Titel: Die Fürsten des Nordens Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Dies ist nicht der erste Roman, den der Kanadier Guy Gavriel Kay um seine Welt Sarantium schrieb. Bereits im Wilhelm Heyne Verlag erschien ein Teil seiner Romane unter dem Titel Die Reise nach Sarantium. Unschwer lässt sich erkennen: Er gehört nicht zu den Fantasy-Autoren, die sich die Mühe machen, eigene exotische Welten mit unglaublichen Kreaturen und Gesellschaftsformen zu erfinden. Statt dessen bevorzugt er es, historische Ereignisse und irdische Legenden und Sagen zu übernehmen. Der normale Leser mit gesundem Allgemeinwissen erkennt sehr leicht, dass die Stadt Sarantium keine andere als Byzanz in der Spätantike darstellt und das Land Al-Rassan das maurische Spanien ist.
Die Fürsten des Nordens entführt den Leser an die Gestade des rauen Nordmeeres. Die dort lebenden Erlinger verbreiten Angst und Schrecken an den Küsten, wo immer sie auftauchen. Ihr Handelswunsch, Tod gegen Beute, findet bei keinem der Küstenbewohner Anklang. Die Erlinger, mit ihren schnellen Drachenbooten, tauchen überraschend auf, überfallen Dörfer und Gehöfte, plündern und rauben und entführen Menschen, wenn diese nicht gerade erschlagen werden. Nicht viele Herrscher, deren Küsten von den Wikingern, Verzeihung Erlingern, heimgsucht werden, können wie Aedred, der König von Anglycyn, oder Brynn ap Hwyll, der Herr von Brynfell, ihnen erfolgreich entgegentreten. Daraus erfolgen seltsame Feind-zu-Feind-zu-Feind-Konstellationen. Denn der Feind meines Feindes ist nicht unbedingt mein Freund, sondern auch mein Feind, so muss mein Feind zum Freund gegen den Feind werden. Sie sehen, es ist kompliziert. Dennoch gelingt es Guy Gavriel Kay, einen spannenden und doch nicht zu verwirrenden Roman zu schreiben. Brynn bekommt die Überfälle durch die Erlinger selbst hart zu spüren, da sie sein Gehöft überfallen und ein Blutbad anrichten. Lediglich durch den Umstand, dass er wehrhafte Gäste und einen abtrünnigen Erlinger im Haus hat, gelingt es ihm, den feigen Überfall abzuwehren. Thorkell Einarson erzählt, dass dieser Überfall ein Racheakt gewesen sei. Thorkell hingegen ist ein Verbrecher und wurde daher von der heimatlichen Insel verbannt. Hier in diesem fremden Land hätte er die Chance, neu anzufangen, ohne dass ihm sein Fehltritt nachgetragen würde. Brynn hatte vor Jahren einen Mann erschlagen, und dessen Enkel verlangen nun Blutrache. Da von den Erlingern jedoch nicht alle besiegt wurden, wird der entkommene Erlinger weiter dafür sorgen, der Familie Brynn ap Hwyll Schaden zuzufügen. Also folgt man dem Rat eines weisen Mannes, man hätte auch selbst drauf kommen können, und sucht Freunde gegen die Feinde. Vielleicht den König der Engländer bzw. Angelsachsen, Entschuldigung, der Anglycyn? Aber Aeldred und Brynn sind nicht gerade Freunde. Außerdem hat der König selbst andere - gesundheitliche - Probleme. Ständig wirft ihn ein Fieber nieder, so dass er seinem Job als König nicht nachkommen kann. Das nutzt manch einer für einen kleinen Raubzug in sein Land. Gleichzeitig scheint das Feenvolk der Anderswelt etwas gegen ihn zu haben, denn einige seiner Kinder kehren von einem Ausritt im Wald nicht zurück.
Der Roman spielt hauptsächlich in den europäischen Nordstaaten, erzählt von Menschen roten und blauen Geblütes. Guy Gayriel Kay beschreibt Einzelschicksale, Vater-Sohn-Konflikte und das Leben an sich. Dies zeigt sich vor allem in der Vater-Sohn-Beziehung von Thorkellson Vater und Sohn. Irgendwann treffen beide aufeinander. Bern, der für das Vergehen seines Vaters einstehen musste und drei Jahre als rechtloser Knecht arbeiten sollte, aber flieht. Einar, der sich plötzlich einem Überfall durch seinen Sohn gegenübersieht und sich entscheiden muss, auf wessen Seite er sich stellt. Ich würde nicht soweit gehen, von einer Geschichtsschreibung zu reden, trotzdem ist der Roman geschichtlich beeinflusst. Dadurch, dass Herr Kay sich unverhohlen der irdischen Geschichte bedient, unterlaufen ihm auch kaum logische Fehler, denn er benennt bekannte Dinge nur um. Durch diesen Wiedererkennungseffekt ist dieser Roman natürlich einfacher zu lesen. In Gedanken ersetzt man eh die Namen des Buches durch die real existierenden Bezeichnungen. Letzteres ist aber auch der Grund, warum die Erzählung vorhersehbar und spannungsärmer wird. Wie auch die Heyne-Bücher besitzt dieser Roman Längen und Schwächen, die ins Auge fallen.