Serie/Zyklus: Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Bibliothek des Reisenden, Richmond an der Themse, ein Vorort Londons im Jahr 1891. Ein genialer Forscher und Erfinder ist die Handlungsperson dieser Erzählung. Der Zeitreisende, der im Roman nie mit Namen genannt wird, baute sich gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Maschine, in der er die vierte Dimension durchqueren konnte. Einem Kreis von Freunden, ausser der kritischen Stimme des Philby alle ebenso namenlos wie er, erklärt er das Prinzip des Gerätes. Und zwar so einfach und anschaulich, dass es selbst dem Leser der heutigen Zeit nachvollziehbar ist. Zur Bestätigung seiner Theorie führt er den Anwesenden eine Maschine vor. Das Modell verschwindet in der Zukunft, da niemand da ist, der das Gerät zurücksenden könnte, bleibt das Gerät verschollen. Seine anwesenden Freunde glauben aber eher an einen geschickten Trick, wie ihn geübte Taschenspieler vorbringen könnten. Als sie sich alle eine Woche später wieder treffen, hat er eine seltsame Geschichte parat. Ohne sich mit langwierigen Tests unnötig aufzuhalten begibt sich der Zeitreisende, der nur im Film zu einem Namen kommt, auf eine beherzte Zeitreise. Der Zeitreisende ist mehrfach unterwegs. Bei seiner ersten Reise landet er im Jahr 802701, bleibt aber ortsgebunden. Dort findet er die beiden entgegengesetzten Arten Menschen, die Eingangs erwähnten Eloi und Morlock. Die oberirdisch lebenden Eloi sind blond, blauäugig, gut gewachsen, eben Arier. Die Morlock lernt er kennen, als seine Zeitmaschine plötzlich verschwindet und die Spur bis zu einer Felswand führt. Sie leben unterirdisch und sehen entsetzlich aus. Die blonden Eloi sind allerdings unwissend, leben sorgenfrei und glücklich unter der Sonne. Eine paradiesische Welt, ohne Angst und Krieg, Hungersnot oder schwerer Arbeit. Sie werden von den Morlock genährt und gekleidet, sie müssen nie irgendwelche Dinge erledigen und leben sorglos in den Tag hinein. Nur eine namenlose Furcht vor der Dunkelheit läuft ihrer beschaulichen Umgebung zu wider. Dies liegt an den Morlock, die unter der Erde hausen. Dort betreiben sie riesige Maschinen und sorgen dafür, dass die Eloi leben können. Des nachts jedoch steigen die Morlock aus ihren Katakomben und Höhlen, um Eloi zu jagen. Der Zeitreisende stellt fest, dass die Eloi nichts anderes als Schlachtvieh für die hässlichen, affenartigen Morlock sind. Der Anfangsverdacht, sie seien Sklaven der Morlock wird dadurch zunichte gemacht. Damit fällt aber auch der Vergleich mit der Arbeiterklasse weg, der zugleich offene Gesellschaftskritik darstellt. Die kritische Geschichte einer Zweiklassengesellschaft ist mehr als nur unterhaltende Zeitreise. Wie in vielen weiteren seiner Werke äussert sich Herr Wells zum Thema Gesellschaft. Er prangert soziale Missstände an und ermahnt seine Leser mit kritischen Anmerkungen, künftigen schlechten Entwicklungen vorzubeugen. So sind die Eloi all das positive, was ein Paradies sein kann, die ebenfalls degenerierten und nur noch instinktiv lebenden Morlock spielen in dieser Erzählung die Schlange des Paradieses. Seine Bücher entstanden zwischen dem Ende der Aristokratie, den Ansätzen von Demokratie, zum Scheitern geborenen Kommunismus und Nationalismus, bevor die gescheiterte Form des Kapitalismus entstand. In dieser Zeit eines neuen Aufbruchs war es Autoren und kritischen Denkern nicht vergönnt, die Aufmerksamkeit der Massen auf sich zu lenken. Wer Herbert George Wells gern als ein Musterbeispiel und Urvater der modernen Zukunftserzählung zitiert, sollte immer auch bedenken, dass er eben nicht nur ‚Schriftsteller war’. Er war ein unabhängiger Geist, der vielen seiner Mitbürger gedanklich weit voraus war. Er kannte die Lehren von T. H. Huxley, der ein eifriger Verteidiger von Charles Darwin war. Aus diesem Grunde war es ihm ein Einfaches, die Theorie der Evolution auf die Menschheit umzusetzen und die degenerierten Arten, die arbeitenden Morlock und die nichtsnutzigen Eloi der ehemaligen Oberschicht, als Fortführung der damaligen Menschheit zu sehen. Mit seinen Erzählungen setzte er die wichtigsten Punkte der zukünftigen Zukunftserzählungen. Mit der Zeitmaschine legte er die ersten Punkte fest, was man unter einer Zeitreise zu sehen hat. Mit dem Krieg der Welten folgte seine erste Invasionsgeschichte und mit der Insel des Dr. Moreau führte er den wahnsinnigen Wissenschaftler ein, der auch bei Mary Shelley den Dr. Frankenstein hervorbrachte. Der Roman und der Film (inzwischen sind es zwei Filme geworden) enden unterschiedlich. Vom Jahr 802701 fährt der Zeitreisende noch viel weiter in die Zukunft. Dort lernt er das Ende der Menschheit kennen. Ballonförmige, hüpfende Wesen vor einer roten, erkaltenden Sonne.
Als der Zeitreisende in seine Gegenwart zurück reist, erzählt er seinen Freunden von seinem Abenteuer, einer im wahrsten Sinn des Wortes unglaublichen Geschichte. Er reist ein weiteres Mal in die Zukunft, um seine Beobachtungen und Erlebnisse mit Hilfe einer Kamera zu beweisen. Von dieser Reise kehrt er nicht mehr zurück.
Im Film reist er wieder in das Jahr 802701, um das Mädchen Weena, das er dort traf, aus den Händen der Morlock zu befreien. Es bleibt offen, ob er in der Zukunft freiwillig blieb, oder ob er gar mit dem Mädchen in eine andere Zeit reiste oder einem Unglück zum Opfer fiel.
‚Die Zeitmaschine’ gibt es als Roman, Film und Hörbuch und Hörspiel. Und wer sich meinen Text durchgelesen hat, wird merken, dass ich mich mehr an den ersten Film gehalten habe. Der Eindruck, den dieser bei mir hinterliess ist immer noch stärker als das Buch. Mag sein, weil Bilder und Text die Erinnerungen daran dominieren. Was ich bisher absichtlich weggelassen habe, ist, das sich der Zeitreisende im Buch ständig mit der Theorie der Evolution auseinandersetzt. Der paradiesische Ort und die auftauchenden Menschen und die daraus resultierenden, immer wieder neuen Theorien der Gesellschaftsformen.
Die Zeitmaschine - Rezensionsübersicht