Titel: Zeichnen und Entwerfen mit der Comicademy - Charakter Design Eine Rezension von Rupert Schwarz |
Ich glaube, man muss heute keine Lanze mehr für die Comickultur zu brechen. Spätestens die große Manga-Welle hat dieses Hybridgenre endgültig etabliert. Zumindest wird kaum noch einer bestreiten, dass Comickultur auch ihren Stellenwert hat. Noch viel wichtiger ist, dass die Grenzen zu Spiel und Film sehr fließend geworden sind und Comic-Kunst dort nun großen Einfluss auf die Computeranimation nimmt. So überrascht es auch nicht, dass Dennis Formann vor sechs Jahren die Comicademy gründete, um gezielt Nachwuchs für den sehr großen Markt zu schulen.
Vor mir liegt ein Buch, das sich beim ersten Durchblättern nicht recht einordnen lässt. Comicademy steht drauf und so etwas ist auch drin, wenn auch nicht in der Form, wie man es sich vielleicht in Gedanken vorstellt. Wer ein Buch im Sinn von „How to draw xyz“ erwartet, wird sicherlich nicht glücklich damit werden, denn Arbeitshilfen finden sich nur wenige. Vielmehr lassen sich Dennis Formann und Co-Autor Alexander Raphelt in die Karten blicken und so mancher wertvoller Tipp findet sich in dem Buch. Allerdings lässt das Werk eine wirkliche Struktur vermissen und das Buch könnte man auch mit '100 kleine Zeichentipps' betiteln, was nicht unbedingt negativ verstanden werden sollte. Jemand, der sich mit dem Medium Comic schon intensiver beschäftigt hat, wird in diesem Buch viele interessante Impulse finden.
Im Verlauf der Lektüre erkennt man allmählich doch eine Struktur und der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Charakter-Design. Anhand von vier Fallstudien wird die Entwicklung von Comicfiguren von den ersten Entwürfen bis hin zum endgültigen Produkt erklärt und beschrieben. Besonders gelungen ist der Rumpfartikel von Alexander Raphelt, der sich viel mit den inhaltlichen Werten von Comicfiguren beschäftigt. Es gibt viele Beispiele, in denen Zeichner sich als Texter versucht haben, aber es gibt wenige Bespiele, in denen das auch wirklich gelang. War nicht Goscinny der bessere Texter als Uderzo? Eben. Der Autor aber regt die angehenden Zeichner an, ihrer Figur eine Seele zu geben, und bietet verschiedene Ansätze, eine gelungene Figur zu entwickeln. Letzten Endes muss man sich nur die wirklich erfolgreichen Comicfiguren ansehen, denn diese haben alle eine Seele. Ich finde, man kann das nicht oft genug betonen, und was Alexander Raphelt schreibt, hat Hand und Fuß.
Die Autoren der vier Fallbeispiele - ich nehme an, das sind nichts andere als Studienarbeiten von Schülern der Comicadamy - nähern sich dem Thema von unterschiedlichen Richtungen an und bieten somit alternative Weg, eine Figur zu erschaffen. Am Ende aber ist das Urteil klar. Dies ist definitiv kein Buch für Anfänger, sondern etwas für Leute, die sich schon intensiver mit Zeichnen und Comics befasst haben. Für diese allerdings hält das Buch einige wertvolle Tipps bereit und aus diesem Grund lege ich diesen Leuten das Buch auch ans Herz.