Titel: Collector Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Kris Schmidt-Kneen ist ein LKW-Fahrer im Jahre 3042. Das mag manche nun verwundern, aber offenbar sind über eintausend Jahre in der Zukunft nicht nur manche Berufszweige, sondern auch die bekannten Nationalstaaten oder verschiedene Alltagsgegenstände erhalten geblieben. Kris verdingte sich in früheren Jahren als Pilot, jedoch ist die Reise durch den sogenannten Interims-Raum eine nicht nur schmerzhafte Angelegenheit, sondern auch eine tödliche. Nicht mehr als 400 Sprünge schaffen die meisten Piloten, ohne zu einem seelischen oder körperlichen Wrack zu werden. Dabei haben die Menschen den Antrieb, um schneller als das Licht zu reisen, keinesfalls selbst entwickelt, sondern bauen einfach außerirdische, erbeutete Triebwerke nach.
Tief im Morast der versunkenen Stadt Venedig wird ein solcher Antrieb gefunden und Kris Schmidt-Kneen soll ihn mit seinem Schlepper zu einem High-Tech-Depot bringen. Jedoch wird sein Gefährt samt Ladung gekapert und in den Weltraum entführt. Dort bedankt man sich auf traditionelle asiatische Weise höflich für das "Überbringen" des Beuteguts, macht ihm aber klar, dass er den Fängen des Konzerns Bangash Industries kaum mehr entkommen wird.
Mehr oder weniger zufällig ist Kris der Sohn des gesuchten Anatol Lyssander, eines ehemaligen Piloten, der durch das Interims-Syndrom die Fähigkeit erlangte, sich mit Fremdwesen verständigen zu können. Lyssander wird benötigt, da sich seit längerer Zeit eine bislang mysteriöse Rasse im bekannten Sektor des Universums breit macht: die Collectors. Sie behaupten, die Menschheit sei vom Aussterben bedroht und müsse beschützt werden. Unter Zwang riegeln die Collectors einen bewohnten Planeten nach dem anderen ab und starten ein gigantisches Aufzuchtprogramm.
Die Menschen versuchen nun, hinter die Motive der Collectors zu kommen, Bangash Industries macht dies mit einer eigens bereitgestellten Expedition. Als Pilot soll Kris fungieren, als wissenschaftliche Leiterin eine Professorin, die sich ihren Verstand mit einem körperlosen Außerirdischen teilen muss. Begleitet werden sie zudem von Hybridwesen aus Tieren und Menschen sowie den nicht unvermeidbaren Soldaten. Jedoch ist die Mission von BI nicht ohne Kritik. Verschiedenste Fraktionen und Gruppierungen bekämpfen sich gegenseitig und nicht immer ist ein klares Ziel erkennbar. Darunter fallen Gruppen wie beispielsweise die CHURCH, eine Weiterentwicklung des Christentums, oder der Order of Technology, eine ideelle Glaubensrichtung, die es sich zum Ziel macht, möglichst viele Körperteile eines Menschen durch High-Tech-Implantate oder -Protesen zu ersetzen.
Markus Heitz, bisher bekannt durch seine ziegelsteingroßen Zwergen-Romane oder seine romanisierten Ausflüge in das Shadowrun-Universum, scheibt seinen ersten Science Fiction. Da mag man erst einmal skeptisch sein, vor allem, wenn einem klar wird, dass Heitz sich an einer klassischen Space Opera versucht, einem Untergenre, das schon viele zwischen zwei Buchdeckeln gepresste Ödnisse hervorbrachte.
Der erste Eindruck scheint dies auch zu bestätigen. Vor allem in den ersten Kapiteln scheut sich Heitz nicht, alle möglichen SF-Romane oder -Filme zu zitieren oder gleich in den Text einzubauen, beispielsweise wird in den ersten Seiten ein Planet gleich mal Babylon 5 genannt. Das mag Heitz witzig gefunden haben, ich persönlich war eher irritiert. Im Laufe des Romanes jedoch bekommt der Autor die Kurve und beginnt immer mehr, Eigenes zu entwickeln. Natürlich, bekannte Elemente wird man immer wieder finden, jedoch ist das 'Ausleihen' durchaus legitim, wenn es in einem selbst erschaffenen Kontext passiert und in sich logisch erscheint. Mit den zahlreichen Gruppierungen und Charakteren macht es Heitz dem Leser nicht immer leicht, den Überblick verliert man jedoch kaum. Nur die nach und nach erkennbaren verwandtschaftlichen und historischen Verhältnisse der Personen untereinander sind vielleicht etwas erzwungen, hier hat man manchmal den Eindruck, dass der Zweck die Mittel heiligt. Denn, was nützt es zu wissen, dass Person A die Tochter von Person B ist, wenn Person A mehrere Seiten später sowieso stirbt. Leider ist die Charakterisierung oftmals so wenig fortgeschritten, dass man das Ableben dieser Personen mit einem Achselzucken abtut. Die Story an sich ist sehr interessant. Warum schützen die Collectors die Menschen und welcher Plan steckt dahinter? Dies erinnert sehr stark an Frank Herberts "Der Wüstenplanet", wobei Heitz' Roman zwar nicht das Niveau des erwähnten Buches aufweist, sich aber viel flüssiger lesen lässt. ;-)
Als routinierter Vielschreiber versteht Markus Heitz sein Handwerk, und so ist sein seit angeblich mehreren Jahren in der Entwicklung befundener Roman sauber in immerwährende Spannungskurven eingeteilt, die sich durch erklärende Bereiche und Charakterentwicklungen ablösen. Das fesselt den Leser, und so hat man am Ende des Romans kaum den Eindruck, den oben erwähnten Ziegelstein verkonsumiert zu haben. "Collector" ist kein hochtrabender Roman, sondern gut lesbare und spannende Unterhaltung, die durchaus begeistern kann. Wenn Heitz mehr solche SF-Romane schreiben sollte, lese ich sie gerne.