Titel: Cyberabad Eine Rezension von Martin Wagner |
Vermutungen über die nahe und ferne Zukunft sind fester Bestandteil vieler Unterhaltungen, denn auch wenn der Mensch in der Gegenwart lebt, ist es doch die Zukunft für die er lebt. Es ist deshalb nicht überraschend, dass sich Bücher, Filme und Fernsehserien, die sich mit der Zukunft beschäftigen, großer Beliebtheit erfreuen. Es ist dabei auch egal, ob es sich um fiktionale oder wissenschaftliche Umsetzungen des Themas handelt, die Zukunft interessiert immer.
Selbstverständlich verkaufen sich fiktionale Bücher und Filme besser als wissenschaftliche und das haben einige Autoren frühzeitig erkannt. Der Engländer Ian McDonald ist einer der bekanntesten Vertreter dieser Zunft und macht vor allen Dingen durch seine realistische Sicht auf zukünftige Errungenschaften von sich reden. Auch seiner neuester Roman „Cyberabad“, der in Deutschland beim Wilhelm Heyne Verlag erschienen ist, zeichnet sich dadurch aus und wurde vollkommen zurecht mit dem British Science Fiction Association Award ausgezeichnet. Der Roman entführt den Leser ins in der Moderne angekommen Indien des Jahres 2047 und in eine Zeit, in der sich die Zukunft der Menschheit entscheidet.
Um die Zukunft der Menschheit kämpfen in „Cyberabad“ zehn Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Unter diesen zehn bedeutenden Menschen sind auch ein Gangster, dessen Schulden ihn dazu zwingen gegen die eigenen Überzeugungen zu handeln, zwei Wissenschaftler, die eine Entdeckung machen, die direkt mit der Zukunft der Menschheit zusammenhängt, ein Polizist, der das Wissen und die Waffen besitzt, um eine entscheidende Rolle zu spielen, eine mysteriöse junge Frau mit besonderen Fähigkeiten, ein Politiker und seine große Liebe, und ein Stand-Up Comedian, der sein Leben um 180 Grad drehen muss, als er ein Drittel des großen Familienunternehmens erbt. Im Jahr 2047 ist Indien nicht mehr was es heute ist, Provinzen haben sich abgespalten und alte Feindschaften wurden neu entfacht und ein Krieg bricht aus. Gleichzeitig sorgt eine Dürre dafür, dass der Ganges kaum mehr als der Fluss Indiens sondern nur noch als Flüsschen vorhanden ist. Doch diese politischen und geologischen Probleme sind nur ein Faktor, der das Schicksal der Menschheit beeinflusst. Viel entscheidender sind der gesellschaftliche Wandel und die wissenschaftliche Entwicklung. Künstliche Intelligenzen sind seit Jahren aus den Medien und den Firmen nicht mehr wegzudenken und haben mittlerweile einen großen Einfluss. Bisher war es jedoch verboten eine KI zu schaffen, die dem Menschen überlegen ist. Leider lässt sich auch bei Künstlichen Intelligenzen die Evolution nicht dauerhaft verhindern und es kommt, wie es kommen muss und noch viel schlimmer als man es erwartet.
Viele Protagonisten, viele Antagonisten und viele Handlungsstränge führen dazu, dass man als Leser fast 100 Seiten braucht, bis man im Buch angekommen ist und die Zusammenhänge, die nicht überall klar zu erkennen sind, versteht. Hat man diese 100 Seiten aber hinter sich gebracht, erlebt man ein Lesevergnügen, das man so selten erlebt hat. Die Protagonisten und Antagonisten sind rund und man genießt schon bald deren Eigenarten, ihre Stärken und vor allen Dingen ihre Schwächen. Neben den Figuren sind es aber vor allen Dingen die möglichen technischen Entwicklungen, die McDonald einführt und vorstellt, die überzeugen können. Künstliche Intelligenzen, Drohnen, voll digitale Fernsehshows und vieles mehr lassen den SciFi-Fan lächeln und träumen. Protagonisten und technische Dinge sind aber nicht alles, was man für einen guten Roman braucht. Die Geschichte muss auch stimmig sein und auch das gelingt McDonald spielend. Einige Dinge sind zwar vorhersehbar, andere jedoch kommen völlig unerwartet und beides zusammen führt zu einem spannenden wissenschaftlichen Thriller, der völlig zurecht bereits in England preise gewonnen hat.
Fazit: „Cyberabad“ vom Meister der Science-Fiction Romane Ian McDonald ist ein spannender Thriller mit vielen Figuren und vielen Handlungssträngen, in den man sich langsam hinein finden muss, um ihn dann völlig genießen zu können. Realistische technische und politische Entwicklungen und Exotik, mehr kann man nicht mit SciFi machen.