Titel: Der Mann, der den Regen träumt Eine Besprechung / Rezension von Sonja buddensiek |
Er stand jetzt genau zwischen Elsa und der Sonne. Sein kräftiger Körper schirmte das Licht ab, das ihm mit einem hellen Strahlenkranz umgab. Wie zum Zeichen der Kapitulation breitete er die Arme aus.Dann, ganz langsam, löste er sich auf.
Wie Kreide, von Regen zu einem weißen Schleier verwaschen, begannen seine Umrisse zu verschwimmen und seine Konturen schwanden beinahe unmerklich. Im einen Moment sah Elsa einen Mann vor sich und im nächsten nur noch eine graue Silhouette. Seite Haut wurde zu Nebel. Die Sonne hinter ihm ließ ihn erstrahlen und umrahmte ihn mit ihrem goldenen Schein, bis er nichts mehr von einem Mann an sich hatte, sondern immer mehr einer Wolke glich, die durch Zufall die Form eines Menschen angenommen hatte.
INHALT
Nach dem Tod ihres Vaters flüchtet Elsa in die weit entfernte, wenig bewohnte und geheimnisvolle Stadt Thunderstown. Die Menschen dort sind extrem abergläubisch und irgendwie wunderlich, so anders wie das Städtchen aber auch ist, so wohl fühlt Elsa sich dort. Als sie eine Wanderung auf einen der umliegenden Berge macht, begegnet sie dem jungen Finn. Statt Blut fließt ihm Luft durch die Adern, statt eines Herzschlags wummert der Donner in ihm und die Bürger fürchten sich. Obwohl er für das Wetter in der Stadt verantwortlich gemacht und ihm Hass entgegen gebracht wird, steht Elsa zu ihm...
MEINE MEINUNG
SCHREIBSTIL:
Ali Shaw besitzt einen sehr ausführlichen, detailverliebten Stil mit einer Mischung aus kurzen, prägnanten und langen, verschlungenen Sätzen. Die Beschreibungen sind wunderschön, ausführlich und unendlich zauberhaft, die große Fülle an Informationen muss einem als Leser allerdings bewusst sein. Lässt man sich darauf ein und kann man etwas damit anfangen, so wird die Erzählung des Autors allerdings zu einem sehr intensiven und besonderen Leseerlebnis.
CHARAKTERE:
Protagonistin Elsa ist eigentlich eine recht rationale Persönlichkeit, die mit ihrem Vater, der seine Stürme mehr liebte als seine Familie, nie wirklich Frieden geschlossen hat. Dennoch dauert es nicht lang, bis sie Finn zu vertrauen beginnt. Ihre Art ist sympathisch und glaubwürdig, allerdings nicht so besonders wie seine. Er trägt das Wetter in sich und hadert noch immer mit dem, was Jahre zuvor mit seiner Mutter geschehen ist. Er ist sensibel, einfühlsam und so liebenswert, dass man nicht anders kann, als ihn ins Herz zu schließen. Nebencharaktere wie sein verbitterter Vater Daniel oder Elsas väterlicher Freund Kenneth gehören mit dazu und sind authentisch und gut charakterisiert.
STORY:
Wie schon bei "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" besitzt auch Ali Shaws neuer Roman eine Geschichte voll unerklärlichem Zauber und atemberaubender Begebenheiten. Dabei bleiben einige Dinge offen und nicht für alles wird eine Lösung gefunden. Dies tut dem Ganzen aber keinen Abbruch, sondern regt im Gegenteil eher zum Nachdenken an. Die Liebesgeschichte zwischen Finn und Elsa ging mir dabei aber viel zu schnell. Zwar wird dies auch von den Figuren selbst erwähnt, wirklich mitfühlen konnte ich jedoch nicht. Das Ende dagegen ist sehr stimmig, sehr mitreißend - dabei aber viel weniger traurig und schockierend als es beim Debüt der Fall war.
SPASSFAKTOR:
"Der Mann, der den Regen träumt" ist, wie man es vom Autor gewohnt ist, nicht witzig, locker oder gar fröhlich, sondern eher melancholisch, nachdenklich stimmend und sehr sanft, jedenfalls die meiste Zeit über. Dennoch begegnen sich Finn und Elsa sehr schnell, wodurch keine Langeweile aufkommt. Auch der zweite Erzähler, sein Vater Daniel, trägt zur Spannung bei, weil er ein so zwiegespaltener und trauriger Charakter ist, dessen Geschichte man gern erfahren möchte. Die Magie der Story steckt hier in den Details und ist allgegenwärtig, aber nicht erschlagend, jedenfalls bis kurz vor Ende, wo sie sich in einem riesigen Gewitter entlädt. Ali Shaw gelingt es, einen zu fesseln - und das bis zum Schluss.
FAZIT
"Der Mann, der den Regen träumt" ist Ali Shaws 2. Roman und dabei ebenso melancholisch, detailverliebt und sanft wie der Vorgänger. Die Magie ist dabei immer zu spüren, aber selten erklärbar, womit man umgehen können muss. Ist dies der Fall, erwartet einen eine zauberhafte Geschichte. Nur die Liebesgeschichte geht meiner Meinung nach zu schnell und kann nicht komplett mitreißen. Insgesamt also gute 4 Punkte - und eine absolute Empfehlung für die Romane des Autors!