Interview mit Fran(ziska) Henz

Das Interview führte Erik Schreiber
(weitere Artikel von Erik Schreiber auf fictionfantasy findet man hier)

Erik Schreiber:
Hallo Fran, vielen Dank, dass Du Dich für ein kurzes E-Mail-Interview zur Verfügung stellst. Grund meiner 'aufdringlichen' Fragen ist der weiter unten vorgestellte neue Roman Die Hexe und der General von dir. Die erste Frage ist natürlich, warum dieser Roman? Gibt es nicht schon genügend ähnliche Romane?

Fran Henz:
Zeitreiseromane gibt es sicherlich reichlich, ebenso wie es reichlich Krimis gibt ;-). Das Ungewöhnliche an der Geschichte ist vermutlich der Hintergrund China und die Prämisse. Greg/Tang stolpert nicht zufällig in die Vergangenheit, wie es in Zeitreiseromanen meistens passiert, sondern hat einen guten Grund zurückzugehen - er will seinen Mörder finden. Dafür setzt er die Technik des 21. Jahrhunderts ein, aber erst durch Tina kann er diese Technik aktivieren.

Erik Schreiber:
Warum gerade der chinesische Hintergrund und die chinesische Kultur? Was verbindet Dich damit?

Fran Henz:
Zu China habe ich seit langen Jahren eine große Affinität. Und diese Liebe wollte ich mit anderen Menschen teilen, darum habe ich den Roman dort angesetzt und meine Kenntnisse verarbeitet. Vielleicht stecke ich ja noch jemanden mit diesem Virus an ;-). Ich beschäftige mich übrigens nicht nur mit der Geschichte des Landes, sondern habe auch ein paar Jahre lang die Sprache gelernt (mit eher bescheidenem Erfolg) und war mehrmals vor Ort.

Erik Schreiber:
Was interessiert Dich persönlich an diesem Land?

Fran Henz:
Alles. Schwerpunktmäßig vielleicht die Philosophie, die tausenden Jahre an Tradition, die bis in die Gegenwart nachwirken; das für Europäer so fremde Denken und die sich daraus ergebenden Reibungspunkte zwischen den Kulturen - westliche Geschäftsleute, die in China/Asien erfolgreich sein wollen, absolvieren Kurse, um mit dem Verhalten und Reaktionen ihrer Gesprächspartner umgehen zu können. In der Geschichte des Landes beschäftige ich mich mit dem 17. Jahrhundert, weil es eine Phase des Umbruchs war, und das ist immer spannend. Die alte Herrscherklasse der Ming hatte mit den Mandschu ungefähr so viel gemeinsam wie Paris Hilton mit Alice Schwarzer.

Erik Schreiber:
Tina ist das übliche hässliche Entlein, das in der Vergangenheit als stolzer, schöner Schwan erwacht. General Tang hingegen wird aus dem smarten Greg zu einem eher grobschlächtigen Mann. Hätte Tina nicht einfach eine übergewichtige Chinesin sein können?

Fran Henz:
Tina ist mit sich selbst unzufrieden, das ist ein subjektiver Eindruck, den sie mit den meisten von uns teilt, wenn wir morgens in den Spiegel schauen, und der von ihrer "Freundin" Alexa aus egoistischen Motiven verstärkt wird. Für Greg/Tang ist sie in keiner Minute der Geschichte ein hässliches Entlein.
In der Vergangenheit muss sich Tina zum ersten Mal anstrengen, um mit Magie etwas zu vollbringen - sie sagt ja auch an einer Stelle: "Wenn einen die U-Bahn überall hinbringt, muss man sich nicht mit Teleportation beschäftigen." Der zunehmende Erfolg, den sie dabei hat, stärkt ihr Selbstbewusstsein und hilft ihr bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Was letztlich darin gipfelt, dass sie sich von Alexa freischwimmt.
In der Vergangenheit sieht sie so aus, wie sie immer geträumt hat auszusehen. Das ist für sie überhaupt erst der Auslöser, Tang auf seiner Suche zu begleiten. Im Laufe der Geschichte findet sie ja u. a. die langen Haare, die sie immer haben wollte, hinderlich. Ein kleiner Hinweis, dass Wünsche eine Sache sind, die Realität aber eine andere.

Erik Schreiber:
Ist das jetzt nicht ein Widerspruch? Jetzt sieht sie so aus, wie sie es sich gewünscht hat? Geht hier doch ein eigener Wunsch in Erfüllung?

Fran Henz:
(lacht) du meinst, ob ich gerne lange Haar hätte und wie Madame Butterfly aussehen würde? Nein, ich hab relativ erdige Wünsche (zum Beispiel eine Fußbodenheizung im Badezimmer), die mit dem Aussehen nix zu tun haben. Der Punkt bei Tina ist eben, dass sie mit nichts in ihrem Leben zufrieden ist, das Aussehen ist da nur ein weiteres Symptom. Auch das ändert sich im Lauf des Romans, weil es ihr wichtig wird, was Tang sieht: Madame Butterfly oder Tina.

Erik Schreiber:
Wenn die beiden in der Vergangenheit unterwegs sind, lösen sie ein Zeitparadoxon aus, aber sie bedenken weder ihre Handlung vorher noch hat es irgendwelche Konsequenzen. Wie Du in der Besprechung richtig anmerkst, bleibt es beim Nach-Denken. Eine sichtbare Auswirkung hat es aber keine und die Handlung wird trotzdem durchgeführt.

Fran Henz:
Du gibst die Antwort schon selber. Es hat keine sichtbare Auswirkung *auf diese Geschichte*. Über etwas, das nicht passiert, kann man schwer schreiben ;-). Dass sich Tang und Tina der Möglichkeit eines Zeitparadoxons bewusst sind wird ja deutlich.

Erik Schreiber:
In der Gegenwart wird Tina zwar als moderne Hexe, aber doch mit eingeschränkten Kräften beschrieben, doch kurz bevor es in die Vergangenheit geht und gleich zu Anfang dort, ist sie plötzlich ziemlich mächtig. Sie kann zwar nichts für sich tun, aber sobald sich jemand etwas für sie wünscht, erscheint dies auch. Sie hätte letztlich nur jemanden finden müssen, der sich wünscht, Tina wäre wieder zu Hause. Dann wäre der Roman allerdings vorzeitig beendet.

Fran Henz:
(lacht) vermutlich wäre er das. Aber in der sozialen Isolation, in der Tina lebt und die ich auch geschildert habe, wer hätte sich denn für sie wünschen sollen zurückzugehen? Alexa, die sich nur für sich selbst und ihren Erfolg interessiert? Phil, der sich nur für Alexa interessiert? Bai, der ganz spezielle Pläne mit ihr hat? Tang, der besessen davon ist, seinen Mörder zu finden? Tinas Macht wächst erst im Verlauf der Geschichte. Zu Beginn gehen ja die meisten Dinge schief, von großer Macht kann da keine Rede sein.

Erik Schreiber:
Was will die Figur Tina, und was hattest du eigentlich für sie vorgesehen? Ich meine einen Bruch gelesen zu haben, als Tina sich plötzlich für den General entscheidet. War hier eine andere Richtung geplant?

Fran Henz:
Nein. Es geht im Prinzip darum, was liebt man an einem Menschen? Die Verpackung, den Charakter, das Wesen? Eine schwierige Antwort, weil es natürlich immer das Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist. Einer meiner Lieblingsfilme ist übrigens "The Crying Game", der dieses Thema auch behandelt.

Erik Schreiber:
Tina gibt zum Schluss eigentlich alles auf, um dem General zu folgen. Findest du das richtig? Schließlich ist sie eine moderne Frau, die sich nicht gern einem Mann unterordnet.

Fran Henz:
Im Grunde geben Frauen immer, oft auch gegen besseres Wissen. Das Fiktionale hier ist, dass Tina letztendlich fürs Geben belohnt wird. Das ist in der Wirklichkeit leider nicht der Fall, wie die Scheidungszahlen und ansteigenden Singlehaushalte zeigen. Aber ich wollte, dass meine Leser den Roman mit einem guten Gefühl zuschlagen können, die Realität ist ja hart genug ...
Mit Unterordnen hat die Situation meiner Meinung nach nichts zu tun. Tina ist sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst und entscheidet sich trotzdem für diesen Weg, ohne damit zu rechnen, jemals etwas dafür zu bekommen. Das ist keine Schwäche, sondern verlangt Stärke.

Erik Schreiber:
Welche Bedeutung hat Literatur für dich?

Fran Henz:
Ich könnte mir ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen. Ebenso, wie ich täglich schreibe. Ob es Literatur genannt werden kann ... ich sehe mich eher in der Tradition der Geschichtenerzähler am Lagerfeuer, ich möchte Menschen unterhalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Erik Schreiber:
Gibt es noch etwas, was Du gerne schreiben würdest, aber noch nicht gemacht hast?

Fran Henz:
Ich bewundere alle Liedermacher und Chansoniers deutscher Zunge unendlich, weil ich weiß, wie schwierig es ist, in unserer Sprache griffige Texte zu formulieren. Das sind für mich die wahren Poeten, die Troubadours des 21. Jahrhunderts. In ein paar Minuten erzählen sie das, wofür ich unzählige Seiten bemühen muss. Aber da ich weiß, was ich nicht kann, wird es von mir keine Songtexte geben ... obwohl ... vielleicht ... *grübel*

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