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Titel: Die besten Geschichten von Al Taliaferro
Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Der am 29.08.1905 in Montrose, Colorado, geborene Charles Alfred „Al“ Taliaferro nimmt in der Phalanx der Disney-Zeichner der ersten Stunden eine stilprägende Stellung ein. Nachdem man Taliaferro ab Anfang 1931 mit dem Tuschen und dann auch dem Zeichnen von Mickey-Mouse- und Silly-Symphonies-Strips – einer Serie, in deren Rahmen auch Donald zunächst als Nebenfigur und später mit eigenen Abenteuern zunehmend Präsenz zeigte – betraut hatte, wird der schelmische, cholerische und ewig optimistische Enterich schon bald zu seinem Kind, einem Kind, dessen Erscheinungsbild und dessen Auftreten in den werktäglichen Zeitungs-Strips sich über die Jahre deutlich verändern sollte. Der vorliegende Sammelband folgt in seiner Gliederung einem chronologischen Ansatz: beginnend mit dem Jahre 1936 zeichnet er insbesondere die psychologisch wie grafische Entwicklung des Enterichs bis zur Dekade 1960 – 1969 nach, präsentiert aber auch drei Geschichten außerhalb des duck'schen Kanons.
Obgleich Taliaferros bevorzugtes Sujet – anders als z.B. bei Carl Barks oder Don Rosa - die kurzen Zeitungsstrips sind und vier oder fünf Panels kaum Raum für große Dramen und Gefühle bieten und obwohl der Künstler – im Gegensatz zu anderen Disney-Koryphäen - als Szenarist kaum in Erscheinung tritt, auch wenn er Grundplots und –ideen beisteuert, ist die Entwicklung Donalds über die Dekaden erstaunlich plastisch: am Anfang seiner Karriere legt der Erpel ein sehr provokantes Auftreten an den Tag, geht keinem Streit aus dem Weg, erst recht nicht, wenn er selbst ihn vom Zaun gebrochen hat, und selbst wenn er am Ende der Gelackmeierte ist und sieht in Regeln und Konventionen eher die Herausforderung, sie zu brechen, als über die Sinnhaftigkeit zu reflektieren. Doch schon bald reift in ihm dank einer Freundin – Klarabella - die Erkenntnis, dass der Weg zum Glück nicht über Hader und Zwist führt, sondern das Gutes zu tun dem Gemüt gut tut. Daher bemüht sich Donald redlich, Streiche Streiche sein zu lassen und sich in Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft zu üben, wobei er aber immer wieder an der Tücke der Dinge und Menschen scheitert. Insbesondere in Folge des Zuzugs seiner drei Neffen gerät der um Ausgeglichenheit und Contenance ringende Held mehr als einmal an die Grenzen seiner Langmut und darüber hinaus. Gleichwohl festigt sich im Laufe der Jahre der Eindruck, Donald sei eher Opfer denn Täter. Auch grafischer Hinsicht ist die Entwicklung der Figuren unverkennbar: verglichen mit anderen Künstlern war Taliaferros Zeichenduktus von Beginn an sicher, dynamisch und voller Energie; dennoch veränderte sich die Physiognomie seiner Figuren signifikant von zunächst schlacksig und in die Länge gezogen bis schließlich ins Wohlproportionierte, wobei sein Donald jedoch immer einen markant schlanken Hals behielt.
Neben weiteren Figuren, die Taliaferro für das Comic entwickelte (Donalds knuffiger Wagen 313) oder adaptierte (Bernhardiner Bolivar), verdanken wir dem Künstler Donalds drei Neffen - Tick, trick und Track -, ohne die das duck'sche Universum deutlich weniger lebendig wäre. Bemerkenswert ist dabei, dass die drei Bengel zunächst tatsächlich als kindliche Lausbuben mit anarchischen Tendenzen konzipiert waren und noch weit, weit entfernt vom dem moralischen, ökologischen und gesellschaftlichen Gewissen agierten, als das sie später so oft fungieren sollten.
In editorischer Hinsicht überzeugt der Sammelband nicht nur durch einen umfangreichen, informativen und gefällig geschriebenen redaktionellen Teil, sondern auch durch eingestreute kleine Anmerkungen und bibliografische Angaben zu ausgewählten Strips – bei Zeitungsstrips z.B. das Datum der Erstveröffentlichung.
Fazit:
Ein unterhaltsames Sammelsurium kurzer und kürzester, pointierter und oft urkomischer Comic-Strips aus über 30 Jahren. Perfekt als kleine Humor-Dröhnung für Zwischendurch.