden Söhnen mehr Schaden zugefügt zu haben, als gut für sie gewesen wäre, und stürzt sich dann auf eine Gruppe Junkies, die seinen Bruder zu lynchen versuchen. Riley ist der Archetyp des unbestechlichen Rächers, der zunächst allerdings Folter und Mord ertragen muss, ehe er als Reinkarnation John Rambos gegen Roba und dessen Agenten in den britisch-amerikanischen Streitkräften losschlägt. Patriotisch ist Simon Riley nur insofern, als er vor allem anfangs noch weiß, wem er sein neues geregeltes Leben zu verdanken hat, das ihm dann allerdings brutal entrissen wird. Auf sich allein gestellt, wird er zum typischen Racheengel.
Der Wandel von Simon Riley zu Ghost wäre insofern nicht überraschend, wenn da nicht dessen Kindheit wäre. Riley ist längst gebrochen, als Robas Folterknechte beginnen ihn zu bearbeiten und für eine Gehirnwäsche vorzubereiten. Und das ist sogar verhältnismäßig glaubwürdig dargestellt, wenn man sich die Szenen aus Rileys Kindheit vor Augen führt. Riley ist gewissermaßen der Beweis dafür, dass man selbst in schwierigsten Verhältnissen einen Weg finden kann, mit sich und seinem Leben klarzukommen, ohne abzustürzen. Das exakte Gegenteil zu Rileys "Erfolgsgeschichte" stellt neben seinem Bruder auch der mit ihm von Roba gefolterte Sparks dar, der seine moralischen Standards in ihrer Haft einfach hinter sich gelassen hat, während Riley immer nach etwas wie einem Sinn für sein Leben sucht.
Wer Modern Warfare 2 kennt, den wird es wohl kaum überraschen, dass auch im dazugehörigen Comic nicht an Gewaltdarstellungen (Blut, Folterszenen usw.) gespart wurde. Somit ist der Comic natürlich nichts für zart besaitete Gemüter. Rein zeichnerisch kann er allerdings einiges bieten. Gerade Hauptzeichner Kevin West kann mit seinen fotorealistischen Illustrationen glänzen, während David Lapham, der vor allem für das durchaus anspruchsvolle Skript verantwortlich zeichnet, als Zeichner nur bei den Flashbacks Simon Rileys in Aktion getreten ist und sich mit deutlich comicartigeren Zeichnungen (wie auf dem US Cover bzw. der Hinterseite des deutschen Sammelbandcovers) verewigt hat.
Die Thematik, dass Dragonbarone mit Terroristen paktieren und nicht mehr nur Drogen über die mexikanische Grenze in die USA schmuggeln, ist nicht neu, schon in der dritten Staffel von 24 war davon die Rede und Korruption in den US-Streitkräften, die den Krieg gegen den Terror sabotiert, ist eigentlich etwas, das die Teams des NCIS fast in jeder Folge einmal beschäftigt. Jüngst wurde beides mehr oder weniger sogar im Filmremake der Kultserie A-Team kombiniert.
Fazit:
für Fans der genannten beiden TV-Serien und vor allem Call of Dutys durchaus empfehlenswert.