Reihe: Die Wölfe aus Mercy Falls, Band 3 Eine Rezension von Damaris Metzger |
Inhalt/Verlagsinfo
Der Frühling kehrt zurück nach Mercy Falls und mit dem Winter streifen die Wölfe ihre Pelze ab. Sam, nun fest in seiner menschlichen Haut verankert, hat die vergangenen Monate nur auf diesen Moment gewartet: Grace' Rückkehr aus dem Wald.
Doch ihr Glück währt kurz. Als man ein Mädchen findet, das von Wölfen getötet wurde, verfällt Mercy Falls in Hysterie. Auf einer Treibjagd sollen die Wölfe ein für alle Mal ausgerottet werden. Nun ist es an Sam, sein Rudel – seine Familie – zu retten.
Zusammen mit Grace, Cole und Isabel fasst er einen verzweifelten Plan: Sie wollen die Wölfe umsiedeln, in ein Waldgebiet weit entfernt von menschlichen Siedlungen. Sam weiß, dass er dafür einen hohen Preis zahlen wird. Denn damit das Rudel ihm folgt, muss er seine menschliche Gestalt aufgeben. (Text- und Bildquelle: script5 Verlag)
Über die Autorin
Maggie Stiefvater, geboren 1981, hatte glücklicherweise immer Schwierigkeiten, ihren Hang zu Tagträumereien und Selbstgesprächen mit ihren Jobs zu vereinbaren. Anstatt also als Kellnerin, Kalligrafielehrerin oder technische Redakteurin zu arbeiten, versuchte sie es mit der Kunst. Heute lebt sie als erfolgreiche Musikerin, Malerin und Autorin in Virginia, ist verheiratet, hütet zwei kleine Kinder sowie zwei neurotische Hunde und hofiert eine verrückte Katze. "In deinen Augen" ist der letzte Band ihrer Bestseller-Trilogie um die Wölfe von Mercy Falls.
Rezension
Der erste Satz: Ich kann leise sein, so leise.
Sam wartet auf Grace. Als es Frühling wird, kann sich Grace endlich wieder in ein menschliches Mädchen verwandeln. Leider ist ihr Körper noch sehr instabil, und so ist Sams und Grace' Zeit sehr begrenzt. Mit dem Mord an einem Mädchen, wird die Situation der Wölfe von Mercy Falls immer auswegloser. Dieser Vorfall wird zu einer tickenden Zeitbombe, denn nun haben die Anti-Wolf-Aktivisten des Ortes einen Grund, eine gnadenlose Hetzjagd gegen die Wölfe zu organisieren. Mit dem Ziel, sie alle von einem Hubschrauber aus abzuschießen. Und ob der Plan, den Sam, Grace und ihre Freunde Cole und Isabel sich ausgedacht haben funktioniert, kann keiner der vier garantieren.
Gerade als Vielleser kommt man um so manchen Einheitsbrei nicht herum. Ausdruckslose Sprache, 08/15 Plots und ähnliche Handlungsmuster muss man hinnehmen, wenn man sich durch die Unendlichkeiten der Urban-Fantasy liest. Dann greift man zu "In deinen Augen", zugegeben, nicht ganz erwartungslos. Waren doch schon die beiden Vorgängerbände Musterbeispiele für Schreib- und Erzählkunst. Man liest also den ersten Satz. Die erste Seite. Und bevor man die Gänsehaut registriert und das kribbelige Lesegefühl, das sich tief im Magen einnistet, weiß man; DAS ist genau der Stil, der mich an die Wölfe von Mercy Falls-Reihe bindet und mich fasziniert. DAS ist pures Gefühl und DAS ist unaufdringliche, perfekte Schreibkunst. Maggie Stiefvater verwendet Bilder und Vergleiche, die keinen unberührt lassen, aber nie gekünstelt wirken. Immer echt, immer nah an den Charakteren.
Dieses Lesegefühl bleibt - das ganze Buch über. Nicht unerwähnt darf hier die meisterhafte Übersetzung bleiben. Die, und das soll hier einfach festgelegt werden, keine Schmälerung zur Originalsprache darstellt.
Dann schloss ich die Augen und packte meine Sorgen langsam in Kartons, eine nach der anderen, und klebte die Kartons zu. [...] Mit jedem Karton fühlte ich mich ein kleines bisschen leichter, konnte ein kleines bisschen freier atmen.
Das Einzige, was ich nicht übers Herz brachte dort hineinzupacken, war meine Traurigkeit darüber, dass Grace nicht bei mir war. Die behielt ich. Das durfte ich. Ich hatte sie mir verdient. - Sam, S. 90
Grace und Sam, das tragisch-melancholische Liebespaar, agieren auch hier stellenweise wieder wie die bekannten Königskinder, die zueinander nicht kommen konnten. Das ist traurig und geht zu Herzen. Gleichzeitig stehen sie aber auch für eine bedingungslose und unendliche Liebe, wie sie für jeden von uns erstrebenswert ist. Die pragmatische und rationale Grace, sowie der immer etwas traurig und melancholisch wirkende "Emo-Boy" Sam sind so zugänglich, dass man sie in allen Situationen versteht. Wenn Sam leidet, leidet man mit!
Diesem Paar stellt Stiefvater Cole und Isabel gegenüber. Beider nicht weniger tragisch, aber mit allerhand Wortwitz, Bissigkeit (nicht auf die Wölfe bezogen!) und Frust. Der gebrochene Rockstar Cole war kurz davor sich selbst aufzugeben, steht nach wie vor nah am Abgrund. Die Aufgabe, die er sich selbst gestellt hat, nämlich eine Lösung für das Wolfsvirus zu finden und Verantwortung für seine Freunde zu übernehmen, hält ihn über Wasser. Ein weiterer Antrieb für ihn ist Isabel. Die sarkastische Zicke, deren beißender Zynismus nur ein Schutz darstellt, und die im Grunde ihres Herzens felsenfest zu ihren Freunden hält.
Keiner der vier Hauptprotagonisten ist einfach, jeder hat seine speziellen Eigenheiten. Gerade darum mag man aber jeden der vier, ganz auf seine Weise. Den Fokus richtet die Autorin aber eindeutig auf Grace und Sam. Die Reihe beginnt und endet mit ihnen.
Denn was ich langsam an dieser Sache mit Sam und Grace zu begreifen begann - warum Sam ohne sie offenbar nicht funktionierte -, war, dass diese Art von Liebe nur möglich war, wenn man sich sicher sein konnte, dass beide Menschen immer füreinander das waren. Wenn ein Teil der Gleichung ging oder starb [...], dann wurde das Ganze zur tragischsten, armseligsten Geschichte der Welt, lächerlich in ihrer Absurdität. Ohne Grace war Sam nur ein Witz ohne Pointe. - Cole, S. 151
Der Autorin gelingt es in ihrem Abschlussband, dass man, wie bei den Vorgängern auch, nicht das Gefühl hat, einen Fantasyroman zu lesen. Zwar wird hier, neben dem sonst verwendeten Begriff "Wolf", auch noch der Ausdruck "Werwolf" gebraucht, die Darstellung der Fantasywesen entspricht aber komplett dem gängigen Bild eines echten Wolfs. Darum liest sich die Geschichte auch so natürlich, das phantastische Element fügt sich perfekt in die Erzählung ein.
Die Handlung hat keine Längen, wechselt ab zwischen Spannung, bedrückt-emotionalen und hoffnungsvollen Szenen. Gegen Ende steigen Spannung und Dramatik rapide an. Mit kurzen, einprägsamen Kapiteln wird der Leser durch die Handlung gehetzt. Ab hier kann man das Buch nicht mehr zur Seite legen. Viel zu schnell sind die 500 Seiten gelesen, somit das Ende der Trilogie erreicht. Hier könnten viele Leser überrascht sein und dürfen auch kein klassisches Happy-End erwarten. Denn wie heißt es so schön? Die Gedanken sind frei. Maggie Stiefvater beendet ihre Wölfe von Mercy Falls-Trilogie, so, wie sie sie angefangen hat: Perfekt!
Persönliches Fazit
"In deinen Augen" - ein melancholisches und gleichzeitig aufwühlendes Buch, das mich positiv frustriert zurücklässt. Frustriert, weil die Reihe jetzt abgeschlossen ist (und dabei jammern wir doch immer, dass es so viele Buchreihen gibt) und positiv, weil auch "In deinen Augen" mir ein wunderschönes, unvergleichliches Lesegefühl geschenkt hat. Sprache und Stil kann man gar nicht oft genug hervorheben, sie sind wirklich einzigartig gut im Young-Adult Genre. Die Geschichte über Grace & Sam und die Wölfe aus Mercy Falls ist tragisch schön und in ihrer Einzigartigkeit nahezu konkurrenzlos. 5 von 5 Sternen!