Reihe: Die dunklen Mächte, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die 15-jährige Chloe Saunders ist eigentlich ein ganz normales Mädchen und hat nicht damit gerechnet, eines Tages von allen, die sie kennt, als verrückt bezeichnet zu werden. Und das nur, weil sie plötzlich einen untoten Hausmeister sieht. Allerdings nur sie. Niemand sonst. Dabei lief es in der Schule gerade recht gut. Sie ist Mitglied des Filmclubs und steht auf der Liste, auf der die möglichen Regisseure gehandelt werden. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als nach ihrem Abschluss eine erfolgreiche Drehbuchautorin und Regisseurin zu werden. Und sogar mit den Jungs klappt es, zumindest bei einem scheint es auch gefunkt zu haben. Ausgerechnet da läuft ihr der Hausmeister, ein alter Mann, dessen Körper völlig verbrannt ist, vor die Füße und sie schreiend davon.
Weil ihre Eltern sehr schnell damit einverstanden sind, findet sich Chloe im Lyle House wieder. Die Insassen dort sollen alle irgendwie verrückt sein. Oder auch nicht. Die zuständigen Ärzte bescheinigen ihr, sie sei schizophren. Geister gibt es nicht, so das Urteil. Für zwei Wochen soll sie nun in das Haus eingeliefert werden; dort leben nur psychisch gestörte Jugendliche. Allerdings erkennt die fünfzehnjährige Chloe, dass etwas nicht stimmt im Lyle House. Die Jugendlichen sind nicht zufällig dort.
Chloes Lage bessert sich im Lyle House nicht. Im Gegenteil. Trotz der Therapiestunden, die sie erhält, sieht sie weiterhin Geister. Deren Anzahl scheint dabei nicht weniger zu werden. Und das Aussehen wird immer scheußlicher. Ihr Mitbewohner Derek, mit dem sie sich schnell anfreundet, meint, dass nicht nur sie eine außergewöhnliche Gabe besitze. Mit Derek und seinem Bruder Simon bildet sie bald eine verschworene Gemeinschaft, die das Geheimnis um das Lyle House erkunden will. Mit dabei sind noch die beiden Mädchen Rae und Tori. Die Jugendlichen werden sehr unterschiedlich dargestellt, vom einzelgängerischen Derek, der unsicheren Chloe bis hin zur widerspenstigen Freundin Rae sind sie so wie jeder Jugendliche in ihrem Alter, nur eben mit der Gabe "gesegnet".
Die Anstalt Lyle House wird sehr eindringlich und ohne die üblichen Klischees beschrieben. Es gibt keine dunklen unheimlichen Gänge - die sind hell, geradezu freundlich. Und doch lauert das Grauen hinter den Wänden, Eindrucksvoll wird das Gefühl beim Leser entwickelt, sich in einem Spukhaus zu befinden. Kelley Armstrong erschafft eine bemerkenswerte Atmosphäre, die vollendet in die dunkle Jahreszeit passt und deren übernatürlich-schauerlicher zweiter Teil, Seelennacht, am 1. Dezember erschien. Besonders faszinierend fand ich, dass alle Bewohner der Anstalt eine Geschichte verbindet.
Einzige Kritikpunkt sind die etwas langatmige Einführung in die Geschichte und dass die Handlung gegen Ende plötzlich an Fahrt aufnimmt. Dies erweckt den Eindruck, dass alles etwas überstürzt wird. Der Beginn des Romans beschäftigt sich gründlich und detailliert mit der Vorstellung der verschiedenen Personen.
Ein empfehlenswertes Jugendbuch, das ins Bücherregal eines jeden Fantasy-Fans, auch der Erwachsenen gehört. Kelley Armstrong hat ein Händchen für bedrohlich-gruselige Beschreibungen. Angenehm lesenswert sind die nachdenklichen Momente, die der Erzählung eine besondere Atmosphäre geben und eine Gänsehaut und bedrückende Stimmung erzeugen.