Titel: Creekers Eine Besprechung / Rezension von Carmen Weinand |
Ganze 10 Jahre ist es her, dass Phil Straker seine Heimatstadt Crick City und seine ehemalige Verlobte Vicki verlassen hat, um seinen Traum, Polizist zu werden, wahr zu machen. Durch eine Verschwörungsaktion eines Arbeitskollegen gerät Phil ins Visier der Polizeibehörden. Er soll ein Kind mit illegaler Munition getötet haben. Er verliert seinen Job und damit auch seinen guten Ruf. So erscheint ihm die Chance, im heruntergekommenen Crick City noch einmal als Cop von vorne zu beginnen, wie ein Wink des Himmels. Obwohl ihm die Aussichten auf das verschlafene Nest und die schlechter bezahlte Stellung nicht gerade paradiesisch erscheinen, lässt er sich auf das Jobangebot ein. Schnell befindet er sich inmitten eines Sumpfes aus Drogen, Inzucht und den längst vergessenen Geistern seiner Vergangenheit.
Bereits bevor ich begann "Creekers" zu lesen, las ich, dass einige Leser das Gefühl hatten, es sei "so ziemlich dasselbe wie Bighead".
Das Auftauchen der beiden mordenden und vergewaltigenden Hinterwäldler gleich zu Beginn der Story könnte auch tatsächlich diesen Anschein erwecken. Dem ist jedoch nicht so. Wer weiterliest, wird schnell feststellen, dass die beiden nur einen kurzen Gastauftritt im Roman haben. Und wer sich im Netz ein wenig schlau macht, wird ebenso feststellen, dass "Creekers" noch vor "Bighead" verfasst wurde. Vielleicht waren die beiden, uns allzu gut bekannten Verbrecher, schlicht und einfach eine solide Basisvorlage für den später geschriebenen "Bighead", in dem sie dann ihre ganze verbrecherische Vielfalt ausleben durften.
"Creekers" fordert dem lesenden Fan von Edward Lee einiges an Geduld und Durchhaltevermögen ab.
Bereits mit seinen ersten Werken, die in Deutschland erschienen sind, zeigte Lee, dass es für ihn kein festgefahrenes Schreibschema gibt. Spätestens nach der Lektüre von "Innswich Horror" war auch mir klar, dass ich bei jedem neuerschienenen Roman von Lee auf alles gefasst sein darf. In seiner nahezu unendlichen Vielfalt der Schreibkunst hat er auch in "Creekers" wieder eine völlig andere Schiene gefahren, als man ursprünglich erwartet hätte.
Noch völlig erschlagen von Bighead's perversen Eindrücken, begibt man sich also mit komplett falschen Erwartungen an diesen Roman.
"Creekers" beginnt wie ein Krimi, entwickelt sich zu einem Krimi mit Liebesgeschichte, steigert sich zu einem Mystery-Thriller und endet im blanken Horror. Diese Steigerung vollzieht sich relativ langsam und zäh, so dass man mitunter etwas ungeduldig wird.
Auch in diesem Roman spart Edward Lee nicht mit Sex, Blut und perverser Gewalt. Allerdings kommt einem im direkten Vergleich zu "Bighead" nicht gleich das Mittagessen wieder hoch. Auch der Gebrauch des Hinterwäldlerslangs hält sich hier in erträglichen Grenzen. Die Aussprache der durch Inzest mißgebildeten und zum Teil komplett verblödeten Creekerfrauen hatte stellenweise sogar etwas Witziges und hat mich zwischendurch breit grinsen lassen.
Lee verpulvert ziemlich viel Energie für den Hauptcharakter Phil und seinen verbissenen Plan, den Anführer der Creekers dingfest zu machen. Das zieht sich zwar ein bisschen arg in die Länge, hat aber die wichtige Funktion, den Showdown besser zur Geltung zu bringen und das Augenmerk der Leser auch auf Kritik an Polizei und die Regierung zu lenken. Noch während man überlegt, ob man sich nun langweilt oder nicht, hat Lee einen eigentlich schon fest im Griff. Man weiss es bloß noch nicht.
Hier ist jetzt eine gewisse Grundbegeisterung für die Werke von Edward Lee und außerdem reine, sture Zähigkeit gefragt. Denn wenn man durchhält, wird man mit einer abgefahrenen und intelligent gestrickten Handlung belohnt, deren unerwartete Wendung den Leser nach einem erlösenden Showdown mit entgeistertem Starren auf den letzten Satz zurücklässt.
Wer den auf dem Cover abgebildeten Freak ekelig findet, darf sich freuen. Er taucht nämlich ca. alle 20 Seiten auch im Inneren des Buches auf und erinnert uns daran, wessen Roman wir vor uns haben.
Wie immer, verwöhnt der FESTA Verlaguns auch hier wieder mit einem schicken Einband in Lederoptik.
Fazit:
"Creekers" ist wieder ein weiterer Nachweis für die Vielseitigkeit, mit der Edward Lee sich durch sein schriftstellerisches Tun bewegt. Man bekommt nicht das, was man erwartet. Man bekommt schon wieder etwas Neues, das Geduld erfordert, die schließlich gebührend belohnt wird. Erwartet keinen "Bighead" - erwartet einen Lee!
Unter Beachtung dieser kleinen Regel gebe ich meine Kaufempfehlung.