Reihe: Wurdack SF Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Seit acht Jahren nun wartet der Wurdack Verlag jedes Jahr mit mindestens einer Anthologie auf und es besteht kein Zweifel, dass der Verlag damit so etwas wie der Platzhirsch am Markt ist. Zugegeben, der Markt ist klein, aber immerhin erscheinen noch Science-Fiction-Anthologien. Und die Qualität der Geschichten stimmt auch dieses Mal.
Nadine Boos: Emotio
Lukas findet unter verschiedenen, illegal aufgezeichneten Emotionsvideos auch eines seiner eigenen. Er forscht nach, wie es den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat, und das, was er herausfindet, mag ihm nicht gefallen. Eine routiniert geschriebene Geschichte mit einem gelungenen Ende. Ein guter Auftakt.
Bernhard Schneider: Routine
Ein äußerst kurioser Mordfall: Eine Leiche, doch das Opfer lebt. Die Sache bereitet dem Polizisten Kopfzerbrechen, bis er am Ende die unglaubliche Wahrheit erkennt. Eine interessante Geschichte, nicht unbedingt vom Thema her sehr neu, aber durchaus unterhaltsam.
Christian Günther: Einhundert Worte für Tod
Die beiden Terroristen Seven und Sunya jagen ein ganzes Luxushotel in die Luft, doch Seven weiß nur die Hälfte vom Plan und ahnt nichts von der schrecklichen Rolle, die ihm zugedacht wurde. Die handwerklich gut verfasste Geschichte konnte mich vom Thema her nur bedingt unterhalten.
Ernst-Eberhard Manski: Zeitlupenwiederholung
Zwei Männer stellen bei der Übertragung eines Fußballspiels Unregelmäßigkeiten fest. Zeitlupenwiederholungen wurden verändert und alles deutet darauf hin, dass die Übertragung in großem Maße verändert wurde. Doch warum? Nachforschungen bringen die beiden ins Visier eines Überwachsungsstaates.
Eine atmosphärisch gut gelungene Geschichte, die den Leser sehr gut unterhält.
Frank W. Haubold: Gute Hoffnung
Die Besatzung eines Generationsraumschiffs steht am Ende der Reise vor großen Problemen. Die einstigen Führer sind nur noch virtuelle Projektionen und führen die Menschen in einer geschützten Scheinwelt. Doch wie soll der verängstigte Haufen die schwierige Aufgabe der Kolonisierung meistern? Ein interessantes Szenario, das wohl eine längere Erzählform benötigt hätte.
Niklas Peinecke: Nanne kommt auf den Hund
Ein neuartiges Hundefutter erhöht nicht nur Intelligenz und Eigeninitiative bei Hunden. Ein unfreiwilliger Selbstversuch zeigt interessante Resultate. Eine gelungene Fingerübung, die mit viel Humor erzählt wird.
Karsten Kruschel: Violets Verlies
Man kann schon sagen: Dies ist eine typische Kruschel-Geschichte. Bei der Erforschung des Planeten Violet tappen die Forscher so lange im Dunkeln, bis sie am Ende mit der Nase auf die allumfassende Wahrheit über den Planeten und dessen Lebensform gestoßen werden.
Mit viel Leben erzählt der Autor seine ungewöhnliche Geschichte und sorgt so für ein Highlight dieser Anthologie.
Arno Endler: Fremde Augen
Manuel gehört einer Gruppe von Blinden an, die in einem Testversuch künstliche Augen bekommen sollen, doch er kann nicht recht daran glauben, dass ein Rüstungskonzern seine mildtätige Seite entdeckt haben soll.
Die Geschichte ist weder originell noch bestechend gut erzählt. Das Ende war leider zu früh abzusehen.
Gerd Frey: Handlungsreisende
Ein Spion versucht seine Fehler auszumerzen und bringt in einem Zeitparadoxon sich selbst um. Doch dies löst seine Probleme nicht.
Eine humorvolle Geschichte, die allerdings ein wenig unvollendet wirkt.
Jasper Nicolaisen: Der vorletzte Mensch auf Proteia
Kim ist alleine auf dem vollkommen menschenfeindlichen Planten Proteia und ist kurz vom Durchknallen. Doch der Leser ist sich nicht sicher, ob Kim Selbstgespräche führt oder ob da tatsächlich jemand ist, der ihr antwortet.
Eine handwerklich hervorragend erzählte Geschichte, die dem Leser eine interessante Psychostudie, aber – typisch für diese Art von Erzählung – nur wenig Antworten gibt.
Uwe Post & Uwe Hermann: Der Valentino-Exploit
Kammerjäger Jones soll die randalierenden Haustiere einer alten Dame einfangen, doch jemand hat die Cyberpets gehackt und nutzt sie, um das Haus auszurauben.
Eine aberwitzige Idee, die gut erzählt wird, und auch einen gelungenen Schluss konnten die Autoren liefern.
Karina Čajo: Tagebuch einer Göttin
Auf Paradeisos leben die Menschen ein hartes, aber durchaus zufrieden stellendes Leben. Wenn jemand verletzt wird, helfen die Götter, doch bei Fauns Bruder sind sie plötzlich ein wenig störrisch. Dabei ahnt der Landsasse nichts von der Wahrheit, dass hinter den Göttern Menschen stecken, die alles steuern. Die dystopische Geschichte wartet mit einem interessanten Szenario auf, bietet dem Leser aber kein wirklich rundes Ende an.
Kai Riedemann: Gib dem Affen Zucker
Eine Enthüllungsjournalistin trifft auf die Drahtzieher einer groß angelegten Zuckerverschwörung. Eine zuckersüße Kurzgeschichte, die ein bisschen zu überzogen ist.
Thomas Templ: Die Farbe der Naniten
Bios will eine Dämonin werden. Mit Gedankenkontrolle steuert sie dann Naniten und kann diese unter anderem auch zum Heilen einsetzen. Auf dem Planeten A’Schicht trifft sie auf den Primitivmenschen Mikhal, doch die Beziehung zwischen den beiden führt zu einem gewalttätigen Konflikt.
Eine gut erzählte Geschichte mit einem interessanten Szenario. Das wäre eigentlich etwas für einen Roman.
Heidrun Jänchen: In der Freihandelszone
Als der Sextourist Joey nach Leiwal fliegt, um dort mal ordentlich die Sau rauszulassen, hat er noch keine Ahnung, was es bedeutet, mit Aliens Sex zu haben. Und dass Außerirdische tatsächlich den menschlichen Kapitalismus begriffen, konnte er ebenso wenig ahnen.
Die Geschichte der Mitherausgeberin ist wieder sehr gut geschrieben. Mit viel Zynismus geht sie mit dem Sextourismus ins Gericht und erzählt mit viel Atmosphäre. Ein weiteres Highlight dieser Anthologie.
Armin Rößler: Das Versprechen
Ein Söldner trifft auf einen ehemaligen Kameraden, der in die Hände von Feinden gefallen ist. Doch dieser will ihn nicht zur Rechenschaft ziehen, sondern ihm ein Geschenk manchen, von dem er nicht weiß, ob er es haben will.
Man will fast sagen: eine typische Armin-Rößler-Geschichte. Mit viel Stimmung erzählt der Autor seine Geschichte und sorgt so für einen gelungenen Abschluss der Anthologie.
Wie jedes Jahr kann man auch dieses Jahr sagen, dass die Anthologie gelungen ist, viel Qualität zu bieten hat. Noch wichtiger: Es gibt keine wirklich schlechten Geschichten und das ist den Herausgebern zu verdanken, die nach wie vor gewissenhaft das Material sichten. Eine Veränderung zum Vorjahr gab es aber doch: Die Anthologie hat nun einen schönen Glanzumschlag und Klappenbroschur, mit dem das schöne Cover von Alexander Preuss umso besser herauskommt.