Reihe: Halo Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
ALS DIE MENSCHHEIT damit begann, neue Welten zu entdecken, fernab der Geborgenheit der Erde, hätte sie niemals mit den tödlichen Gefahren gerechnet, die im Weltall auf sie lauerten. Das Zusammentreffen mit einer aggressiven Allianz von Außerirdischen forderte Millionen Leben - aber wenigstens ebenso viele Helden wurden im Feuer dieses epischen Konfliktes geschmiedet und stellten sich dem übermächtigen Feind. In einem galaktischen Schlagabtausch dieses Ausmaßes ist es nur zu wahrscheinlich, dass die vielen Einzelschicksale von Mensch und Alien in Vergessenheit geraten, anstatt zu Legenden zu werden. Dieser Sammelband enthält elf Erzählungen aus den Tiefen des HALO-Universums.
(Quelle: Verlagstext)
Bislang waren meine Begegnungen mit Spielewelten eher von großer Skepsis geprägt, da die Umsetzungen von einem Computer- oder Konsolenspiel zu einer Comic- oder Romanfassung meist eine sehr eindimensionale Sache wird. Oftmals wird der Flair des Spieles kaum vermittelt, der begeisterte Spieler zieht sich entäuscht von den Merchandisingprodukten seiner Nachmittagsbeschäftigung zurück. Der unbedarfte Nicht-Spieler hingegen hat immer wieder große Schwierigkeiten zu erfassen, worum es in dieser Welt überhaupt geht. Charaktere werden als voll entwickelt und bekannt vorausgesetzt, eine Hintergrundgeschichte fehlt oder wird nur bruchstückhaft übermittelt.
Insofern runzelt der geneigte Rezensent die Stirn, wenn Panini Books mit der Post das mit Neugierde bestellte Rezensionsexemplar schickt und vor einem dann ein dicker Ziegelstein liegt. Welch ein Brocken, so denkt man sich. Und das stammt alles aus einer Spielewelt? Die vertretenen Autoren sprechen schon für sich, mit Eric Nylund oder Karen Traviss betritt man zumindest stilmäßig kein Neuland.
Folgende Kurzgeschichten enthält der Band:
Jonathan Goff - „Jenseits“
B. K. Evenson - „Der Ausgestoßene“
Eric Raab - „Nachtreten, wenn's knallt“
Frank O'Connor - „Mitternacht auf der Heart of Midlothian“
Tobias S. Buckell - „Dreck“
Jonathan Goff - „Acheron VII“
Jonathan Goff - „Kopfjäger“
Fred Van Lente - „Stumpfe Werkzeuge“
Jeff Vandermeer & Tessa Kum - „Die Mona Lisa“
Jonathan Goff - „Symbol"
Robt McLees - „Palasthotel"
Karen Traviss - „Menschliche Schwäche“
Jonathan Goff - „Verbundenheit“
Eric Nylund - „Das unmögliche Leben und der mögliche Tod des Preston J. Cole“
Wenn man sich dann - als oben erwähnter unbedarfter Leser - in die Anthologie wirft, werden einem zuerst zwei grundsätzliche Dinge klar: 1) Es geht ziemlich zur Sache und 2) Es stirbt sich schnell im Halo-Universum. Zumindest im ersten Drittel des Buches überlebt kaum ein Hauptcharakter seine Erzählung und anfreunden sollte man sich mit den verschiedensten Protagonisten das ganze Buch über definitiv nicht, das ist oftmals eine vergebliche Müh.
Worum geht es grundsätzlich? Die Kernwelten der Menschheit, darunter die Erde, befinden sich zu Beginn der Geschichte in einem immer größer werdendem Bürgerkrieg mit den äußeren Kolonien. Bis eines Tages die Menschheit zum ersten Mal mit einer außerirdischen Inzelligenz zusammentrifft - und diese Begegnung fatal endet. Die sogenannte Allianz, ein Zusammenschluss vieler verschiedener Völker, empfindet die Menschheit als Schandfleck in der Galaxis und zielt darauf ab, sie vom Antlitz der Gestirne zu tilgen. Da die Allianz der Menschheit sowohl zahlenmäßig als auch technologisch wesentlich überlegen ist, befindet sich Letztere recht bald auf dem Rückzug. Zwar werden viele neue Erfindungen unter dem Druck des Krieges gemacht - beispielsweise die Entwicklung von genetisch überzüchteten Menschen, sogenannten Spartanern, die als ultimative Krieger die Wende bringen sollten - aber kein Plan greift.
Mehr durch Zufall entdeckt die Menschheit mehrere Ringwelten, sogenannte Halos (daher der Name des Spieles und des entsprechenden Universums), auf der eine jahrmillionenalte Gefahr für das Leben in der Galaxis darauf wartet, wiedererweckt zu werden. Sowohl Allianz als auch die Menschheit streiten darum, sich diese Entdeckung zunutze zu machen.
Während in anderen Military-SF-Romanen, die ich gelesen habe, nur der Kampf im Vordergrund stand und möglichst der Sieg erreicht wird (die Star-Wars-Clone-Wars-Romane sind so ein Beispiel dafür), findet sich in den Halo-Kurzgeschichten etwas anderes Erstaunliches. Sehr breiten Raum nehmen nicht die kämpferischen Schilderungen ein, sondern ihre Aufarbeitung und ihre Reflektierung. Gelinde überrascht las ich sehr einfühlsame Charakterdarstellungen einsamer Krieger, geschlagener und traumatisierter Kämpfer und die verzweifelte Ohnmacht der Spartaner, wenn einmal mehr alles an der Allianz scheitert. Das hätte ich in diesem Ausmaß nicht von dieser Anthologie erwartet und ich bin sehr positiv überrascht worden. Ohne jetzt auf jede einzelne der Geschichten einzugehen, was zuviel Raum in Anspruch nehmen würde, kann man jedoch sagen, dass man sich nicht nur großartig unterhalten fühlt (wenn man grundsätzlich Military-SF mag, natürlich), sondern auch durchaus auf anregende und ansprechende Literatur trifft. Dank spannender Gestaltung kann sich der in der Halo-Spielewelt Unerfahrene langsam von einer der chronologisch angeordneten Kurzgeschichten zur nächsten den kompletten Hintergrund der Welt erarbeiten. Eine Hilfe hierbei ist auch der sekundärliterarische Teil im Buch, bei dem nochmals gesondert auf die Ereignisse und deren Auswirkungen eingegangen wird.
"Halo - Evolutionen" ist eine umfassend dicke Sammlung von spannenden und lesenswerten Kurzgeschichten aus dem Spieleuniversum Halo, deren Kauf sich definitiv lohnt.
Meine Bewertung: 7,5 von 10 Punkten
Halo - Evolutionen - die Rezension von Erik Schreiber