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Titel: Joran Nordwind
Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Bei dem Cover von “Joran Nordwin” hat man den Eindruck, aus einer Höhle heraus auf einen von Licht erhellten See hinab zu blicken. Ein Bild, das von Blautönen domniert wird, wären da nicht die bunten Schmetterlinge, die aus der unteren linken Ecke des Covers auf den See zufliegen. Eine Szene, die durchaus aus dem Buch stammen könnte, auch wenn ich sie mir ganz anders vorgestellt hätte. Insgesamt also durchaus passend und auch recht hübsch anzusehen.
Joran sind nur wenige Tage als Schmetterling und nur ein kurzer Blick auf die Schmetterlingsmädchen vergönnt, ehe er von einer Gruppe Dolchwespen ins Steinerne Reich verschleppt und als Sklave verkauft wird. Als Brosche der Käferkönigin soll er nun stumm sein restliches Dasein fristen. Aber Joran ist weder stumm noch weiß er, wann er seine Klappe zu halten hat – und eh’ er sich versieht, befindet er sich inmitten umstürzlicherischer Käferaktivitäten.
Ich bin eigentlich kein großer Fan von Tierfantasy, aber Joran Nordwind hat mir gefallen. Der kleine Falter mit der großen Klappe hat sich schnell in mein Herz geschlichen – und die Tatsache, dass es sich bei den Akteuren und Käfer, Falter und andere Krabbeltiere handelte, war schon nach wenigen Seiten absolut nebensächlich, auch wenn es einige Szenen gibt, die eben so nur mit dieser Art von Tieren denkbar ist: Eine Verfolgungsjagd von Schmetterlingen und Wespen, die akrobatischen Luftkünste der Schmetterlinge und die nassen und feuchten Käferhöhlen.
Die Struktur des steinernen Reichs könnte zu jedem Regime passen. Ein machtgieriger König, der sein Volk mit Zuckerbrot (die Droge Offa) und Peitsche (Geheimpolizei, Gefängnis und Tod) unter Kontrolle hält. Der Gedanke von Umsturz ist da nicht abwegig, auch wenn der Anführer der Umstürzer, der “Schreckliche Verbrecher”, mittlerweile in den Tiefen der steinernen Reiches festgesetzt ist. Wer alles an den umstürzlerisches Aktivitäten beteiligt ist, erfährt man erst nach und nach – auch wenn der ältere Leser sich vermutlich deutlich eher als Joran dazu seinen Gedanken macht – allzu schwer ist der Blumencode der Rebellen letztendlich nicht zu knacken.
Trotz des ernsten und sehr übertragbaren Hintergrundes ist die Geschichte sehr locker und leicht geschrieben. Der Blauflügel Joran und seine große Klappe, die ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringt, hat mir des öfteren ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Und auch im steinernen Reich wird nicht nur Trübsal geblasen – selbst unter den Schmetterlingssklaven gibt es welche, die ihre Fröhlichkeit und Unbeschwertheit nicht verloren haben. Selbst die Sklaverei der Falter wird deutlich beschönigt beschrieben – die Aufgaben als “Brosche der Königin”, “Zofe” oder “Hofnarr” klingen nicht übermäßig schlimm. Letztendlich richtet sich “Joran Nordwind” an jüngere Leser und die werden durch Lilli Thals Roman sicherlich keine Alpträume bekommen.
Man könnte “Joran Nordwind” fast schon eine moderne Fabel nennen. Durch Joran Nordwinds Augen erzählt die Autorin von Recht und Unrecht und vom Kampf für die Freiheit, ohne im geringsten belehrend zu wirken. Und auch wenn die Geschichte für jüngere Leser gedacht ist, kann man als Erwachsener ebenfalls seine Freude an dem Buch haben.