Serie/Zyklus: Takeshi Kovacs, Band 1 Besprechung / Rezension von Jürgen Olejok Mittlerweile hat sich ein Gewöhnungseffekt bei SF-Lesern an vollmundigen Verlagsbeschreibungen zwecks Promotion wie "...aufregendster Debütroman seit..." oder "...der neue Star der Science Fiction..." und ähnliche Superlativen eingestellt. Keineswegs gehört es aber zur Normalität, wenn das Debüt eines unbekannten Autors den PKD-Award bekommt. Mit diesem Titel ausgezeichnet, lässt sich Werbung und Anspruch verbinden und der Käufer hat, wenn auch keine Garantie, immerhin eine Art Referenz, ob ein Roman lesenswert ist oder nicht. Ist dann auch noch das Thema für den jeweiligen Leser interessant, kommt der SF-Fan nicht um den Kauf des Buches herum. |
Richard Morgan hat mit seinem Erstlingswerk Das Unsterblichkeitsprogramm einen SF-Krimi abgeliefert, der keineswegs den Vergleich zu Werken bekannterer Autoren zu scheuen braucht. Mit einem Gespür für andauernde Spannung und einer verschachtelten Detektiv-Story im SF-Gewand hält er das Interesse des Lesers an der Geschichte wach und erreicht das höchste Ziel aller Autoren... den Leser an das Buch zu binden.
Diese Tatsache unterscheidet einen überdurchschnittlich begabten Autor vom Rest der Masse.
Inhaltsbeschreibung (Klappentext)
In nicht allzu ferner Zukunft hat der Tod seinen unmittelbaren Schrecken verloren. Das menschliche Bewusstsein wird in einer Datenbank abgespeichert und kann je nach Bedarf in einen Körper zurücktransferiert werden. Diese Körper, `Sleeves` genannt, sind in aller Regel Klone, doch ur die Reichen können sich eigene Klone leisten - alle anderen müssen nach dem 'Download' mit einem anderen Körper als dem vorherigen weiterleben.
So wie der Privatdetektiv Takeshi Kovacs, der sich nach seinem Ableben plötzlich im Körper eines ehemaligen Polizisten wiederfindet. Allerdings hat er nicht soviel Zeit, sich in seiner neuen Umgebung zurecht zu finden, denn der Millionär Laurens Bancroft hat ihn für einen ganz besonderen Auftrag wieder zum Leben erweckt:
Kovacs soll seinen, Bancrofts, Mörder ausfindig machen...
Richard Morgan startet in diesem Roman ein Feuerwerk an SF-Elementen, von der virtuellen Realität bis zur Biotechnik, von der überlichtschnellen Kommunikation bis zu Fremdwelten, von künstlichen Intelligenzen bis zu fliegenden Taxis. Er lässt kaum ein Element dieser genretypischen Fiction aus und verpackt sie in eine verstrickte und äußerst spannende Geschichte.
Alles zusammen wäre das der Stoff, aus dem Buch-Legenden geschnitzt werden, wäre da nicht ein kleiner Umstand, den der leseerfahrene SF-Fan ziemlich schnell erkennt... Morgan klaut wirklich alles, was die Science Fiction in den letzten Jahren zu bieten hatte. Keines seiner SF-Elemente ist wirklich neu oder zumindest neu aufgebaut. Es wäre müßig, an dieser Stelle eine Aufzählung aller Bücher und Autoren zu nennen, die dieses oder jenes zu Morgans Werk 'erfunden' haben. Es würde aber wie ein "who is who" der SF-Literatur werden, weil sich der Autor nur bei den Besten des Genres bedient hat.
Warum also trotzdem eine positive Tendenz für diese Buch ?
Die Frage wird während des Lesens beantwortet. Richard Morgan versteht es nämlich ganz ausgezeichnet, die entliehenen Elemente so geschickt zu platzieren, dass es dem Leser eigentlich egal ist, ob und wo er schon mal das Eine oder Andere gelesen hat. Die Geschichte selbst ist der eigentliche Faktor in diesem Buch. Eine Tatsache, die so manchen innovativen Roman der letzten Jahre ziemlich alt aussehen lässt.
Der Autor spielt virtuos mit den ureigenen Empfindungen des Lesers, er lässt ihn an der Geschichte teilhaben und erreicht damit, das der Vorgang des Lesens ein Abenteuer wird. Eine gewisse Härte bei den Beschreibungen von Gewalt- und Kampfszenen lässt sich nicht verleugnen, aber bedenkt man, dass wir es hier mit einer Cyberpunk-ähnlichen Umgebungsstruktur zu tun haben, bewegt sich der Autor an den genretypischen Grenzen.
Der Clou am Unsterblichkeitsprogramm ist aber zweifellos die verzweigte Detektivgeschichte, bei dem solide englische Kriminal-Literatur zu erkennen ist. Morgan lässt den Leser während der Geschichte so oft in die Falle einer offensichtlichen Lösung laufen, dass es ein reines Vergnügen wird, dem Handlungsablauf weiter zu verfolgen.
Von Kapitel zu Kapitel steigt die Spannung an, kommen weitere Figuren und Akteure ins Spiel und lose Enden, die absichtlich in einigen Abschnitten der Geschichte eingebaut sind, verbinden sich zu einer logischen Handlung.
Das Ende der Story bietet dann einen in sich zusammenhängenden und nachvollziehbaren Schluss, der keine wichtigen Fragen mehr offen lässt.
Während die Geschichte an sich wenig Grund zur Kritik hergibt, wird beim einen oder anderen Leser die leicht übertriebenen Fähigkeiten des 'Helden' Kovacs für ein wenig Unmut sorgen. Berücksichtigt man aber den Werdegang der Hauptfigur und nimmt die Tatsache des Handlungsrahmens, dass der Tod nicht mehr entgültig ist, dazu, verzeiht man dem Autor und nimmt den Umstand hin.
Ob man die ein wenig überzogene Aussage des Guardian, dass Richard Morgan mit diesem Roman die Science Fiction des neuen Jahrtausend definiert, teilt oder nicht, Richard Morgan ist mit diesem Buch ein toller Clou gelungen. Sein gepflegter und vor allen Dingen flüssigen Schreibstil, überzeugt von Anfang bis zum Ende, die Story ist perfekt zusammengebaut und der Spannungsbogen wird bis zum Ende aufrecht erhalten.
Selbst wenn man einige Abstriche im Bereich Originalität macht und einige SF-Elemente nicht mehr diesen "Sense of Wonder" erzeugen, weil sie in anderen Romanen schon ihre Schuldigkeit getan haben, bleibt unterm Strich ein SF-Krimi, der in jedem Falle lesenswert ist.
Das Unsterblichkeitsprogramm - Rezensionsübersicht