Titel: Fluch Eine Besprechung / Rezension von Lena Braun und Jürgen Eglseer |
Der amerikanische Polizei-Sergeant Magnus Jonson überlebt zwei Anschläge auf seine Person, die sich im Zusammenhang mit einer Zeugenaussage in einem wichtigen Drogen-Fall ereignen. Zu seinem Schutz schickt man ihn zur Amtshilfe nach Island, genauer nach ReykjavÃk, dem Ort seiner Herkunft. Als Magnús Ragnarsson war er dort geboren worden, jedoch hat es seine Familie bald in die USA verschlagen. Jonson ist erst einmal entsetzt, als er auf seine isländischen Kollegen trifft. Der Umgangston, die Art der Herangehensweise an einen Fall sind ihm völlig fremd, zu locker. Dass isländische Polizisten grundsätzlich unbewaffnet sind, kommt ihm wie ein schlechter Scherz vor. Trotz dessen muss er sich mit dem Tod eines alten Literaturprofessors auseinandersetzen, den man in einem See auffindet.
Nach kurzer Zeit ist klar, dass der Professor eine alte Handschrift von einem Geschwisterpärchen erworben hatte, in der sich Hinweise auf die reale Existenz von J.R.R. Tolkiens epischer Saga "Der Herr der Ringe" finden!
Dieses Geschwisterpaar, Ingileif und Petur, durch die Wirtschafts- und Finanzkrise in Island in Geldnöten, haben sich schweren Herzens von den Aufzeichnungen getrennt, die eine innerhalb ihrer Familie weitervererbte Saga beschreiben, welche große Ähnlichkeit mit oben genanntem Roman besitzt. Drei Brüder finden einen mächtigen Ring und dieser hat einen dunklen und gefährlichen Einfluss auf die drei ...
Wie sich durch alte Briefe, die Ingileif findet, zeigt, hat der Großvater unter Tolkien in Oxford studiert und ihm während der Studienzeit die Geschichte erzählt. Darauf basiert Tolkiens Roman. Der Vater der Geschwister machte sich vor 17 Jahren hingegen zusammen mit dem Dorfpfarrer auf die Suche nach dem in der Saga beschriebenen Ring der Macht, um ihn zu finden und zu zerstören. Doch er kam unter mysteriösen Umstanden in einem Schneesturm ums Leben.
Der Professor, dem die Aufzeichnungen verkauft wurden, hatte schon zwei Interessenten: zwei fantastische Tolkienfans aus den USA und aus England, die alles für diese Schriften geben würden. Natürlich zählen sie zum Kreis der Verdächtigen, jedoch sorgen sie auch durch ihre schrullige Art für vergnügliche Nebenschauplätze. Mit all diesen Informationen versehen, glaubt auch Magnus Jonson an die Kraft des Ringes und dessen Mitwirken am Tode des Professors, jedoch steht er mit dieser Meinung bei seinen Vorgesetzen ziemlich alleine dar. Zwar glauben die Isländer traditionell an sogenannte feinstoffliche Geister wie Elfen, Trolle und Gnome. Jedoch ist die Geschichte um den Ring der Macht zuviel des Guten. So macht sich Magnus Jonson zusammen mit der Schwester alleine auf die Suche nach der Ursache für den Tod des Professors und indirekt auch für den des Vaters.
Natürlich ist durch das Grundthema des Romans jeder Tolkien-Fan, welcher sich auch noch für Kriminalromane interessiert, angesprochen. Jedoch täuscht man sich etwas, wenn man glaubt, eine moderne Variante des "Herrn der Ringe" vor sich liegen zu haben.
"Der Fluch" nähert sich Tolkiens Geschichte als realer Möglichkeit auf wissenschaftlicher Ebene, immer mit dem genügendem Maß an Misstrauen versehen. Im Roman werden Begebenheiten als mögliche magische Elemente beschrieben und nicht per se als magisch bezeichnet. Insofern bleibt Michael Ridpath immer mit einem Fuß in der phantastischen Metaebene und mit dem anderen in der nackten Realität. Aber gerade dieser Zwiespalt macht das Buch für beide Fraktionen - die Leser phantastischer Literatur und Krimifans - interessant. Da Ridpath es versteht, die vielen verschachtelten und verzweigten Handlungsstränge immer spannend und interessant darzustellen, bleibt man immerzu gefesselt. Zudem schafft es der Autor, den Krimi so zu strukturieren, dass man selbst als erfahrener Leser kriminalistischer Romane erst kurz vor Schluss erfährt, wer denn der eigentliche und gesuchte Mörder ist.
Viel erzählt das Buch über Island, seine Gesellschaft und seine Affinität zu Trollen, Elfen und Sagas. Real existierende Begebenheiten wie die auf Island besonders stark wütende Finanzkrise sind gut geschildert, das Lokalkolorit Islands für Außenstehende interessant dargerstellt. Besonders die Sichtweise des Hauptcharakters Magnus Jonson ist interessant, da er zugleich als Fremder als auch als Einheimischer Island betritt und beschreibt.
Der "Fluch" ist ein gelungener Kriminalroman, spannend und mitreißend geschrieben. Mit der Einbindung von Tolkiens und Islands Sagenwelt wird eine Ebene eingeflochten, die den Roman auch für Liebhaber phantastischer Literatur interessant macht. Leser, die sich bislang noch nie mit Tolkien auseinandergesetzt haben, werden durch Ridpaths Roman animiert, das schleunigst nachzuholen. Man bekommt Lust auf mehr. Auf Romane von Ridpath wie auch auf Tolkien.
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