Serie / Zyklus: Bas Lag - Band 3 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Bellis Schneewein musste nach den Ereignisse von Miévilles ersten Bas Lag Romans New Crobuzon schnell für ein, zwei Jahre verlassen um nicht von der Miliz verhaftet zu werden. Nun befindet sie sich auf dem Schiff Terpsichoria auf dem Weg in die Kolonie Nova Esperium. Um die Überfahrt bezahlen zu können hat die Linguistin als Übersetzerin angeheuert. Dass die Reise eine ganz andere Wendung als geplant nimmt, zeigt sich, als die Terpsichoria auf ihrer Reise das Verschwinden der Bohrinsel Sorghum aufklären soll. Um Nachforschungen anzustellen steuert der mürrische Kaptän Myzovic eine Stadt der Cray an. Die Wasserwesen leugnen jedoch, von dem Verbleib der Bohrinsel zu wissen und dann taucht der zwielichtige Silas Fennek auf. Mit höchster Order übernimmt er das Kommando über die Terpsichoria und er weist den Kapitän an, das Schiff auf neuen Kurs zu bringen.
Es scheint, als ob Fennek das Verschwinden der Bohrinsel aufklären möchte, doch dazu kommt es nicht: Das Schiff wird von Piraten auf blutige Weise aufgebracht und die Terpsichoria wird verschleppt. Das Ziel ist die Armada, eine schwimmende Stadt bestehend aus Tausenden von Booten. Die Armada ist eine gewaltige Stadt und als solche funktioniert sie, ungeachtet des Umstandes, dass sie auf dem Meer schwimmt, wie jede andere auch. Dort angekommten stellt Bellis überrascht fest, dass sie freigelassen wird und sogar einen Job in einer Bücherei zugeteilt bekommt. Doch schnell wird klar: Es besteht kein Grund, sie zu inhaftieren, denn wie sollte Bellis von der schwimmenden Insel fliehen.
Nur langsam lebt sich Bellis auf der Armada ein und hält Kontakt zu anderen Besatzungsmitgliedern der Terpsichoria. Das ist zum einen Gerber Walk, ein Remade und ehemaliger Gefangener des Schiffs, dem als Strafe Tentakeln im Brustbereich eingepflanzt wurden und der nun ein freies Leben auf der Armada führt. Das ist Scheckel, der Schiffsjunge, der nun zusammen mit Gerber lebt. Das ist der zwielichtige Johannes Feinfliege, ein Wissenschaftler, der als allererster von den Vorzügen der Armada schwärmt und das ist nicht zuletzt Silas Fennek, undurchsichter als je zu vor. Er ist ebenso vom Fluchtgedanken beseelt wie Bellis und das macht sie zu Verbündeten. Dann weiht Silas sie in ein Geheimnis ein: Er hat Informationen, die belegen, dass eine Invasion von New Crobuzon geplant ist und er unbedingt die Miliz der Stadt davon informieren muss. Er und Bellis fassen einen Plan.
China Miéville schrieb diesen Roman ebenso in dem für ihn eigenen Stil wie schon den Vorgänger der Bas Lag Reihe. Kurze, prägnate Sätze, die aber niemals in die Banalität abgleiten. Eigentlich erstaunlich, wie ihm das gelingt und ebenso erstaunlich, dass es der Übersetzerin Eva Bauche-Eppers so adäquat gelang, den Stil des Autors ins Deutsche zu übertragen, auch wenn ihre Übersetzung ihre bayrischen Wurzeln nicht verleugnet, z. B. mit dem Wort Großkopferten (versteht das überhaupt ein Nichtbayer?). Miéville versteht es meisterhaft, einen Spannungsbogen aufzubauen und diesen über die Länge des Romans zu halten. Dies ist eine Kunst, in der sich heute nur noch ganz wenige Autoren verstehen. Gut, man schreibt heute auch anders als von 50, 100 Jahren, aber es ist ein Genuss zu lesen, wie der Autor den alten Tugenden der Schriftstellerei huldigt.
Die Geschichte an sich ist im Gegensatz zu Perdido Street Station (Deutsche Ausgabe: Die Falter und Der Weber) stark fantasylastig. D. h. Hard-SF Leser dürften mit diesem Roman so ihre Probleme haben. Wer Technikbeschreibungen erwartet, wird von diesem Buch enttäuscht werden. Wer aber wundervolle Beschreibungen von Welten, das Lesen von Kontakten zu fremdartigen Wesen mag wie auch fast poetische Beschreibungen, der wird dieses Buch lieben. Das Einzige, was mich von der vollen Punktevergabe abhält, sind die wiederholten Darstellungen massiver Gewalt. Deswegen nur 9 von 10 Punkten.
Ein Anmerkung noch: Wie schon beim Vorgängerroman hat sich der Bastei Verlag nicht davon abhalten lassen, die Geschichte in zwei Teile zu spalten. Zwar endet der Roman am Ende des 4. Abschnitts und der Bruch ist gut gewählt, aber wie schon erwähnt weisst das Buch einen durchgehenden Handlungsbogen auf und dieser wird schmerzlich durchbrochen. Außerdem wird die Teilung des Buchs mit der Wahl eines übergroßen Schriftsatzes gerechtfertigt. Ich persönlich hätte kein Problem damit gehabt, für eine Gesamtausgabe mit einem größeren Schriftsatz mehr zu bezahlen. Und noch eines: Die Antwort auf die Frage, warum nun das Buch Die Narbe heisst, bekommt der Leser erst in der Fortsetzung Leviathan. Auch das ist ein wenig unglücklich vom Verlag gewählt.
Die Narbe / Leviathan - Rezension von Andreas Nordiek
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite
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