Serie: Argstein, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Deutschland in den 1850er Jahren. Ein Förster hegt und pflegt den Wald und seine vielen unterschiedlichen Bewohner. Da sind Fuchs und Hase, die sich gute Nacht sagen, der Dachs, das Reh, die Moosweiblein, die Aufhocker und andere niedliche Waldbewohner. Förster Gereon Scherf sorgt im Auftrag des Barons für ein ausgeglichenes Gleichgewicht zwischen den Interessen der Waldbewohner und denen der Dörfler, die nahe am Waldrand wohnen. Ihm zur Seite steht die Tochter des Barons, die später, nach dessen Tod, die Stelle als Baronesse einnehmen wird. Doch es beginnt alles ganz harmlos, als der alte, blinde Xaver Elch in der Gaststätte "Zum Bärenhäuter" eine Geschichte erzählen will, aber niemand ihn zu Wort kommen lässt . Dabei erzählt er immer so gern Geschichten über den Baron Rupprecht von Argstein, wenn ein kleiner Schnaps dabei herausspringt. Bis auf den kleinen Kasper Rehms, der hört Geschichten für sein Leben gern und treibt sich mit seinen jungen Jahren in der Kneipe herum. Er ist derjenige, der den Abenteuern mit dem Roten voller Inbrunst zuhört.
Baron von Argstein war ein brutaler Jäger, der auf alles und jeden Jagd machte. Eines Tages sieht er in seinem Wald einen goldenen Hirsch. Der Baron setzt alles daran, den Hirsch in seine Trophäensammlung aufzunehmen. Dieser entzieht sich geschickt den Nachstellungen. Weil er im Zorn, den Hirschen nicht zu treffen, seinen Förster ermordet, gerät er in eine fürchterliche Abhängigkeit. Der Rote taucht auf und bietet ihm Freikugeln an, die niemals ihr Ziel verfehlen. Als Gegenleistung will er dem Baron und seinen Nachkommen auf Lebenszeit dienen. Die beiden sind sich schnell handelseinig, und der Baron trifft auch den Hirschen. Aber auf der nie endenden Suche nach dem Kadaver und dessen Geweih verfällt der Baron dem Wahnsinn. Soweit die Geschichte, wie sie Kasper Rehm zu hören bekommt. Danach bekommt er etwas anderes zu hören, denn er hat sich nicht um die Tiere des Bauernhofes gekümmert. Sein Bruder droht ihm Schläge an, und Kasper flieht in den Wald, wo ihn ein Moosweiblein versteckt. Dummerweise sind die Moosweiblein und Moosmännlein Menschenfresser. Lucas findet seinen kleinen Bruder auf einer Waldlichtung und verlangt, dass er zurück kommt. Statt dessen fallen die anderen Moosleute über ihn her. Lediglich der zufällig auftauchende Förster Gereon Scherf, in Begleitung seines Lehrlings, der Baronesse Krista, kann das Schlimmste verhindern. Während die Moosleute vertrieben werden und Lucas mit Kasper auf dem Weg nach Hause sind, treffen der Förster und Krista auf einen Aufhocker, der einen Hirschen jagt. Kurz darauf hören sie Schüsse. Lucas ist zurück und erschießt alle Moosleute. Der Rote hat wieder einen Dummen gefunden, denn Lucas schießt nur mit Freikugeln. Und dann geht es Schlag auf Schlag weiter.
Lucas und Kasper sind auf der Flucht, und Lucas führt plötzlich einen Ein-Mann-Krieg gegen die mystischen Waldwesen. Niemand scheint vor dem Freischütz sicher zu sein. Als er ein Wildschwein tötet, tritt König Schwarzer Keiler auf den Plan. Die beschwichtigenden Worte von Gereon prallen an dem wütenden Fabelwesen ab, wie Wasser von einem Steinbrocken. Voller Wut und Zorn tobt König Schwarzer Keiler mit seiner Rotte durch das Dorf und macht es fast dem Erdboden gleich.
Egal, wie man es sieht, der Rote hat wieder einmal gewonnen. Sein Ränkespiel hat das labile Gleichgewicht zwischen Dorfbewohnern und den Waldbewohnern zerstört. Gereon Scherf kann nichts mehr kitten, nur noch den Schaden begrenzen.
Inzwischen gibt es weitere Abenteuer des Försters Gereon Scherf aus dem Argsteintal. Mir gefallen die handelnden Personen, die mit Schrift und Zeichenstift, Bild für Bild dem Betrachter nahe gebracht werden.
Gleichfalls sind die Handlung und die Dialoge nicht einfach nur flach erzählt, sondern bilden mit den Personen eine komplexe Einheit. Die Geschichte um das Gesetz des Waldes, der irgendwo in Deutschland angesiedelt ist, ist spannend und gut erzählt. Der Held dieser Erzählung ist natürlich der zwischen allen Stühlen sitzende Förster Gereon. Seine bullige Gestalt wirkt auf viele einschüchternd. Leider nicht auf alle gleichermaßen, und so muss er sich nicht nur mit Gewalt, sondern sich auf die Macht der Sprache verlassend Gehör verschaffen. In seiner Begleitung befindet sich des Barons Töchterlein, die bei ihm in die Lehre geht, will sie doch später den Platz ihres Vaters einnehmen und Land, Wald und Leute kennen und beherrschen lernen. Leider steht ihr eigener Sturkopf da manchmal im Weg. Baronesse Krista will überall dabei sein und handelt in vielen Dingen impulsiv, und damit verkehrt.
Die Waldbewohner wollen in der Regel ihre Ruhe haben, da sie meist miteinander beschäftigt sind. Fressen und gefressen werden ist hier die Parole. Dabei sind sie nicht abgeneigt, manch einen Menschen zum Essen einzuladen. Wohlgemerkt, als Hauptspeise. Nach und nach stellt sich aber heraus, dass Menschen wie auch Waldwesen eine tiefe Abneigung gegeneinander hegen und die jeweils anderen gern ausgerottet sehen. Die gegensätzlichen Parteien gehen dabei nicht gerade zimperlich miteinander um. Gewalt wird nicht verherrlicht, aber auch nicht verschönt. Da fließt Blut, Gehirnmasse und Eingeweide verlassen die Körper auf unästhetischen Wegen. Dabei wirken die Zeichnungen nie zu brutal. Die Farben sind kräftig, der Strich etwas grob, aber nicht unangenehm. Die handelnden Personen im Vordergrund sind deutlich ausgearbeitet, der Hintergrund in den meisten Fällen nur angedeutet.
Ähnlich wie in Sagen und Märchen, in denen vieles auch nur angedeutet wird, ist der Comic damit geeignet, weitere, eigene Gedanken in die Handlung einzubringen.