| Titel: Grendl
Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Als wäre das nicht ärgerlich genug, lädt ihm der Teufel Lutherion, kurz nachdem Max die Himmel-Hölle-Sortiermaschine beschädigt hat, eine unerquickliche Last auf die schmale Schultern: Sollte es dem magistrierten Philosophen gelingen, den Sinn des Lebens herauszufinden, dann könnten sie, die Teufel, diesen Term in eine Weltformel einsetzen und dadurch das Geschehene, für das der Himmel die Verantwortung trägt, allein schon aus Prinzip rückgängig machen.
Da man in der Hölle von Max’ philosophischen Fähigkeiten jedoch nicht unbedingt überzeugt ist, bietet man ihm erstens an, mittels Petrus’ Handy, das zufälligerweise dem TSD (Teuflischer Sicherheits Dienst) in die Klauen fiel, zurück in der Zeit zu reisen, um die größten Denker der Menschheit in ein unverfängliches Gespräch über den oben angeführten Sinn zu verwickeln, und stellt ihm zweitens Lutherion als moralische Unterstützung an die Seite.
Gesagt, getan! Lutherion und Max beginnen ihre Erkundungstour bei Sokrates, welcher gerade dabei ist, seinen Schierlingsbecher zu leeren. Bedauerlicherweise können sowohl der alte Grieche als auch Thomas von Aquin, Descartes, F.W.J. Schelling und der ziemlich durchgeknallte Wittgenstein nichts Konstruktives bzw. Gehaltvolles zur Sinnsuche beitragen, sodass schließlich die letzte Hoffnung des Universums auf dem schwierig zu erreichenden Nietzsche ruht, der quasi ins Nichts verbannt wurde.
Und dass irgendwelche Mächte ihre Reisen zu sabotieren versuchen, macht das Ganze nicht unbedingt einfacher.
"Grendel" gehört zu jenen seltenen Romanen, bei denen man das Gefühl hat, man müsste sie eigentlich lieben, aber dennoch will der Funke nicht so recht überspringen.
Zweifellos handelt es sich um einen sehr humorvollen Roman, dessen aberwitzige, groteske und absurde Ideen und Gedankenspiele den Leser ein ums andere Mal an den Humor Douglas Adams', Terry Pratchetts oder anderer Funny-Fantasy/SF-Koryphäen in literarischer Hinsicht und an Monty Pythons in cineastischer erinnern.
Bedauerlicherweise bleibt es aber auch bei diesem "Erinnern", denn zu oft überschreitet Schweizer die Grenze von hintergründigem, geistreichem Witz zu vordergründiger, platter Albernheit ohne jegliche anarchistische oder subversive Attitüde. Im Nebeneinander von billiger Effekthascherei und durchaus gelungenen satirischen, augenzwinkernden Anmerkungen bei der Hatz von Gag zu Gag geht das Pointierte oftmals verloren.
Eher enttäuschend gestaltet sich der - Denglisch ausgedrückt - philosophische Content des Romans. Wenn man schon verlagsseitig auf den germanistisch-philosophischen Hintergrund des Autors abstellt und zudem ein Story präsentiert, die geradezu nach argumentativer Auseinandersetzung schreit, dann sollte der Autor sich nicht auf das Philosophen-durch-den-Kakao-ziehen und die bloße Darstellung philosophischer Ansätze (unter Wikipedia-Niveau) beschränken, sondern, anstatt die großen Denker als grenzdebile Personen vorzuführen, ihr Thesengebäude einer näheren Prüfung unterziehen - meinetwegen auch aus einem satirisch-humoristischen Blickwinkel. Die dargebotene Mager-Version allerdings hätte jeder durchschnittliche Zwölftklässler mit Grundkurs Philosophie zustande gebracht.
Zugute halten kann man dem Autor immerhin, dass er sich nicht windet und wendet wie der Wurm am Haken, sondern den Sinn des Lebens tatsächlich explizit benennt. Mangels vorheriger ernsthafter Auseinandersetzung mit der Thematik misst man dieser These allerdings nicht mehr Tiefe zu als Hape Kerkelings "Der Wolf, das Lamm. Auf der grünen Wiese. Und das Lamm schrie: 'Hurz!!!'"
Hinsichtlich des Aufbaus des Romans beweist Schweizer ebenfalls kein glückliches Händchen: Die eigentliche Handlung wird regelmäßig, d.h. alle zwei bis fünf Seiten, durch mehr oder weniger lange, kursiv hervorgehobene Passagen unterbrochen, in denen textbegleitend Begriffe oder Zusammenhänge auf angemessen unernste Weise erläutert und vertieft werden. Dieses ist - milde ausgedrückt - dem Lesefluss äußerst abträglich, zumal sich einem halbgebildeten Fußnotenfan wie mir nicht der Sinn und Zweck dieser Art der Darstellung erschließen will.
Um versöhnlich zu schließen: Dass es trotz der unverkennbaren Schwächen des Romans dennoch Spaß macht, Max Merkur auf seiner Reise durch die Zeit zu begleiten, liegt tatsächlich an einigen aberwitzigen, wie selbstverständlich vorgetragenen Ideen/Thesen. Wenn z.B. erklärt und "ausgeschmückt" wird, dass die Farben, die den Dingen zugeschrieben werden, eigentlich aus kleinen, ihnen anhaftenden Lebewesen bestehen, dann wiegt eine solche Stelle ungeachtet ihrer mangelhaften "logischen" Basis jeden noch so albernen Platt-Gag vielfach auf und lässt den Leser über zahlreiche kleine, überflüssige Unplausibilitäten und die schwachen Figuren gnädig hinwegschmunzeln.
Fazit: Eine humorvolle Geschichte, in der die Philosophie allerdings deutlich zu kurz kommt.
Unterhaltsam?
Jo!
Anspruchsvoll?
Nö!