Titel: Der Feenturm Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Das Cover des Buches zeigt eine junge Frau vor einem steinernen Portal. Das Portal ist alt verwachsen und wird vom Licht des am Himmel scheinenden Vollmondes erhellt. Und obwohl die Szenerie so im Buch nicht vorkommt passt sie dennoch zur Geschichte: Eine junge Frau, ein Portal in die Vergangenheit und der Vollmond, der für das Portal ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.
Bei einer Rucksacktour durch Schottland lässt sich Dana zu einer Wette hinreißen – und verbringt eine Nacht in den alten Gemäuern des Broch Dun Telve. Am Morgen erscheint ihr der Geist der Keltenkriegerin Rionach und bittet Dana um ihre Hilfe: Mit Hilfe von Magie soll Dana in der Zeit zurück reisen, Rionachs Tochter retten und Rionachs Mann die Informationen zuspielen, die er benötigt, um Rionachs Tod zu rächen.
Dana flieht zunächst und beschließt, dem Broch keinen weiteren Besuch abzustatten. Dunkle Träume und der Gedanke an die Hilfe, die sie verweigert hat, verfolgen Dana, sodass sie die Bitte der Kriegerin überdenkt und zum Broch zurückkehrt.
Schon mit den ersten Seiten hat mich die Geschichte in ihren Bann geschlagen. Die Vorstellung von der resoluten Dana an der Seite ihrer quengeligen Freundin Marita mitten auf einer schottischen Straße hat mich schon zum Grinsen gebracht. Die Fahrt in dem Auto des hilfsbereiten Schotten Bobby und seine amüsanten Erzählungen waren für mich der nächste Grund zum Schmunzeln. Aileen P. Roberts schafft es wirklich, die schottische Mentalität und Eigenheiten, wie man sie sich so vorstellt, in ihrer Geschichte einzufangen. Nebenher lässt sie Beschreibungen der Landschaft und der Örtlichkeiten einfließen – und lässt in dem Leser die Sehnsucht erwachen, einen eigenen Blick auf die beschriebenen Szenerien werfen zu können.
Ebenso liebevoll wie die Szenerie beschreibt Aileen P. Roberts auch die Figuren (bis hin zu den Nebenfiguren). So gut, dass man von manchen Figuren weit mehr erfahren möchte als man es tatsächlich kann: Sie sind eben doch nur Nebenfiguren, auch wenn man sie als Leser noch so lieb gewonnen hat oder sich eben einfach noch ein bisschen mehr über die eher nicht naturverbundene Marita bei der gemeinsamen Schottlandtour amüsieren möchte. Die Figuren sind so lebendig beschrieben, dass man fast das Gefühl hat, sie wirklich kennen zu lernen – und sie durchweg auch verstehen kann. So ist Dana eben keine wagemutige Heldin, die sich ohne zu zögern und unvorbereitet auf eine Zeitreise einlässt, sondern lehnt das erste Hilfegesuch von Rionach erst einmal rigoros ab. Erst nach einigem Nachdenken zieht sie die Zeitreise überhaupt in Erwägung. Und sowohl Rionach als auch Dana wissen, dass man nicht unvorbereitet um die 2000 Jahre zurück in die Zeit reisen kann – die Lösung, die sich Aileen P. Roberts für ihre Problem hat einfallen lassen, ist übrigens wirklich gelungen.
Und die Figuren sind nicht nur lebendig beschrieben, sie verhalten sich auch lebendig. Sie entwickeln sich im Verlauf der Geschichte weiter – langsamer oder schneller, je nach Figur – und entwickeln dabei auch Beziehungen zueinander – ebenso schnell oder langsam wie es zu der jeweiligen Figur passt. Ich hatte selten Figuren einer Geschichte so gut vor Augen, wie es beim Lesen von “Der Feenturm” der Fall war.
Da ich bisher weder in den Genuss einer Schottlandreise noch eines Ausfluges in die Vergangenheit gekommen bin kann ich nicht sagen, ob die von der Autorin geschilderten Szenerien tatsächlich richtig sind, aber eines sind sie auf jeden Fall: absolut stimmig.
“Der Feenturm” beschreibt allerdings nicht nur den Ausflug einer jungen Frau in das frühe Schottland: Dana hat in der Vergangenheit eine Mission zu erfüllen. Eine Mission, die längst nicht so leicht ist wie gedacht. Und die Hintergründe, die Rionach Dana geschildert hat, sind deutlich vielschichtiger, als es Dana oder der Leser erwartet haben. Das führt Dana und den Leser zu einigen unerwarteten Ereignissen und ist damit durchweg weit von vorhersehbaren Erzählsträngen entfernt.
Aileen P. Roberts ist so ein Zeitreise-Roman der Extraklasse gelungen. Ein Buch, das ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann – und das sich einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal definitiv verdient hat.