Titel: Die Gifticks - Gesamtausgabe, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Im Gegensatz zu zahlreichen anderen franko-belgischen Serien blühte der Kult um die Gifticks, jenen drei kleinen, durch und durch bösartigen Wesen, deren Schöpfer ein - wie wir in der Geschichte „Die Herkunft der Gifticks“ (L'origine des Krostons) erfahren - der verzweifelte, mittelalterliche Künstler und Alchimist Krostonius gewesen sein soll, bei uns eher im Verborgenen, da die letzte deutsche Veröffentlichung rund 30 Jahre zurückliegt.
Mit dem Piredda Verlag hat es sich nun ein vergleichsweise junges Unternehmen auf die Fahnen geschrieben, als Mahner und Warner die Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit auf diese gemeinen Wichtel zu lenken, die für so viele Unglücke verantwortlich zeichnen könnten.
Der vorliegende erste Sammelband der auf drei Alben angelegten Gesamtausgabe umfasst sechs Geschichten, davon zwei in gewöhnlichem Albenumfang sowie vier deutlich kürzere.
Geheimnisvolle Bedrohung (La menace des Krostons)
Comic-Autor und -zeichner Max Ariane - aus nahe liegenden Gründen soll hier nur ein Pseudonym Verwendung finden; sein echter Name ist den Verantwortlichen des Magazins „Spirou“ bekannt - steckt in einer Schaffenskrise. Szenario und Gags seiner neuen Serie werden zwar von den Spirou-Redakteuren abgenickt, aber seine Figuren sind den Verantwortlichen nicht markant genug.
Als sich auch nach Tagen vergeblicher Zeichenversuche und Grübelns keine Erleuchtung am düsteren Horizont abzeichnet, fällt ihm zufällig ein Zettel seines Sohnes in die Hände, auf dem drei kleine Kerlchen mit grünen Mänteln, roten Schlapphüten und niedlichen Bömbchen dargestellt sind, deren Name Gifticks lauten soll. Von schierer Begeisterung überwältigt macht sich Max daran, diese kleinen Wesen, die genau das sind, wonach er in den vergangenen Tagen suchte, abzuzeichnen, nicht wissend, dass er sie dadurch zum Leben erweckt, und noch weniger ahnend, dass es sich um bis ins Mark verdorbene Kerlchen handelt, die in ihrem Bestreben, die Menschheit zu unterjochen, vor keiner Untat - bis hin zum Mord - zurückschrecken.
Für Max Ariane und seine Familie nimmt damit das Unglück seinen Anfang und schon bald müssen sie feststellen, dass ihr nacktes Leben und das ihrer Freunde auf dem Spiel steht, sollten die Gifticks nicht wieder eingefangen werden. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Wichte können sich zweidimensional machen.
Gefahr aus der Druckerpresse (Les Krostons sortent de presse)
Nachdem es Max Ariane gelungen war, mit tatkräftiger Unterstützung eines Freundes die Gifticks zu überlisten, steht nun neues Ungemach ins Haus, denn auf Grund eines bedauerlichen Zufalls kommen die Wichte wieder frei. Dabei stellt sich als Glück im Unglück heraus, dass der erneute Ausbruch auf dem Anwesen Arthur Flamberges erfolgt, eines älteren Herren, der durchaus um die Gefahr durch die kleinen Monster weiß.
Dennoch haben Arthur, Max und Kumpel Georg alle Hände voll zu tun, die Lage unter Kontrolle zu bringen, denn die bösartigen Gnome setzten am schwächsten Glied in der ganzen Kette, bei Arthurs Neffen Jonas, an, indem sie dem Jungen drohen und ihn aufs Übelste manipulieren. Und - wie gehabt - schrecken sie auch nicht vor Mord nicht zurück.
In den restlichen Geschichten - „Die Herkunft der Gifticks“ (L'origine des Krostons), „Das Ei der Gifticks“ (L'oeuf des Krostons), „Die Geburtstagstorte“ (Le gâteau d'anniversaire) und „Das Lied der Gifticks“ (La chanson des Krostons) - lässt uns Autor Paul Deliège an zum Teil weit in der Vergangenheit liegenden Untaten der kleinen Ungeheuer teilhaben.
Die Frage, weshalb Delièges Gifticks ein ähnlicher Publikumserfolg wie beispielsweise Hergés „Tim und Struppi“ oder auch Piere Serons „Minimenschen“ - um zwei beliebige zu nennen - versagt blieb, lässt sich spätestens nach Lektüre der ersten Geschichte erahnen. Zum einen mangelt es zumindest der ersten Story auf der grafischen Ebene an der Zeitlosigkeit vergleichbarer Reihen, das heißt, Figuren, Accessoires und Ambiente sind Bild gewordenes 70er-Jahre-“Savoir vivre“, zum anderen bleibt dem geneigten Leser ein ums andere Mal das Lachen im Hals stecken, denn die Gifticks sind keine spaßigen kleinen Kerle mit lustiger Aussprache, sondern pure Bösartigkeit. Darüber hinaus ist der Ansatz, eine nicht nur visuell realistische Kriminal-Geschichte voller Suspense, in der zudem fast schon satirisch über das eigene Medium reflektiert wird, mit Elementen des Funny-Comics zu kombinieren, - euphemistisch ausgedrückt - gewagt.
Angemerkt sei, dass in den folgenden Geschichten sowohl der humoristischen Aspekt etwas stärker betont wird als in „Geheimnisvolle Bedrohung“, als auch der realistische Ansatz in Grafik wie Zeitbezug zurückgenommen wird - nicht zuletzt weil ab der zweiten Story Deliège für Szenario und Artwork gleichermaßen verantwortlich zeichnet -, sodass es dem Leser leichter fällt, sich auf das Ungewöhnliche einzulassen. Wer es wagt, der wird mit spannenden, humorvollen und kurzweiligen Abenteuern im Retro-Look bestens unterhalten.
Fazit: Wer Spaß an nostalgischen Comics, kurzweiligen Geschichten und einzigartigen Figuren findet, der ist mit diesem ersten Band der Gesamtausgabe bestens bedient.