| Titel: Die Hüterin von Avalon Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Oberpriesterin Lhiannon ist für die Schülerinnen auf Mona zuständig, die die Absicht besitzen, selbst Priesterinnen zu werden. Das ist nicht immer ein leichtes Unterfangen, besonders wenn unter den Schülerinnen jemand ist wie die rothaarige Boudicca. Die Tochter eines Icener-Fürsten ist ein schier unbezähmbarer Wildfang, der sich auf der Insel lediglich mit dem Mädchen Coventa anfreundet. Als Priesterin ist Boudicca eigentlich nicht geeignet, denn in ihr finden sich keine Fähigkeiten, die man ausbilden könnte. Trotzdem ist die Oberpriesterin der Meinung, in ihr schlummere ein großes Potential. Nach der Priesterinnenweihe zieht es Boudicca wieder zu ihren Eltern, und sie verlässt die Insel Mona.
An dieser Stelle wäre das Buch zu Ende, wenn jetzt nicht die Bestimmung von Boudicca ins Spiel käme. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich der Meinung, entstammt das Manuskript Notizen von Marion Zimmer Bradley, alles Weitere entstammt dann der Phantasie von Diana Paxson. Boudicca folgt einem Weg, den sie unter der Obhut der Rabengöttin geht und der sich eindeutig gegen die Herrschaft der Römer in Britannien richtet. Durch die Beschreibung der Hauptperson Boudicca als trotzige und zugleich stolze Fürstentochter wirkt sie ein wenig leblos. Sie bewegt sich nicht in der Geschichte, und auch nicht in der Ausbildung ihres Charakters. Leider, muss man sagen, denn sie wäre eine Persönlichkeit, der man gerne gefolgt wäre. Lesend wie auch in der Geschichte. Als sie einen Aufstand gegen die römischen Besatzer der Zeit 43 vor Christus anführt, zeigt sich, dass sie eine charismatische Persönlichkeit sein sollte. Wirklich, ich meine das so, sein sollte. Mir persönlich fehlt da doch noch ein wenig in der Beschreibung ihrer Persönlichkeit. Zudem werden ihre Leistungen zum Ende hin der ominösen Rabengöttin zugeschrieben. Hier, habe ich den Eindruck, kommt die private Diane Paxson durch, die in Amerika nicht nur eine Mittelalterbewegung gründete (die es in dieser Art und Weise in den Vereinigten Staaten nie gegeben hat) sondern auch ihre neue heidnische Religion, die in ihrer Art ebenso künstlich ist wie die Scientology eines L. Ron Hubbard. (Ohne die gleichen Machenschaften zu unterstellen). Boudiccas Entwicklungsgeschichte von einer jungen, unbezähmbaren Priesterschülerin zu einer stolzen Anführerin ist sicherlich gut gelungen, wirkt aber manchmal eher so, als ob man geschichtliche Tatsachen vorträgt. Die Hüterin von Avalon gefiel mir dennoch, weil die historischen Daten stimmig waren (sofern ich diesen Teil der Geschichte noch im Kopf habe, ich prüfte sie nicht im Einzelnen nach) und ich mich unterhalten fühlte. Auch die beigegebenen Personen, Lhiannon als Oberpriesterin, der Steuereintreiber Cloto als Kelte in Roms Diensten und ein paar andere blieben mir im Gedächtnis. Lediglich über die Person, wer nun die Hüterin von Avalon ist, kann ich mich nicht einigen. Ist es die aufständische Boudicca oder die eher beobachtende Lhiannon?
Auch wenn der Roman Die Hüterin von Avalon mit dem Namen Marion Zimmer Bradleys versehen wurde, ist er doch ein Werk ihrer Schwägerin Diane Paxson. Diane Paxson arbeitet Notizen von Marion Zimmer Bradley auf und schreibt neue Romane zu alten Handlungssträngen. Daher nimmt es auch kein Wunder, wenn plötzlich neue Romane von Marion Zimmer Bradley erscheinen, auch wenn diese seit fast zehn Jahren verstorben ist.
Der vorliegende Roman ist in der Handlung etwas zäh und nicht so spannend, auch fehlt ihm eine gewisse Leichtigkeit, mit der Marion Zimmer Bradley manchmal ihre Handlungsträger beschrieb. Zudem ist der Roman ein Einschubband; er spielt zwischen Die Ahnen von Avalon und Die Wälder von Albion. Damit ist natürlich klar, wie das Buch ausgeht. Ausgehen muss.