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Titel: Der Ruf
Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Paris, Ende des 20 Jahrhunderts: Während der junge Musikstudent Stanislas von einer Probe nach Hause flaniert, wird er unterwegs aus einem Hauseingang heraus von einer uralten Frau angesprochen, die seinen Namen kennt, ihm ein seltsames, mystisches Gedicht zuflüstert, ihm einen Ring aushändigt und dann in seinen Armen stirbt. Das Ereignis und insbesondere der Blick der sterbenden Alten lässt den Jungen nicht los, so dass er, nachdem er für die Beerdigung der Frau Sorge getragen hat, mit Hilfe eines alten Fotos, das sich in ihren Habseligkeiten fand und augenscheinlich am Ende des 19. Jahrhunderts geschossen wurde, das Geheimnis ihrer Person entschlüsseln muss.
Er bittet Bertille um Hilfe, eine kecke, junge Frau, die (fast) unsterblich in Stanislas verliebt ist. Gemeinsam finden sie auf dem Foto eine Spur, die in die kleine französische Grafschaft Xaintrie zum alten Château de Rovanac führt. Doch anstatt gemeinsam mit Bertille dorthin zu reisen, bricht Stanislas heimlich alleine auf und findet vor Ort ein heruntergekommenes Anwesen, das eher einer Ruine, als einem Herrenhaus gleicht. Die junge Frau macht unterdessen in Paris eine unglaubliche Entdeckung, die sie veranlasst, dem Jungen unverzüglich hinterher zu reisen.
Gemeinsam finden die beiden einen augenscheinlich unversehrten, von den Spuren der Zeit unberührten Keller, dessen mystische, unheimliche Atmosphäre sie einander mehr als nur in die Arme treibt. Die Konsequenzen ihrer nächtlichen Liebeleien sind dann deutlich verstörender als alles, was zuvor geschah: Stanislas und Bertille finden sich auf einmal in der Vergangenheit des alten Châteaus wieder, in jener lichten, mondänen Zeit, als das bei der Alten gefundene Foto angefertigt wurde; und irgendwie scheint ihr Schicksal mit dem einer geheimnisvollen Frau namens Sasmira verknüpft.
Obgleich Titel und Coverbild des Albums eine kitschige Schmonzette befürchten lassen, dauerte es zumindest bei mir romantikresistenten „Psycho“genau eine Seite - oder sechs Panels -, bis sich meine Bedenken in ein laues Lüftchen zerstoben. Die beschwingte Leichtigkeit der Zeichnungen schon auf der Eröffnungsseite, die warme Koloration und dann der grafische wie farblich harte Schnitt zur nächsten Szene sind ein visueller Hochgenuss; auch im Folgenden legt das federleichte, in Motiv- und Farbtonwahl ab und an fast schon impressionistisch oder magisch-realistisch anmutende Artwork mit seinem Detailreichtum und seiner Authentizität gerade auch in der Mode der Belle Époqueeine atmosphärische Vielfältigkeit und Lebendigkeit an den Tag, die einen nicht mehr loslässt.
Doch nicht nur künstlerisch überzeugt „Sasmira“, auch erzählerisch dominieren Leichtigkeit und sympathische, natürliche Protagonisten die unpathetische, unprätentiöse und doch rätselhafte Geschichte, in der immer wieder Mystery-Momente aufflackern, die in die mondäne Beschwingtheit vergangener Bürgerlichkeit einen dunklen Unterton u.a. in Person der undurchschaubaren Sasmira zaubern.
Fazit: Das grandiose, zauberhaft leichte, vielfältige Artwork, sowie die rätselhafte Mystery-Story machen dieses erste „Sasmira“-Album ob ihres „Sense of Wonder“zu einem echten Highlight und lassen einen unverzüglich zum parallel erschienen zweiten Bad greifen.