Reihe: Die Chroniken von Ninavel Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Das Cover des Buches zeigt zwei warm gekleidete Männer, die über einen Bergpfad wandern. Im Hintergrund kann man verschneite Berge erkennen. Eine Szene, die dem Buch entsprungen sein könnte, wären da nicht der rotglühende Wanderstock in der Hand des vorderen Wanderers: Im Buch kann der eine Wanderer keine Magie nutzen, während der zweite alles tut, um seine Magie zu verbergen. Nichtsdestotrotz ein passendes Cover, das meiner Meinung nach auch einen zweiten und dritten Blick wert ist.
Dev ist ein Vorreiter, jemand der die Karawanen sicher durch das Weißfeuergebirge zwischen Ninavel und Alathien führt. Während dieser Reisen schmuggelt er in der Regel auch den ein oder anderen magischen Talisman über die Grenze. Diesmal soll er jedoch nicht nur Talismane, sondern auch einen Menschen über die Grenze schmuggeln. Dass es sich bei diesen um den entlaufenen Lehrling eines Blutmagiers handelt, hat ihm sein Auftraggeber wohlweislich verschwiegen. Diesmal muss Dev sich sein Geld wirklich hart erarbeiten, denn der Blutmagier ist nicht bereit, seinen Lehrling ohne weiteres ziehen zu lassen.
Courtney Schafer lässt Dev und Kieran (den Blutmagierlehrling, den Dev über die Grenze schmuggeln soll) ihre Geschichte selbst erzählen. Und beide machen ihre Sache wirklich gut. Dev ist mir schon mit den ersten Seiten absolut sympathisch gewesen. Mir gefallen seine Art zu erzählen, seine direkte Art und sein (meist berechtigtes) Misstrauen allem und jedem gegenüber. Ein harter Kerl mit weichem Kern, dem man hin und wieder den Kopf zurecht rücken sollte – was im Verlauf der Geschichte durchaus auch passiert. Kieran ist auch ziemlich sympathisch, allerdings bei weitem nicht so greifbar wie Dev. Dev konnte ich durchweg verstehen, selbst bei seinen zu Kopfschütteln führenden Aktionen – Kieran hingegen ist mir auch mit den letzten Seiten des Buches noch fremd geblieben. Vermutlich weil Devs Hintergründe und Motive weitaus vielschichtiger sind als Kierans, auch wenn dessen (einzige) Motivation durchaus nachvollziehbar und Grund genug für seine Handlungen ist. Devs Vergangenheit ist einfach nur weitaus greifbarer als Kierans – auch wenn beide nicht wirklich “normal” zu nennen sind. Wenn sogar die Hauptfiguren sich in Grauzonen bewegen, lassen sich auch die Nebenfiguren nicht einfach gut oder böse zuordnen – damit sind die wirklich Bösen der Geschichte nicht so einfach zu identifizieren wie es anfangs noch scheint.
Schon die Figuren an sich, allen voran Dev, halten den Leser in ihrem Bann. Aber auch der Plot kann durchweg überzeugen. Schon auf den ersten Seiten zeigt Courtney Schafer den riesigen Schlamassel auf, in dem die zwei Hauptfiguren stecken: Dev ist quasi mittellos, Kieran auf der Flucht vor einem mächtigen Blutmagier. Das allein solle reichen, den Spannungspegel konstant zu halten – die Autorin schafft es allerdings, diesen noch weiter nach oben zu schrauben, denn weder die Handlungen der Figuren noch der Plot sind wirklich vorhersehbar. Es bleibt bei weitem nicht bei einer “einfachen” Grenzschmuggelei, Überraschende Wendungen, atemraubende Szenen (auch solche, die für den Plot selbst nicht unbedingt notwendig sind) halten den Leser ebenso an den Seiten wie Devs Charme. Ein Charme, der nicht bei allen so gut ankommt wie beim Leser – und damit auch für ein paar humorvolle Szenen sorgt.
Enge Pässe, Schmuggel, Flucht, Blutmagie, karge Klippen, eisige Kälte, dazu faszinierende Figuren, verschwimmende Grenzen zwischen Schwarz und Weiß und jede Menge Gefühl (sogar die Liebe hat einen kleinen Platz in der Geschichte) – Courtney Schafer versteht es definitiv, den Leser zu beeindrucken und bis zur letzten Seite am Buch zu halten. Dieses muss ich allerdings beanstanden: Auf der letzten Seite stürzt zwar niemand über die Klippe, in der Luft hängt man als Leser dennoch: Wirklich geschafft hat es keiner der Protagonisten und damit bleibt einem quasi keine andere Wahl, als die Fortsetzung in die Hand zu nehmen – eine Fortsetzung, die es leider noch nicht ins Deutsche geschafft hat.
Abgesehen vom dem offenen Ende finde ich “Die Chroniken von Ninavel – Blutmagier” durchweg empfehlenswert. Und da die Fortsetzung, “The Tainted City”, in Englisch bereits erschienen ist, hat man zumindest die Chance schnell zu erfahren, wie es weitergeht (vorausgesetzt man ist bereit, die Geschichte im Original zu lesen – ich habe es auf jeden Fall vor).