Titel: Die Einladung |
Als Raphael um halb drei mitten in der Nacht den telefonischen Hilferuf seines Freundes Leo erhält, ist er alles andere als hellauf begeistert. Leo liegt mit einer Autopanne irgendwo in der französischen „Walachei“ fest und benötigt nun Unterstützung. Statt gleich zuzusagen, windet sich Raphael regelrecht am Telefon, sucht eine Ausrede nach der anderen, legt dann auf und wird erst durch sein schlechtes Gewissen in Person seiner Freundin Helene dazu getrieben, Leo zu helfen.
Als der angenervte junge Mann am Ort des Geschehens eintrifft, empfängt ihn nicht nur sein Freund mit einer Flasche guten Champagner, sondern es ist eine regelrechte Party in Gang, denn Leo inszenierte diese Aktion als eine Art Freundschaftstest, um zu schauen, auf wen er sich verlassen kann. Auch wenn Raphael ziemlich angepisst ist, bleibt er bis zum Morgengrauen und verlässt zusammen mit Leo als Letzter den Ort des Geschehens.
Wieder daheim lässt ihn das Erlebte nicht in Ruhe und er beschließt, es Leo gleichzutun. Also ruft er mitten in der Nacht seine vermeintlichen Freunde an, besorgt sich Schaumwein und stellt sich mit seinem Wagen mitten in der Pampa an eine Schnellstraße. Jedoch merkt er schon bald, dass seine Freunde augenscheinlich ein unzuverlässiger Haufen sind, denn bis auf Leo taucht zunächst keiner auf. Und so haben die beiden Kumpel reichlich Zeit, über das Wesen der Freundschaft zu sinnieren, in Erinnerungen an die gemeinsame Vergangenheit zu schwelgen und eine Flasche nach der anderen zu köpfen. Als irgendwann doch noch ein weitere Kumpel – Philipp – auftaucht, fühlt sich der so verarscht, dass er Raphael seine Freundschaft aufkündigt. Doch mit einem Freund wie Leo an der Seite ist das noch nicht das noch nicht das Ende der Geschichte.
Hammer! Die erste Riesenüberraschung des Jahres 2012. „Die Einladung“ ist eine eine kleine, leise Geschichte, die ohne Action und wortgewaltigen Pathos den Leser von der ersten bis zur letzten Seite alleine durch das ruhige, elegante Artwork und die gelassenen, zutiefst menschlichen Dialoge zu fesseln vermag.
Mermoux' Kunst erinnert in ihrem klaren, feinen Duktus und der sanften, ins Pastellene spielenden Koloration an Paul Duffields Arbeit an „Freakangels“, wobei Mermoux' Seitenaufteilung weniger formalistisch ist und einem deutlich cineastischem Ansatz folgt, der sich beispielsweise schon auf den ersten Seiten in einer Art visuell spannender Kamerafahrt in die Wohnung Raphaels zeigt.
Erzählerisch, dramaturgisch ist „Die Einladung“ in sechs Akte aufgeteilt, wobei nicht nur diese Aufteilung an ein Bühnenstück erinnert: die Anzahl der Handlungsorte ist auf kaum mehr als eine Handvoll beschränkt und eine großer Teil der Story und des Beziehungskontextes entfaltet sich durch die Dialoge von Raphael und Leo, in denen sie Gegenwart und Vergangenheit reflektieren und analysieren. Bemerkenswert sind dabei die Leichtigkeit und Natürlichkeit dieser Dialoge, die jeder von uns so oder so ähnlich geführt hat oder haben könnte.
Fazit: Jeder, der ruhigen, leisen Tönen in Handlung und im Artwork nicht explizit abgeneigt ist, sollte sich diese kleine, feine Geschichte über Freundschaft, Enttäuschungen, Hoffnungen und das Wichtige im Leben zu Gemüte führen. „Die Einladung“ ist ganz großes „Kino“!