Titel: Dreimal Proxima Centauri und zurück Eine Rezension von "Miss DeWorde" |
Die an Halloween geborene Myra Çakan hat sich mit ihren Hörspielen und Beiträgen als freie Autorin und Journalistin einen Namen gemacht. Sie studierte Schauspiel und Musik und ist die erste deutschsprachige Cyberpunkautorin.
Ihr fünfter Roman „Dreimal Proxima Centauri und zurück“ ist im Steampunk-Gebiet anzusiedeln und basiert auf dem Hörspiel „Schieß mich zum Mars, Liebling“, das vom WDR 1Live produziert und im Juni 2006 erstmals gesendet wurde. Eine Revue mit eben diesem Namen wird im Roman einstudiert und aufgeführt.
In einer Zukunft, in der der Stilgeschmack eine Mischung aus 1900, Art deco und Biedermeier mit fortschrittlichster Technik wie Tesla-Antrieben und C-Klasse-Tiefschlafreisenden.
Die Geschichte beginnt mit einem turbulenten Boarding auf dem Raumschiff „Stern von Beteigeuze“ mit dem Zielhafen auf dem zweiten Stern von Proxima Centauri, Proxcent Zwei, Heimat einer blühenden Schönheitschirurgieindustrie und als Freihandelszone Ziel von Tauschhändlern und Touristen.
Hurriberto Wicknack, Kabinensteward der ersten Klasse mit höheren Ambitionen, führt mit seinem Blick über die eintrudelnde Menge auf der Fähre zum Raumschiff in die Geschichte und die Gesellschaft ein. Ein dicker Mann, der versucht unauffällig zu sein, ein kleiner, lauter Quälgeist samt ihm nachjagender Nanny, ein gedankenverlorener Mann mit abgewetzten Kleidern vom besten Schneider der Galaxis. Doch eine auffallend dekorierte Dame mit dickem Herrn als Vor- und unscheinbarem Fräulein als Nachhut erregt seine Aufmerksamkeit.
Angekommen auf dem Schiff wird eben diese Dame, Banamarama Halcion, von ihrem Impresario und ihrer Gesellschafterin verlassen, sie sinkt in der plüschig-puffigen Eingangshalle, farblich abgestimmt in Mauve, Curry und Hummer, auf ein Fauteuil und ist überfordert. Säuselnde Liebespärchen, piepende Maschinen, kreischende Kinder, Probleme mit der Suitenvergabe, aus all diesem Chaos rettet sie Wicknack, der sich so eine feste Trinkgeldeinnahmequelle sichert.
Nach Champagner ist die Diva mit ihrem Kontempler sicher im Kokon untergebracht und die junge Gesellschafterin Mimsy Mimkovsky, ein Waisenkind, aufgezogen von den Beharrlichen Schwestern vom Orden des Blutenden Herzens kann sich auf die Suche nach ihrer Kabine begeben. Dabei trifft sie den charmanten Herrn Schalck von Schnabel, der sehr angetan von ihr ist.
Zu diesen bunten Gestalten kommen noch ein verliebtes Prinzesschen, dass ausgebüxt ist, um ihren heimlichen Verehrer zu treffen, ein hochwürdiger Priester, der die Kabine nie verlässt, ein frisch getrautes Ehepaar, ein lang verheiratetes Ehepaar, ein fröhlicher, alter Junggeselle namens Rufus Plonk und einige tanzende Mondkühe.
Es ist Tradition, dass die Gäste am letzten Abend auf dem Schiff eine Revue aufführen. Dieses Mal übernimmt die große Halcion (die inkognito unter dem Namen „von Meise“ reist) die Regie, das schüchterne Fräulein Mimsy spielt die Baronesse Sternchen von Hüpf, Schalck den tapferen Raumschiffpilot und Plonk den Vormund.
Während die Proben mehr oder minder gut laufen, entwickelt sich die Handlung auf dem Raumschiff parallel dazu mit. Charmante Herren machen den Damen den Hof, ein Gangsterboss wird gefunden, die Mimsy findet ihren Vater, wird auf der Bühne zu einem Mord verhört, heiratet spontan, die Mondkühe stolpern über Koffer, der Prinzessin wird ein geklauter Dolch gestohlen und auch sonst ist die Geschichte kunterbunt und turbulent.
Der Roman ist wie eine Mischung aus dem Interieur der „Titanic“, der Geschichte des „Mord im Orient-Express“ mit einem guten Schuss Revue und Raumschiff. Unterhaltsamer Steampunk der sehr bunten Art.