Titel: Götterdämmerung Eine Rezension von Doris Michel-Himstedt |
Inhalt:
Man stelle sich einen Talkessel vor. Oben auf den Bergen wohnen die griechischen Götter, die Asen und unzählige weitere Göttinnen und Götter der Hindus und anderer polytheistischer Religionen. Die monotheistische Senke ist etwas weniger bevölkert. Wie der Name schon sagt, wohnen dort nur Allah, Gott und andere Götter monotheistischer Religionen. Zeus hat eines Tages genug davon, dass niemand mehr an ihn glaubt und lässt einige gut gezielte Blitzschläge auf die Menschheit los. Er bringt damit die Zeit mehr als nur ein wenig durcheinander. Neandertaler auf der Kö, George Custer vor der Skyline einer Großstadt, ein in der Abteilung Schadensregulierung einer Versicherung gestrandetes Wickingerschiff samt Besatzung, die Hunnen in Los Angeles … Der Autor lässt sich etwas einfallen, um uns zu unterhalten. Natürlich bleibt das alles nicht unbemerkt. Die Geschichte verfolgt die Wege mehrerer Menschen, die von Athene (jawohl, der Athene) beauftragt werden, das Chaos wieder zu entflechten, denn nicht alle Mitglieder des Olymp sind mit Zeus‘ Vorgehen einverstanden, ebenso wenig wie die Asen, die Zeus um seinen Einfallsreichtum beneiden und nun ihrerseits ins Geschehen eingreifen. Ein Privatdetektiv aus dem LA der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, ein Magier aus Wales aus der Zeit König Artus‘ und ein Salatbar-Monteur aus dem 21. Jahrhundert haben viel zu tun, bis sie im eingangs beschriebenen Talkessel alles wieder in Ordnung bringen können.
Meine Meinung:
Dieser Roman wurde bereits 1992 einmal veröffentlicht. Der Autor hat ihn etwas aktualisiert und bietet ihn nun den Lesern noch einmal an. Ich hatte leichte Bedenken nach den ersten Seiten. Schon wieder ein Buch mit einsamen alten Göttern, die nicht mehr in unsere Zeit passen und irgendwie durchdrehen. Eigentlich ein durchgekautes Thema. Dachte ich …
Je weiter ich las, desto mehr Spaß hatte ich. Das Buch ist herrlich abgedreht, witzig, manchmal böse. Ein wenig Hintergrundwissen über die Götterwelt unserer und früherer Tage sowie die Kenntnis alter Sagen erhöhen den Spaß ungemein. Regelmäßige Zeitungslektüre hilft auch, da auch die jüngere und die aktuelle Zeitgeschichte ihr Fett abbekommen. Hat man früher das Fach Geschichte geschwänzt und sich fortan geweigert, am allgemein zugänglichen Bildungskanon teilzunehmen, wird dieses Buch leider nicht so viel Vergnügen bereiten. Einen kleinen Ersatz bieten dann die im Buch verstreuten Anmerkungen und die als Anhang mitgelieferte Liste der Götter.
Im ganzen Buch gibt kaum eine vernünftig handelnde Person. Nicht nur die Götter des Olymp und aus Asgard sind versoffen und wirken reichlich durchgeknallt, auch Institutionen wie die Tafelritter oder der BND werden aus einem ganz eigenen Blickwinkel geschildert. Und hat man sich einmal klargemacht, wie eigenartig unser modernes Versicherungswesen einem Wickinger erscheinen muss, ganz zu schweigen von der totalen Unwirksamkeit von Klagedrohungen von Touristen, wenn sie plötzlich irgendwo in der Vergangenheit gestrandet sind statt am gebuchten Reiseziel, dann kann man dem Autor nur Beifall klatschen ob seiner skurrilen Einfälle. Mir jedenfalls hat das Buch Spaß gemacht. Wer seine Urlaubslektüre noch nicht vollständig beisammen hat, sollte ruhig bei diesem Buch zugreifen. Die Lachmuskeln werden es ihm danken.