Titel: Kinder des Judas Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
13. Oktober 2007, 22. Buchmessecon, Deutschland, Hessen, Dreieich
Markus Heitz erscheint zur Preisverleihung des Deutschen Phantastik Preises in Dreieich. Während der Verleihung des Publikumspreises und damit wichtigsten Phantastik-Preises in Deutschland, sahnt der Autor in drei Kategorien ab. Beste Internet-Seite, beste Serie und bester Roman. Zu diesem Zeitpunkt, da ich auf der Bühne stand und ihm den Preis für die beste Serie überreichen durfte, wusste ich noch nicht, dass ich das vorliegende Buch lesen werde. Ich unterhielt mich nur wenig mit Markus. Leider. So kam das Buch Kinder des Judas nur peripher zur Sprache.
20. November 2007, Deutschland, Sachsen, Leipzig, 23:59 Uhr: Der Roman beginnt von heute an in knapp einem Monat. Ich lese ihn trotzdem, 20. Oktober 2007, Deutschland, Hessen, Metropole Bickenbach, 21:20 Uhr. Die Buchbesprechung folgt ein paar Tage später.
Dies ist das Leben der Theresa Sarkowitz. Die gute Seele des Leipziger Krankenhauses ist Sterbebegleiterin, nur nennt sie es selbst anders. Für sie ist es die Melodie des Lebens, die verklingt. Theresa ist in ihrer Funktion ein lebensbejahender Mensch, die die Sterbenden nicht allein lässt. Sie hat letztlich jahrhundertelange Erfahrung. Theresa wird allgemein als ein Engel angesehen. Der friedliche Eindruck der am Bett sitzenden Sia täuscht. Das sterbende Mädchen Thea gibt den Ausschlag und Theresa schreibt ihr Leben nieder. Die ganze lange Zeit seit dem Jahr 1670. Um genauer zu sein, am 4. April in der Nähe von Belgrad. Zeitlich wie räumlich ist dies der Anfang einer langen Geschichte.
Das achtjährige Mädchen Skylla gerät in den Mittelpunkt der Ereignisse des Jahres 1670. Das heute als Serbien bekannte Land wurde von den Osmanen besetzt und Skylla von ihnen gejagt. Die türkischen Janitscharen verfolgen sie nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch deswegen, weil ihre Mutter in ihrem Haus einen Rebellen verbarg. Das Mädchen, verzweifelt auf der Flucht, setzt Kräfte frei, von denen sie gar nicht wusste, dass sie diese beherrschen kann. Sie setzt die Naturkräfte ein, um sich die Verfolger vom Hals zu schaffen. Nach einer erfolgreichen Flucht geht sie bei ihrem Vater, einem reichen Adligen, in die Lehre. Sie lernt alles über den Mensch und die Natur und gehört zu einer der ersten Frauen, die Leichen sezieren, um sich über deren Innenleben zu informieren. Sie lernt bei ihrem Vater aber auch Menschen kennen, die zur Gruppe Cognatio gehören. Die Mitglieder der Vereinigung suchen seit langem ein Mittel, um den Alterungsprozess beim Menschen aufhalten zu können. Eine Aufnahme in den erlauchten Kreis der Cognatio scheitert an deren Eigeninteressen, die die junge Frau nicht nur für zu hübsch, sondern auch für zu ehrgeizig halten. Das hindert Skylla aber nicht daran, weiter zu forschen. Langsam dringt sie in die tieferen Geheimnisse ihres Vaters vor. Bald erfährt sie von Geheimnissen, die ihr gar nicht so behagen, denn plötzlich sieht sie sich der Existenz von Vampiren, Dämonen und Gestaltwandlern gegenüber. Gemeinsam mit ihrem Vater geht sie auf Jagd nach Nachtschatten, die die Menschheit in der Umgebung des heimatlichen Schlosses heimsuchen. Allerdings erkennt Skylla zu ihrem Entsetzen, dass auch die Mitglieder von Cognatio von Dämonen besessen sind. Die Kinder des Judas, daher der Titel des Buches, verändern sich mit der Zeit und nach ihrem Tod. Zuerst werden sie zu Vampiren, doch nach ihrem zweiten Tod, werden ihre Seelen geholt und in der Hölle gemartert. Daher ist die Cognatio daran interessiert, ein Mittel für die Unsterblichkeit zu finden. Die Hölle erscheint nicht einladend genug.
Es ist klar, dass Skylla das Mittel findet und selbst als Judaskind überlebt. Ihre einstigen Gefährten, die anderen Judaskinder werden fast alle vernichtet. Fast.
Es ist an der Zeit, endlich die anglo-amerikanische Überlegenheit innerhalb der phantastischen Literatur abzuschütteln. Schlecht übersetzte und mit falschen Titeln versehene Romane benötige ich nicht mehr. Inzwischen gibt es genügend deutsche Autoren, die auch endlich in Deutschland veröffentlicht werden. Markus Heitz ist einer der Autoren, von denen ich nur selten, aber nie ganz, enttäuscht werde. Auch er hat seine Schwächen. Aber die Schwächen muss man ihm nicht vorhalten. Wenn er beschreibt, woran sein Herzblut klebt, ist er intensiv, direkt, offen. Andere Figuren in seinen Romanen geraten dann etwas zu einfach beschrieben. Ihnen fehlt die Charakterisierung der Hauptpersonen. Manchmal erscheint mir im vorliegenden Buch seine Beschreibung von Sia und ihrer Einsamkeit etwas stark aufgetragen, dann wiederum falle ich in seinen Roman und habe Mühe, mich davon zu lösen. Markus schreibt aber auch eindringlich über den Tod eines kleinen Mädchens. Er zeigt auf, gewollt oder ungewollt, die Ohnmacht der Europäer, mit dem Tod umzugehen. Zeitlebens wird er übergangen, und erst, wenn man selbst betroffen wird, zeigt sich die Ohnmacht und die Unfähigkeit, mit ihm umzugehen. Ohne jetzt zu viel Lob zu verteilen, ist Markus Heitz einer der fähigsten deutschen Autoren, der in der Lage ist, innerhalb der Phantastik seinen Stil zu behalten, die Art zu schreiben zu wechseln und mit neuen Ideen zu punkten.