Reihe: Cassia & Ky, Band 2 Eine Rezension von Doreen Below |
Zitat:
Ich lasse meiner Phantasie freien Lauf und stelle mir vor, wie Ky mich erwartet, wenn wir landen. Dass es nur noch wenige Augenblicke dauert, bis wir uns wiedersehen. Vielleicht sogar, bis ich seine Hand berühre und später, in der Dunkelheit, seine Lippen. (Seite 98)
Kurzbeschreibung:
Nach "Die Auswahl" von Ally Condie jetzt endlich der 2. Band der Bestsellerserie um Cassia & Ky ... Wie durch ein Wunder gelingt Cassia die Flucht in die Äußeren Provinzen. Sie will nach Ky suchen, ihrer großen Liebe. Dort kämpft Ky als Soldat für die Gesellschaft und ist ununterbrochen brutalen Angriffen ausgesetzt. Als Cassia endlich auf eine Spur von Ky stößt, ist er bereits entkommen und auf dem Weg in die wilden Canyons in den Grenzgebieten. Verzweifelt macht sich Cassia auf den lebensgefährlichen Weg. Was wird sie am Ende der ihr bekannten Welt finden? Zwischen steinigen Schluchten und staubigen Pfaden sucht Cassia nicht nur nach Ky – sondern auch nach sich selbst.
Meine Meinung:
Fortsetzungen sind schon eine Sache für sich. Ebenso wie der Werbeslogan "Die besten Serien der Welt", mit der so manche Buchreihe beworben wird … und leider nicht immer hält, was versprochen wird. Oftmals sind die Erwartungen sehr hoch und nach einem nervenaufreibenden Cliffhanger muss es einfach spannend bleiben! Bereits "Die Auswahl", der Trilogie-Auftakt zu Ally Condies Dystopie, um das tragische Liebespaar Cassia & Ky ließ mich nicht vollends glücklich zurück. Entsprechend schritt ich neugierig und (zugebenermaßen) mit leichten Zweifeln zu Lesetaten. Für mich zu recht! In einigen Punkten wurde ich nämlich enttäuscht, in anderer Hinsicht hingegen positiv überrascht. Also gilt für mich weiterhin: Eine teils gelungene Fortsetzung einer Jugendbuch-Serie: JA. Eine der vielleicht besten Serien der Welt: NEIN. Rein von der Optik her schaut die Sache da schon wieder anders aus.
Ich muss schon sagen, die fast einjährige Cassia & Ky-Leseabstinenz hat ihre Spuren hinterlassen. Anfangs musste ich doch stark meine Gedanken sortieren. Was ist im vorherigen Band doch gleich ALLES passiert? Glücklicherweise klärt Condie den Leser stückchenweise wieder auf und somit waren die Erinnerungslücken alsbald Geschichte. Überraschend war dann auch sofort die Tatsache, dass die Handlung dieses Mal aus Cassias & Kys (Ich-)Perspektive geschildert wird, was wirklich sinnvoll ist. Schließlich sehen die beiden sich eine ganze Weile nicht und gleichzeitig bekommt man eine gute Gelegenheit in Kys aufgewühlte Gedankenwelt einzutauchen. Für mich eindeutig zum Vorteil!
Wiederholt schlägt die Bestsellerautorin einen gedämpften Ton an und legt mehr Wert auf poetische Ansätze, wie zahlreiche Gedichte und dessen zunehmende Bedeutung für den weiteren Handlungsverlauf zeigen. Spannungsgeladene Momente sind spärlich gesät, dafür wird die Story Leichenreich und zum Teil emotional weitergeführt. Das hat seine Sonnen- wie Schattenseiten. Einerseits gestaltet sich "Die Flucht" leicht stagnierend, andererseits wird es überwiegend sehr gefühlvoll. Mal davon abgesehen, dass Cassia und Ky unabhängig voneinander ihre Flucht planen und gerade Cassias Ausbrechen mir in einigen Belangen zu gradlinig bzw. konstruiert erschien. Alles klappt scheinbar wie am Schnürchen und minimale Hindernisse lassen sich zunächst mühelos überwinden. Hier hätte ich Condie durchaus mehr Kreativität sowie Empathie für die körperlichen Leiden ihrer Hauptprotagonistin zugetraut. Manchmal hätte ich einfach gerne mehr mitgelitten/-gefühlt und selbst den harten Stein der Canyons unter meinen Fußsohlen oder die etlichen Abschürfungen auf meiner Haut gefühlt. Das gelang ihr nicht ganz.
Condie schreibt gut und auch die Übersetzung von Stefanie Schäfer liest sich flüssig und teils bildgewaltig. Nur passiert leider nicht sehr viel, außer den ständigen Umsiedlungen in die nächste Provinz/Schlucht, etlichen Klettertouren sowie eingelegten Verschnaufpausen. Ein Teufelskreis! Zudem beschreibt Condie manch nervenaufreibende Situationen eher wie ein leises Wispern, das (für meinen Geschmack) an manchen Stellen gerne lauter wie eindringlicher hätte sein können ... zumindest in der ersten Hälfte des Buches. Aber das wäre dann wohl nicht Ally Condie!
Überrascht wurde ich hingegen was Cassias & Kys Liebe füreinander betrifft. Gerade im ersten Band fehlte es mir an emotionaler Tiefe und spürbaren Empfindungen füreinander. In diesem Punkt kam ich nun auf meine Kosten. Lange müssen wir auf ein Wiedersehen der Liebenden warten. Ist es aber erst einmal so weit, wird man mit schönen Momenten belohnt und gleichzeitig wird deutlich, dass die Liebe weit mehr ist, als eine flüchtige Angelegenheit. So geht es in diesem Band auch um Vertrauen, Ängste, Verluste sowie Eifersucht. Zudem müssen sich beide die Frage stellen, ob sie wirklich das Gleiche wollen. Unterdessen ich Kys Handlungen, die zuweilen egoistisch und hart erscheinen, zunehmend immer besser nachempfinden konnte, erging es mir mit Cassia genau umgekehrt. Sie ist zwar mutig und beharrlich. Mitunter wirkte sie auf mich jedoch zu schwankend, vor allem ihr Gefühle betreffend, wenn es etwas brenzlich wird in Sachen Liebe. Autsch!
Es werden neue Nebencharaktere eingeführt, die größtenteils sympathisch sind, aber durchweg nur kleine, ausbaufähige Rollen einnehmen. Denke ich da zum Beispiel an die unnahbare wie schwer durchschaubare Indie, die ein sehr neugieriges Wesen hat, von sich jedoch kaum etwas preisgibt … oder den jungen Eli, dessen spontane Wahl ich letztendlich nicht nachvollziehen konnte. Zudem gab es einige Handlungsstränge/Hintergründe, die für mich nicht immer schlüssig waren. Mir war bis zum Ende nicht gewiss, wozu der Krieg und deren Opfer tatsächlich nötig sind. Ebenso was die Besonderheit einiger Figuren betrifft. Es werden zwar etliche Andeutungen gemacht und man befindet sich mitten drin im Feuergefecht. Allerdings würde ich doch gerne das tiefere WARUM dahinter erfahren! Damit rechne ich fest im finalen Band!
Ansonsten erschüttert die kaltherzige Vorgehensweise des Systems erneut und insbesondere zum Ende hin wird es actionreicher … wenngleich die bildgewaltigen Fluchtaufnahmen plötzlich sehr rasch abgespult werden und sich mir einige Reaktionen nicht gänzlich erschließen wollten. Hier konnte ich jedoch Kys Bedenken, bezüglich des oft erwähnten Steuermannes, sehr gut verstehen. Doch was sollte sein gedankliches Schulterzucken am Ende? Genügend Zündstoff für die Fortsetzung ist nun auf jeden Fall vorhanden und ich bin sehr gespannt wie sich einige Beziehungen und Verpflichtungen weiterentwickeln werden. Es bleiben einige Fragen offen und ich denke, das Gefühlskarussell wird sich in der Fortsetzung (Titel unbekannt) noch ordentlich drehen.
Kurz gesagt:
"Die Flucht" gestaltet sich eher ruhig, emotional und beständig ... und tritt dabei nur langsam von der Stelle. Wer bereits zuvor mitgerissen wurde von Ally Condies leiser wie untergründig poetischer Sprache, der könnte gemeinsam mit Cassia & Ky emotionale wie romantische Momente erleben, umgeben von den gefährlichen Schluchten der Canyons. Wer es gerne Spannungsgeladen und nervenaufreibend mag, könnte eine kleine Enttäuschung erleben. Weht die Handlung hauptsächlich wie ein sanftes Lüftchen durch die Berge, tobt zum Ende hin plötzlich ein starker Wirbelsturm, der die Handlung ordentlich aufwirbelt und neue Wege einschlägt. Das passte für mich nicht ganz, ist aber sicherlich reine Geschmackssache!