Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Eine Trillion Euro ist eine empfehlenswerte Anthologie europäischer Autoren. Sie werfen einen Blick in die nahe Zukunft, kritisieren und utopisieren die Gegenwart. Anthologien sind heutzutage die Ausnahmen in der Science Fiction, weil Romane sich viel besser verkaufen. Der bekannte Autor Andreas Eschbach (Das Jesus-Video, Der letzte seiner Art) hat mit Eine Trillion Euro eine empfehlenswerte Textsammlung veröffentlicht.
Seit Jahrzehnten steht sie im Schatten der anglo-amerikanischen SF: die europäische Science Fiction. Und das völlig zu Unrecht, wie diese Anthologie, zusammengestellt von Bestsellerautor Andreas Eschbach beweist. Sie enthält Geschichten von den jeweils führenden SF-Autoren der Länder der Euro-Zone.
(Klappentext)
In der ersten Kurzgeschichte Eine Trillion Euro beschäftigt sich Andreas Eschbach mit der Frage, warum viele Staaten trotz Wachstums überschuldet sind. Geschäftstüchtige Außerirdische bieten den Europäern an, ihnen auf dem Mond eine neue Heimat zu bauen, da Europa von einer Eiszeit bedroht ist (der Golfstrom bleibt aus). Zu allem Unglück beträgt der Preis besagte Trillion Euro. Die Außerirdischen verschwinden ziemlich schnell, als sie mitbekommen, dass selbst Ratenzahlungen für die Europäer nicht bezahlbar sind. Die Titelgeschichte ist sehr humorvoll und pointiert. Eschbach zeigt wieder einmal sein Talent ein bestimmtes Thema prägnant zu präsentieren.
Eine dystopisches Europa schildert Pierre Bordage in Euro Zone, in der eine Hyperinflation den Euro zu einem wertlosen Zahlungsmittel werden ließ.
Die Mauer für eine Trillion Euro von César Mallorqui greift ein aktuelles Thema der Über- und Entfremdung sowie der Immigration auf. Im 22. Jahrhundert hat sich die Bevölkerung des Kontinents stark gewandelt. Der soziale Wohlstand (so die These Mallorquis) konnte nur durch Zuwanderung gesichert werden. Gleichzeitig geschah ein kultureller Wechsel, so dass das zukünftige Europa nicht mit dem heutigen zu vergleichen ist. Die ältesten Menschen, die sich noch an "ihr" Deutschland erinnern, fühlen sich entfremdet. Aufgrund von Lebensverlängerungsmaßnahmen sind sie Relikte einer vergangenen Zeit. Mallorqui hat eine sehr gute Geschichte geschrieben, mit einem diskussionswürdigen Thema.
Bei Elia Barceló kaufen sich Reiche für Tausend Euro, ein Leben Wirtskörper aus den Entwicklungsländern der Welt. Die Bewußtseine der ursprünglichen Besitzer werden durch Medikamente unterdrückt, bis die Methode eines Tages nicht mehr funktioniert.
Durchaus interessant und lustig, aber nicht phantastisch, ist Marcus Hammerschmitt mit Vaucansons Ente. Seine unterschiedlichen Protgonisten (einer reich, der andere ein Schein-Marxist) sind gut in Szene gesetzt. Der Reiche fällt auf einen Wirtschaftsbetrug herein, so dass sein egoistischer schein-marxistische Freund nichts mehr von ihm wissen will.
Nicht alle Erzählungen der Anthologie beschäftigen sich mit Europa, seiner Historie, Wirtschaft und Bevölkerung. Beispielsweise, Wolfgang Jeschke verschreibt sich mit Das Geschmeide ganz dem Sense-of-Wonder der Science Fiction und schildert das brüchige Zusammenleben der Kolonisten eines fernen Planeten mit den Ureinwohnern. (Das Geschmeide wurde mit dem Kurd-Laßwitz-Preis 2005 ausgezeichnet).
Sicherlich gefallen einem nicht alle der siebzehn Kurzgeschichten und manche Idee (wie etwa bei der Staatsverschuldung) hätten gründlicher ausgedacht werden müssen. Doch alle sind von guter bis sehr guter Qualität. So macht die Anthologie Spaß beim Lesen. Jeder Geschichte ist ein kurzer Text über den Autoren vorangestellt. Merkwürdigerweise fehlt ein solcher bei Andreas Eschbach, der immerhin Herausgeber ist. Auch ein Vorwort hätte nicht geschadet.
Eine Trillion Euro ist durch die Auswahl der Autoren eine besondere Anthologie, die durchaus anspruchsvoll zu nennen ist. Insgesamt ist es eine schöne Sammlung interessanter Texte.