| Serie: Das verlorene Paradies, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Gabriel ist ein Engel! Anders als seinem berühmtem Erzengel-Namensvetter obliegt es ihm allerdings nicht, die Botschaft Gottes auf Erden zu verbreiten. Seine Aufgabe ist wesentlich profaner und gehört eher in die Abteilung himmlischer Wachschutz: Er muss eines der zahlreichen Tore hüten, die Licht und Dunkel, Himmel und Hölle miteinander verbinden.
Eines Tages wird er Zeuge, wie ein kleiner Junge, Julien, zufällig in das Reich der Dämonen stolpert. Flugs rettet er den Knirps, sieht bei dieser Aktion jedoch seine alte Liebe, Anya, hinter den Fenstern eines höllischen Zuges in die Domäne des Bösen entschwinden.
Als er Julien nach Hause bringen will, werden die beiden von dämonischen Hunden überfallen, die ihm und dem Kind seltsamerweise gefolgt sind.
Gabriel beschließt daraufhin, für den Kleinen in einem Refugium der Engel um Asyl und Schutz zu bitten. Zwar wird das dem Kind gewährt, aber als ein weiterer Engel Julien berühren will, glaubt der Junge, in dem geflügelten Wesen das Böse zu sehen, und flieht voller Panik durch ein Dimensionsportal in die Hölle.
Sofort macht sich Gabriel auf, Julien erneut zu retten; doch im Reich des Bösen ist selbst ein Engel auf Hilfe angewiesen.
Wiederum führt ihn der Zufall zu Anya, die ihm ihre Unterstützung zusagt. Doch Anya ist eine Dämonin und Verrat liegt ihr im Blut. Und auch Julien scheint weit mehr als ein einfacher, kleiner Junge zu sein..
Die Story des Autorengespanns Ange - ANne und GErard - lebt in diesem ersten Band der Reihe vor allem von der Einführung der Charaktere, dem Ausbreiten des Hintergrundes, dem Andeuten der Konfliktpotenziale und dem Aufwerfen einiger spannungsrelevanter Fragen - z. B. nach den Plänen der abtrünnigen Engel, der Bedeutung des Kindes sowie dessen Fähigkeiten oder der Belastbarkeit der Beziehung zwischen Dämonin und Himmelswesen. Da die Geschichte unterm Strich inhaltlich allerdings etwas dünn rüberkommt und sich (bisher) zudem nicht durch erfrischende Originalität auszeichnet, heißt es - wie bei der Pilotepisode einer vielteiligen TV-Show - die weitere Entwicklung abzuwarten, um das endgültige Urteil später zu fällen.
Das grafisch und farblich klare Artwork Varandas und Lyses liegt stilistisch näher an der "neueren" amerikanischen denn der franko-belgischen Tradition und überzeugt vor allem durch seine hochdynamischen Perspektiven, Blick- und Linienführungen. Anders als im "typischen" europäischen Comic scheint bei Varanda fast immer die Inszenierung der Figur in zum Teil überzeichnetem Posing im Mittelpunkt seines Interesses zu stehen; auf dass der coole Schein die magere Story kompensiere.
Fazit: erzählerisch und grafisch zwar nur gehobenes Mittelmaß, aber als leichtes Comic-Abenteuer für zwischendurch dennoch empfehlenswert.