Reihe: - Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Ein riesiger Tsunami überschwemmt eine Inselgruppe und nur Mau, der sich auf dem Meer befand, um die Riten der Männlichkeit zu durchlaufen, überlebte als Einziger seines Stammes. Allerdings ist er nicht die einzige Menschenseele auf der Insel, denn das viktorianische Mädchen Daphne wurde mit dem Schiff, auf dem sie reiste, auf die Insel geschleudert. Auch sie konnte als Einzige diese Katastrophe überstehen. Zwei Welten prallen aufeinander, im Schmerz vereint, und nach anfänglichen Schwierigkeiten erkennt Daphne, dass Mau als Eingeborener kein Wilder, sondern jemand ist, der für beide Nahrung besorgen kann. Doch Mau muss ebenfalls erkennen, dass das Mädchen mit der bleichen Haut durchaus nicht den üblichen Klischees entspricht, die er über die weißhäutigen Menschen gehört hat, und es gelingt ihr, sehr zu ihrer eigenen Überraschung, Mau für die Wissenschaften zu begeistern. Doch beide wissen nicht, dass Daphnes Vater aufgrund einer entsetzlichen Seuche der rechtmäßige König des Vereinigten Königreichs geworden ist, und dies macht Daphne zu einer Prinzessin.
Dieser Roman von Terry Pratchett ist ungewöhnlich, weil er eben nicht durch Humor besticht (auch wenn laut Umschlag der englischen Ausgabe manche Leute das Buch als lustigstes bezeichnet haben, das sie je gelesen hatten). Es gibt durchaus die übliche Satire und die ironischen Vergleiche auf die menschlichen Verhältnisse (vielleicht sogar noch mehr als sonst), aber der offensichtliche Humor fehlt gänzlich. Er hätte auch nicht zu der recht ernsthaften Grundgeschichte gepasst. So wurde das Buch eher zu einer Parabel zwischen Ursprung und Fortschritt und am Ende findet Terry Pratchett sogar eine befriedigende Antwort. Mir fällt schwer, dieses Buch einzuordnen. Es wirkt so, als sei es als Jugendbuch konzipiert: Die Personen sind jugendlich, der Schreibstil ist drauf ausgerichtet und die Aufmachung mit Zeichnungen zu Beginn der Kapitel (zumindest in der Originalausgabe) tragen Weiteres zu dem Eindruck bei. Allerdings ist die Handlung mit dem hintergründigen Humor eher verschwendet an Heranwachsende, denen es am Wissen fehlt, um all die Anspielungen zu verstehen. Wie also soll man dieses Buch nun einordnen? Wohl als eines jener Jugendbücher, die primär für Erwachsene geschrieben wurden. Klingt irgendwie unsinnig, aber es ist nicht zu leugnen, dass es diesen Markt gibt. So also liest sich das Buch etwas leichter als ein normales Scheibenweltbuch, aber es unterhält dennoch und Fans von Terry Pratchett werden es sicherlich auch gerne lesen, denn an Stil und Umsetzung der Geschichte lässt sich nichts kritisieren. Der Roman sticht aus dem Schaffenswerk hervor, nicht weil es der erste wirkliche Nicht-Scheibenwelt-Roman seit Langem war, sondern weil Terry Pratchett wohl auch seine Alzheimer-Diagnose hierin verarbeitete. Die deutsche Übersetzung sorgte für einigen Streit, denn Übersetzer Bernhard Kempen überwarf sich so mit der Lektorin, die seine Übersetzungen nach seiner Aussage in so vielen Fällen verschlimmbessert hatte, dass er am Ende nicht bereit war, seinen Namen nennen zu lassen. Aus diesem Grunde wurde der fiktive Peder Brehnkmann genannt und vielleicht erklärt dies auch den unsinnigen Titel: Eine Insel. Das klingt nach einer gewollten Anspielung auf Jim Knopf. Doch wozu sich so weit vom Originaltitel entfernen? Leider kann ich die deutsche Fassung nicht bewerten, weil ich das Buch im Original gelesen habe. Pratchett lese ich seit Langem auf Englisch, aber bei diesem Buch wäre ich auf keinen Fall das Risiko einer schlechten Übersetzung eingegangen.
Fazit: ein ungewöhnliches Buch aus der Feder von Terry Pratchett, das aber durchaus gelungen ist und zu unterhalten versteht. Es ist vor allem den Lesern empfohlen, die Pratchetts hintergründigen, tiefsinnigen Humor besonders mögen. 7 von 10 Punkten.