Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Der vorliegende Roman Die Jagd auf den Meteor hat Jules Verne (1828-1905) als unvollendetes Manuskript hinterlassen. Alle bisherigen Ausgaben waren überarbeitete Versionen, ergänzt durch actionreiche Handlungen. Der Piper Verlag bringt jetzt die bislang unveröffentlichte Originalfassung in neuer Übersetzung und komplettiert durch eine Einleitung von Andreas Eschbach heraus.
Jules Verne Werke sind in Deutschland seit mehr als einem Jahrhundert sehr beliebt. Sein Verleger Pierre Jules Hetzel (1814-1886) prägte für Vernes Abenteuerromane den Begriff "Voyages Extraordinaires". Es sind Erzählungen mit technischen Extrapolationen als Hintergrund. Zu den bekanntesten Romanen zählen Reise zum Mittelpunkt der Erde (1864), Von der Erde zum Mond (1865), 20.000 Meilen unter dem Meer (1870) und Reise um den Mond (1870)
In Die Jagd auf den Meteor geht es um die Entdeckung eines Meteoriten (Boliden), der von dem Schwerefeld der Erde eingefangen wird. Der Astronom Dean Forsyth und der Arzt Sydney Hudelson, beide aus Whaston, streiten um die Anerkennung als Erstentdecker. Sie haben den Meteoriten nämlich auf die selbe Sekunde den zuständigen Organisationen gemeldet. Ihre Rivalität stört das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Familien, weil Hudelsons Tochter Jenny ausgerechnet Forsyths Neffen Francis Gordon heiraten will. Die Unsinnigkeit, dass Hudelson und Forsyth den Meteor jeweils als den „ihren“ betrachten, der vom anderen gestohlen wurde, gefährdet die anstehende Hochzeit. Die Zeitungen berichten natürlich über den Meteoriten, den verfeindeten Wissenschaftlern und die möglichen Konsequenzen. Neben seriösen Berichten gibt es die Boulevardblätter, die alles ins Lächerliche ziehen. Und dann kommt die sensationelle Meldung, dass der Meteor aus Gold besteht.
Vernes Roman hat Charme und Humor. Die Personenkonstellationen sind mit Witz und Spannung erzählt. Einige der Protagonisten sind unbeeindruckt von dem Meteor, andere lassen sich in seinen Bann ziehen. Zum Schluss gibt es ein sogar ein Happy End. Vielleicht nicht gerade in dem Sinne, dass der herabgestürzte Goldmeteor geborgen werden kann. Vielmehr besinnen sich die Protagonisten auf das Naheliegende, nämlich auf ihre Mitmenschen.
Als Jules Verne vor hundert Jahren starb, blieb der unvollendete Roman Die Jagd auf den Meteor zunächst unveröffentlicht. Vernes Sohn Michel arbeitete im Auftrag des Verlags, d.h. des Verlegersohnes Louis-Jules Hetzel, die Handlung vollständig um. In der Romanversion von 1908 will der neu eingefügte Wissenschaftler Zephyrin Xirdal mit einem Apparat den Meteor fernsteuern, eine Actionhandlung ohne jeden Sinn. Der völlig unsinnige Erzählungsstrang taucht in der vorliegenden Fassung erst gar nicht auf.
Die Société Jules Verne gab 1986 endlich die Originalfassung heraus, die hinsichtlich der Details aber noch unstimmig ist. Das merkt man beispielsweise an fehlenden Worten oder abweichenden Zeitangaben. Dafür ist der Roman unverkennbar ein "Jules Verne", mit Scharfsinn geschrieben, humorvoll, zuweilen sarkastisch und einem Blick für die Motive der Menschen, ohne den übersteigerten Zephyrin Xirdal.
Für die deutsche Fassung wurde die französische Originalversion in Übereinstimmung mit den Regularien der Société Jules Verne überarbeit, z.B. die Schreibung der Eigennamen und der englischen Begriffe beibehalten. Im Anhang sind die Unstimmigkeiten des Romans durch Anmerkungen erläutert.
Der bekannte Autor Andreas Eschbach hat zu Die Jagd auf den Meteor ein schönes Vorwort verfasst. (nur einmal irrt er sich und nennt Pierre-Jules Hetzel als Auftraggeber für die Meteor-Umgestaltung, anstelle von Louis-Jules). Eschbach arbeitet die wesentlichen Merkmale der Vernschen Erzählungen heraus, stellt sie in ihren historischen Zusammenhang und nennt ihre Bedeutung (als Anregung für literarische und wissenschaftliche Arbeiten). Daraus entsteht eine informative und unterhaltsame Einleitung..
Dem Piper-Verlag ist eine empfehlenswerte Ausgabe gelungen. Von den sehr wenigen Detailfehlern sollte sich der Leser nicht beirren lassen, meistens liest man über sie hinweg. Insgesamt ist Die Jagd auf den Meteor eine sehr gute Ausgabe, sowohl vergnüglich als auch repräsentativ.