Serie: Wanted, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Wir schreiben das Jahr 1862; irgendwo in New Mexico: Der Kopfgeldjäger Wanted, dessen Spitznahme von der großen W-förmigen Narbe herrührt, die sein Gesicht ziert, bringt den Verbrecher Dandy Silbus zur Strecke und ist gerade dabei, die Leiche zum nächsten Sheriff zu schaffen, als ihn am Himmel kreisende Geier eine kleine, abgelegene Farm aufsuchen lassen. Hier findet er eine dahingeschlachtete Indianerfrau, ihre tote, skalpierten Kinder sowie einen schwerverwundeten Weißen in Indianerkleidung.
Der Schwerverletzte kann Wanted noch einige Hinweise zu dem Massaker geben, um dann in eine tiefe Bewusstlosigkeit zu fallen, die es dem Kopfgeldjäger erleichtert, die Wunden des Mannes auszubrennen, um ihm dadurch das Leben zu retten. In der Tat erholt sich der Indianer mit den blonden Haaren allmählich und bittet Wanted, ihm bei der Rache an den Mördern seiner Familie behilflich zu sein oder ihm wenigstens den Umgang mit Revolvern zu lehren.
Da dieses Unterfangen jedoch nur Ärger ohne Aussicht auf Gewinn verspricht, lehnt der Kopfgeldjäger zunächst schroff ab, überlässt den Verletzten der Obhut eines Stammes freundlich gesonnener Hopi-Indianer und reitet mit seiner eigenen toten Last weiter in die Stadt.
Als er das Kopfgeld für Dandy Silbus im Saloon durchbringen will, begegnen ihm dort die Mörder der wehrlosen Indianer. Aus unerfindlichen Gründen beschließt Wanted, dem Rädelsführer dieses Abschaums eine Falle zu stellen, indem er ihn unter dem Versprechen reicher Skalp-Beute zu den zuvor getroffenen Hopi führt und ihn dort dem geretteten Weißen ausliefert.
Dessen Rache ist wahrhaft grausam und mit dem Tod des ersten Mörders seiner Familie noch lange nicht gestillt.
Da die Comanche-"Collectors Edition" einen so großen Erfolg zeitigt, dass Splitter nicht nur – wie ursprünglich geplant - den zehn Alben der Ära "Greg/Hermann" die deutsche Neuauflage spendiert, sondern die Serie darüber hinaus fortsetzt, ist es geradezu folgerichtig, dass man mit einer weiteren Serie die Zielgruppe der Western-Fans ins Visier nimmt.
Da Blueberry, Bouncer oder Jerry Spring in Deutschland ihren Platz bei Ehapa gefunden haben, ist Simon Roccas – aka Georges Ramaïoli – "Wanted" nicht nur eine naheliegende, sondern unterm Strich auch eine ausgezeichnete Wahl.
Sowohl zeichnerisch als auch in der auch im übertragenen Sinne blassen Koloration, die keine visuellen Akzente setzt, kann dieser erste Band zwar nicht ganz mit den Klassikern des franko-belgischen Western-Comics - und insbesondere "Comanche" – mithalten, da es Girods Bildern oftmals an Detailreichtum, Lebendigkeit und der Liebe fürs Sujet zu fehlen scheint, aber auf Seiten der Story bietet "Wanted" brutales Italo-Western-Flair vom Feinsten. Der Hauptprotagonist, dessen Namen man nicht erfährt, unterscheidet sich von Figuren wie Red Dust, Blueberry, Bouncer oder dem guten Jerry Spring in erster Linie dadurch, dass er glaubhaft einen zynischen, rücksichts- und gnadenlosen, egozentrischen und egoistischen Mann darstellt, dem man die Aussage, er werde auch den Mörder der Brüder Bull – eben jenen weißen Indianer, dem die Verbrecher auf bestialische Weise die Familie nahmen – zur Strecke bringen, wenn das Kopfgeld nur hoch genug wäre.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Serie ist die Brutalität, die Härte, die sich nicht nur in der expliziten Darstellung der Gewalt oder der Abbildung roher Sexualität erschöpft, sondern die sich auch aus der Beiläufigkeit des Mordens und banalen Motive der Täter ergibt, Motive, von denen die Rache aus Leser-Sicht noch das Akzeptabelste ist.
Anders als in den älteren Genre-Klassikern spielen in "Wanted" Authentizität des Hintergrundes, gesellschaftliche Verwerfungen, das Umfeld, der soziale Fortschritt oder Wandel eine bestenfalls nebensächliche Rolle, da im Fokus der Story ganz der düstere Held sowie die Rache des Geschundenen stehen.
Fazit: Ein knallharter Comic im Italo-Western-Stil, dessen brutale Story und dessen zynischer Helden weitgehend über die leichten Schwächen im Artwork hinwegtrösten.