Titel: Die Last unserer Siege Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Hektor der „Unbeugsame", einst vor langer Zeit ein Freund Alesters, des Königs von Archaon, einer von fünf Gefährten – darunter auch der Herrscher selbst - aus der legendären Meute der Wolfsbrüder, die vor mehr als dreißig Jahren die Mittellande den Barbarenhorden entrissen, heute ein Verbannter, der auf Geheiß des Herrschers seit nunmehr drei Dekaden ein kärgliches Leben im Exil führen muss, umgeben nur von seinem Mündel Muriel, erhält einen Brief von seinem ehemaligen Freund, in dem ihn der im Sterben liegende Monarch bittet, zurück an den Königshof in der Hauptstadt Myrmirin zu kommen. Ohne Thronerben droht das Reich nach dem Tod des Königs im Chaos zu versinken, denn nicht nur vor den Grenzen Archaons lauern die Feinde, sondern der Königshof selbst ist ein Ort der Intrigen und des Mords, eine Heimstatt des Verrats, in der mehrere Fraktionen ihre schmutzigen Machtspiele spielen.
Obgleich ihm der Herrscher einst alles nahm, macht sich Hektor in Begleitung Muriels auf die lange, gefährliche Reise, in deren Verlauf die beiden erfahren müssen, dass Hektor, obgleich er für tot gehalten wurde, mitnichten in Vergessenheit geraten ist, sondern in der Erinnerung der Bevölkerung, aber eben auch der Häscher seiner alten und neuen Widersacher die Präsenz einer Legende hat. In einer Taverne kommt es zwangsläufig zu einem Kampf mit einer ganzen Kompanie von Soldaten, in dessen Folge er zwar gefangen genommen wird, Muriel jedoch fliehen kann.
Während der alte Recke in Ketten an den Königshof geführt wird, lernt Muriel auf ihrer Flucht den Barden Eric von Malfeld kennen, der sich anbietet, die junge Frau nach Myrmirin zu begleiten. Kaum dass sie in der Metropole angekommen sind, nehmen sie sich zweier streunender Kinder an, denen ob eines Diebstahls eine drakonische Strafe droht, und strecken kurz darauf unversehens selbst in dem Strudel aus Intrigen und Verrat.
In Henschers Helden-Epos, das bislang weitgehend ohne metaphysische Elemente auskommt, steht ein Charakter – Hektor – im Mittelpunkt, der nicht nur den Zenit seines Lebens längst überschritten hat, sondern der trotz aller noch in ihm schlummernden Kampfesfertigkeiten physisch wie psychisch ein (fast) gebrochener alter Mann ist. Blut hustend, dem Alkohol verfallen und desillusioniert bricht er zum mutmaßlich letzten Abenteuer seines vergeudeten Lebens auf, um einem Mann einen Gefallen zu tun, den er schön längst nicht mehr seinen Freund nennt. Dass dieses dramatische, tragische Szenario nicht ins Klischeehafte und Pathetische abdriftet liegt zum einen an den komplexen, vielschichtigen und z.T. rätselhaften Figuren sowie der intrigenreichen Story, zum anderen an den fast schon lakonischen, spärlichen Texten – Dialogen oder Kommentaren gleichsam aus dem Off heraus -, in den die Charaktere ihr Leben, ihr Scheitern und ihre Ambitionen erklären und reflektieren und damit eine fesselnde emotionale Nähe und Intensität schaffen.
Das Artwork Stacy Ntarumbanas überzeugt durch eine vergleichbare Intensität: in seinen malerisch-rauen Bildern mit ihren lebendigen Texturen spiegeln sich die unterschiedlichen Atmosphären und Bedeutungen einzelner Szenen stimmig wider. Während die Rückblenden in monochromen Blautönen gehalten sind, weist das Hier und Jetzt insgesamt eine breite Palette von Farbnuancen auf, auch wenn oft ein reduziertes Farbspektrum bemüht wird, etwa in Innenräumen oder in nächtlichen Szenen. So abwechslungsreiche wie die Koloration sind die Perspektiven und Einstellungsgrößen, die von Supertotalen bis Close-Ups alles bieten.
Fazit: Eine düstere und düster visualisierte Fantasy-Geschichte, die zwar keine Metaphysik und Magie bietet, dafür jedoch komplexe, markante Charaktere bis in die Nebenfiguren hinein, welche in einem großen Ränkespiel um sich kreisen. Nicht nur Fans von „A Game of Thrones" werden begeistert sein.