Titel: Grischa - Goldene Flammen Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Beim Cover ist mir als erstes das darauf abgebildete Mädchen ins Auge gefallen – und hat den Hintergrund ganz weit nach hinten gerückt. Dass das Buch die Geschichte dieser Frau beschreibt ist dem Leser ziemlich schnell klar, nicht jedoch, dass es sich um einen Fantasyroman handelt. Auf dem zweiten Blick kann man hinter der Frau einen Hirsch und Bäume erkennen, die blasse Farbe des Covers lässt sich daraufhin als Schnee interpretieren. Auf den ersten Blick noch unscheinbar ist das Cover auf seine ganz eigene Art ziemlich schön – und außergewöhnlich. Und ist das Buch erst gelesen, gefällt einem das Cover noch um einiges besser.
Seit ihrer Kindheit steckten Maljen und Alina zusammen. Erst als Waisenkinder im Haus des großzügigen Herzogs, der immer wieder ihresgleichen aufnimmt, später in einem der Regimenter des Zaren: Alina als Gehilfin des Kartenzeichners, Maljen als Fährtenleser.
Eine gemeinsame Zeit, die endet, als Alina im dem Dunkel des Schattenflurs plötzlich ihre Fähigkeiten entdeckt. Als das Regiment von den, im Schattenflur lebenden, menschenfressende Volkra angegriffen wird, beschwört Alina in Todesangst um ihren Kindheitsgefährtin ein helles Licht, dass sämtliche in der Gegend befindlichen Volkra vertreibt. Eine Fähigkeit, die man der legendären, lang ersehnten Sonnenkriegerin zuspricht.
Für Alina beginnt damit ein neues Leben am Hofe des Zaren – weit entfernt von Maljen. Inmitten von anderen Grischa, in den “kleinen Künsten” bewandte Menschen, soll Alina lernen, mit ihrer Gabe umzugehen – und an der Seite des “Dunklen“, des mächtigsten Grischas, lange gehegte Träume erfüllen. Aber sind diese Träume auch die ihren?
Schon mit den ersten Seiten des Buches hat mich Leigh Bardugo in den Bann geschlagen. Mit der Geschichte um die Sonnenkriegerin Alina hat sie eine ganz neue – oder zumindest mir völlig unbekannte – Welt erschaffen. Eine Welt, die dem alten Russland nicht unähnlich ist, bevölkert von Grischa, in den “kleinen Künsten” bewandte Menschen (von manchen auch Hexer genannt), und normalen Menschen. Eine Welt im Krieg: Rawka, das Land, in dem Alina lebt, wird nicht nur durch die in dem Schattenflur lebenden Volkra bedroht, sondern auch durch die verfeindeten Nachbarländer.
Die Volkra stellt Leigh Bardugo durch die Blicke der zwei Waisenkinder Alina und Maljen in eines der Bücher aus des Herzogs Bibliothek vor. Ein Buch, das neben der detaillierten Beschreibung “lange, faulige Klauen; lederige Flügel; rasiermesserscharfe Zähne, wie geschaffen dafür, sich an Menschenfleisch zu mästen” auch eine Darstellung eines Volkra inklusive angenagtem Menschfuß enthüllt. Wer wundert sich da, dass Alina seitdem schreckliche Angst vor dem Schattenflur hat? Begegnungen mit den feindlichen Regimentern sind weit unwahrscheinlicher, als auf Volkra zu treffen.
Es ist Alinas Geschichte – und zwar ganz und gar. Sie allein ist es, aus deren Blick die Geschichte erzählt wird – was anderorts passiert, erfährt man nur über Erzählungen anderer. Alinas Gefühle für Maljen sind dabei ständig präsent, drängen sich aber nie in den Vordergrund. Sie passen sich einfach in den Verlauf der Geschichte ein und runden sie gelungen ab. Denn die Gefühle für Maljen gehören genauso zu Alina wie ihre Gabe – vielleicht sogar mehr.
Am Hofe des Zarens muss Alina jedoch lernen, ohne Maljen zurecht zu kommen. Inmitten von Intrigen und der unüberwindlich scheinenden Aufgabe, ihre Kraft unter Kontrolle zu bringen, muss sie lernen, auf sich selbst zu vertrauen. Inmitten von Krieg, Intrigen und Kämpfen sind es, zumindest in diesem Buch, nicht Brutalität und Kraft, die den Sieg davon tragen, sondern Mitgefühl, Freundschaft und Liebe – auch wenn man während des Lesens manchmal nicht einmal wagt, darauf zu hoffen.
Eine Geschichte, die mitreißt, den Leser mitfühlen lässt und der dennoch nicht das Geringste an Spannung fehlt. Die Reisen durch den Schattenflur, Verfolgungsjagden und düstere Gestalten lassen weder Alina noch den Leser zu Ruhe kommen, selbst mit dem Ende des Buches nicht. Denn obwohl es definitiv ein Glückliches ist, sind nicht alle Fragen geklärt – und es bleibt eine dunkle Wolke am Horizont. Ich werde sie im Auge behalten – und sobald wie möglich wieder in Alinas Welt eintauchen. Vielleicht sogar noch mal mit “Grischa”, denn bis zum Erscheinen des Nachfolgebandes wird es wohl noch eine Weile dauern.