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Titel: Die Horde der Lebenden |
Wir schreiben Pi mal mehrere Daumen 1500 v. Chr.: in den weiten eurasischen Steppen steppen die Kampfbären; die Herrscher dreier Nomadenvölker – der Kallipiden, der Sarmaten sowie der Kimmerier – sind des ewigen Steppens und Kämpfens und Metzelns überdrüssig und schmieden daher ein Bündnis, den Skythen-Bund, den sie Horde der Lebenden nennen. Doch wie es schon bei den alten Götzendienern, die gerne mal so ominösen Göttern wie Mithra und Tabiti Gefangene und Sklaven zu Dutzenden opfern, heißt: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.
Und die Hethiter sind wahrlich extremst böse Nachbarn: gierig, arrogant, machtbesessen, gewalttätig und kriegsgeil. Als die Hethiter die Stadt Urar dem Steppenboden gleich machen, hat das Führungstriumvirat der Horde die Faxen dicke und zieht einmal mehr geschlossen in den Krieg, um den marodierenden Besatzern zu zeigen, wo in Kleinasien die Frösche die Locken haben. Allerdings gärt es innerhalb ihrer Reihen: nicht nur, dass sie auf Bitte König Hammurabis die geheimnisvolle babylonische Chronistin Thusi mit sich schleppen müssen, auch ein paar atlantidische Zauberer sorgen mit eher demotivierenden Prophezeiungen für Unmut. Immerhin ist auch bei den Hethitern nicht alles eitel Sonnenschein, erweist sich deren König, Hattuschili, doch als höriger liebestoller Narr, der an den Fäden der intriganten Puduhepa tanzt.
Mit die „Die Horde der Lebenden“ führt und Autor Sylvain Runberg an einen Ort und in eine Zeit, die zumindest in unserem west- und nordeuropäischen Kulturkreis alles andere als allgemein gegenwärtig sind; weil dem so ist, bedürfte es meines Erachtens einer ruhigen und fundierten Einführung in den Hintergrund, eines sachten Aufbaus der politischen und gesellschaftlichen Grenzlinien; Runberg jedoch haut dem Leser schon auf den ersten Seiten so viele Fakten – wobei die Faktenlage explizit nichts mit historischer Genauigkeit zu verwechseln ist, da es sich letztlich um eine echte „Sword & Sorcery“-Story handelt – um die Ohren, dass der Leser im wilden Strom aus Orten und Personen untergehen zu droht, zumal immer wieder Figuren um ihres Ablebens Willen eingeführt werden. Verschmerzen könnte man das Chaos, wenn dahinter wenigstens ein erkennbar spannende Geschichte verborgen wäre, die mehr als nur blutige Exzesse, bizarre Ritualen und ganz nette Tierbilder böte. Bedauerlicherweise ist die gesamte Story nicht zuletzt wegen des Fehlens einer glaubwürdigen und lebendigen Bezugsperson – Thusi erweist sich schnell auf Grund ihrer Distanziertheit als ungeeignet – todlangweilig.
Unterm Strich positiv an diesem Album ist alleine das Artwork Miville-Deschènes', wobei es allerdings auch hier Licht und Schatten gibt. Im wahrsten Sinne des Wortes handwerklich meisterhaft sind die fein zisilierten Zeichnungen, die neben atemberaubenden, cineastischen, z.T. dopelseitigen Perspektiven ein hohes Maß an Authentizität, an Detailreichtum sowie natürlichen Proportionen und Posen von Mensch und Tier aufweisen. Bedauerlicherweise gehen das Grandiose, der Realismus, die Dynamik in einer Koloration verloren, die es zwar versteht, Körper mit weichen Farbverläufen zu modellieren, der es aber ein ums andere Mal an visueller Spannung und Eyecatchern fehlt. Der Künstler taucht immer wieder Szenen in ein fahles gelb-oranges Licht, das zum einen den Bildern die (Farb)-Tiefe nimmt und zum anderen einfach nur strunzlangweilig wirkt.
Fazit:
Eine Story, die einen trotz aller zur Schau gestellter Grausamkeiten kaum anrührt oder mitnimmt, da zu viele Protagonisten vor einem zu fremden halb-historischen Hintergrund agieren sowie das zeichnerisch zwar exzellente, kolorativ jedoch eher langweilige Artwork, hinterlassen einen bestenfalls ambivalenten Eindruck.