Titel: Das göttliche Mädchen Eine Rezension von Sonja Buddensiek |
Ich grub die Nase in das weiche Fell meines Hundes. Ich wollte nicht, dass Henry ging. Ich wollte Karten spielen oder reden oder lesen - alles, was ihn irgendwie von Persephone abgelenkt hätte. Nach der Nacht, die er gehabt hatte, verdiente er wenigstens das. Wir beide verdienten es.
"Bleib", platzte ich heraus. "Bitte."
Doch als ich aufsah, war er bereits fort.
(Quelle: Das göttliche Mädchen, Mira)
Inhalt:
Kates Mutter hat Krebs im Endstadium und auf ihren Wunsch zieht sie mit ihr nach Eden, einem kleinen Städtchen in Michigan. Dort begegnet sie dem gut aussehenden, aber traurig wirkenden Henry, der im Anwesen Eden Manor lebt. Als etwas Schreckliches geschieht, macht er ihr ein Angebot: Sie soll jedes Jahr von Herbst bis Frühling bei ihm leben und 7 Prüfungen bestehen, damit sie seine Frau werden kann. Kate ist abgeschreckt und lehnt ab - doch bald erfährt sie, dass Henry der Gott der Unterwelt, Hades, ist. Und wenn sie nicht alles verlieren will, was ihr lieb ist, muss sie zustimmen. Doch irgendjemand versucht dies zu verhindern...
Buchaufmachung:
Der Untergrund aus grünen Farnen und Blättern, auf dem das Cover-Mädchen liegt, gibt dem ganzen durch die Düsternis und gleichzeitig durch das Naturelle etwas besonderes. Den Gesichtsausdruck der jungen Frau finde ich allerdings eher weniger gelungen, denn dieser wirkt irgendwie unnormal. Das Kleid allerdings passt wiederum gut zur Geschichte - alles in allem also gelungen.
Meine Meinung:
Manche lieben es, andere sind zutiefst enttäuscht worden - zu "Das göttliche Mädchen" gibt es viele unterschiedliche Resonanzen. Die Geschichte selbst hat mich von Anfang an interessiert, daher wollte ich es unbedingt selbst ausprobieren. Und glücklicherweise bereue ich es nicht.
Kate liebt ihre Mutter über alles und gibt deswegen dem Wunsch nach, zurück in deren Geburtsort Eden zu ziehen. Sie kämpft wie eine Löwin um das Leben ihrer Mutter, doch die Situation scheint immer aussichtsloser und bald kommt das Mädchen an einen Punkt, an dem sie es alles tun würde. Hilfe verspricht der geheimnisvolle Henry...Mit diesem Wissen um den Plot beginnt man das Buch zu lesen und findet sich auch recht schnell darin wieder. Durch die Ich-Sicht und die Erzählung im Präteritum zieht die Geschichte schnell in den Bann, vor allem, da fast sofort die erste Aufregung herrscht. Aimée Carter besitzt einen ansprechenden, flüssigen Schreibstil, der allerdings nicht durch etwaige Besonderheiten im Gedächtnis bleibt.
Kate Winters selbst ist zumeist ein ruhiges, liebevolles Mädchen, dessen beste Freundin die Mutter ist. Dadurch kommt sie ab und an etwas kindlich rüber. Sie ist relativ naiv, was aber auch einen Anteil ihres Charmes ausmacht. Sogar in schwierigen Situationen ist sie vor allem auf das Wohl anderer bedacht, was einerseits klischeehaft ist, andererseits zu ihrer Persönlichkeit passt. Henry, den sie kennen lernt, ist einwirklich stiller Mann. Er hat viel verloren in der Zeit, die er bisher auf Erden gewandelt ist, und kann sich nur schwer wieder auf jemanden einlassen, vor allem, da er schon lange aufgehört hat zu kämpfen. Trotzdem ist er ein sehr sympathischer Charakter, weil er so zärtlich und herzensgut ist, besonders, da er durch Kate endlich wieder Freude erlebt.
Freundin Ava nervte mich dagegen die meiste Zeit über. Erst benimmt sie sich unaussprechlich böse, dann ist sie mit einem Mal die Freundlichste, Gutmütigste überhaupt - das klärt sich zwar zum Ende hin und ergibt auch einen Sinn, trotzdem konnte ich nicht verstehen, wie Kate sich mit diesem Biest nach so kurzer Zeit anfreunden konnte. Dasselbe mit James. Dieser ist zwar nett [und langweilig], aber dass er bereits am 2. Tag ein so guter Freund sein soll wie es hier beschrieben wird, ist schwer vorstellbar. Sowieso versteht sich Kate mit beinahe jedem ausnahmslos gut und jeder ist ihr in irgendeiner Weise sympathisch. Ansonsten weisen die übrigen Charaktere aber nicht viele Züge auf, weshalb ich ihre Kurzsichtigkeit in diesem Bereich nicht nachvollziehen konnte.
Die Idee des Romans ist faszinierend und originell, weil sich die Autorin auf viele verschiedene Sagen stützt; insbesondere aber die von Hades und Persephone. Wer allerdings 7 schwierige und gefährliche Prüfungen erwartet, wird hier schwer enttäuscht sein - denn diese erfolgen so gut wie ausschließlich im Verborgenen. Dadurch, dass auch Kate nicht Bescheid weiß, ist man auf demselben Stand, dennoch hätte ich mir hier eine größere Präsenz gewünscht. Das Leben des Mädchens auf dem Anwesen ist schön beschrieben und wird insbesondere von dem Aspekt bestimmt, dass viele andere vor ihr umkamen und sie die Letzte sein soll und im Grunde bestehen muss. Sie kämpft um um das Leben ihrer Mutter und um Henry, was das Ganze sehr spannend macht. Die wachsende Zuneigung von ihr zu diesem ruhigen Mann ist realtsisch beschrieben und wird zwischendurch wirklich kribbelig-romantisch.
Zum Schluss folgt dann die erwartete Auflösung derjenigen Person, die so viele Mädchen tötete und auch auf Kate Anschläge verübte. Die Identität war mir schon ziemlich früh klar, daher war ich eher wenig begeistert, zumal das Motiv nicht unbedingt originell ist. Dennoch löst dies eine spannende Szene aus, die dann in die Auflösung weiterer interessanter Geheimnisse mündet. Das Ende des Buches ist zwar relativ voraussehbar, macht aber trotz des nicht vorhandenen Cliffhangers Lust auf Band 2 - vielleicht grade aus dem Grund, dass man so gespannt ist, ob Carter es schafft, aus dieser eigentlich abgeschlossenen Geschichte noch etwas herauszuholen. Ich bin gespannt!
Fazit:
"Das göttliche Mädchen" kann mit der schönen Idee, den mythologischen Aspekten und sympathischen Protagonisten punkten. Die Auflösungen der Geheimnisse sind allerdings weniger originell, außerdem haben mich die meisten Nebenfiguren eher durch mangelnde Charakterisierung gestört. Ich schwanke zwischen 3,5 und 4, gebe aber das Bessere, da ich die meiste Zeit über sehr gefesselt war. Mal schauen, was uns in "Die unsterbliche Braut" erwartet!