Serie / Zyklus: ~ Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Im letzten Jahr erschien, mit Die Falter und Der Weber, der erst 2000 erschienene Roman Perdido Street Station ebenfalls bei Bastei-Lübbe aufgeteilt auf zwei Taschenbücher. Für diesen Roman erntete China Miéville reichlich Lob und gewann den Arthur C. Clarke-Award. Dem mittlerweile im SF- und Fantasy-Bereich sehr rührigen Lübbe-Verlag ist es zu verdanken, dass dieser Autor hierzulande eine Chance erhalten hat. Nachvollziehbar ist, dass zuerst der preisgekrönte Roman dem hiesigen Leser präsentiert wird. Schließlich ist es einfacher einen neuen Autor zu verkaufen, wenn dieser einen der bekannteren, amerikanischen SF-Preise gewonnen und durchweg gute Kritiken erhalten hat. Mit König Ratte wurde nun Miévilles Debütroman nachgeschoben.
Die Handlung ist in London unserer Gegenwart angesiedelt. Der junge Saul Garamond kehrt zu Beginn des Romans nach einem etwas längerem Ausflug spät nachts in die Wohnung seines Vaters zurück. Das Verhältnis zwischen den beiden ist in letzter Zeit nicht besonders gut gewesen. So verwundert es einem auch nicht, dass die Polizei Saul für den Mörder seines Vaters hält, der durch einen Sturz aus dem Wohnungsfenster, welches im sechsten Stock liegt, ums Leben gekommen ist. Saul, der seine Unschuld beteuert, wird als Hauptverdächtiger festgenommen und zu Verhören eingesperrt.
Hier trifft er auf King Rat, welcher ihm die Möglichkeit eröffnet zu fliehen und ihm mit einer unglaublichen Story konfrontiert. Bei Pauls Mutter, die bei der Geburt starb, handelte es sich um King Rats Schwester. King Rat selbst ist, wie es der Name schon sagt, der König der Ratten. Ein Wesen, welches im Verborgenen lebt. In einer Welt, zu denen die Menschen keinen Zutritt haben, die aber neben deren existiert. King Rat und seine Untertanen die Ratten Londons ernähren sich von den Abfällen der Menschen und fristen ein Dasein innerhalb der Kanalisation und der Kellergewölbe.
Saul, der völlig geplättet ist von den Eröffnungen seines Oheims, entdeckt nach und nach sein Rattenerbe. Allerdings gleitet er nicht nur immer mehr in die Welt seines vermeintlichen Oheims ab, sondern bekommt auch nach und nach heraus, dass King Rat ihm nicht ganz die Wahrheit gesagt hat. Vielmehr versucht dieser ihn zu manipulieren, um ihn zu einem willfährigen Werkzeug im Kampf gegen King Rats erbittertsten Gegner zu machen. Bei diesem Gegner handelt es sich um keinen geringeren als den Rattenfänger von Hameln, der vor Jahrhunderten King Rat und seinen Ratten eine vernichtende Niederlage gebracht hatte. Eine Niederlage, die sich so tief ins kollektive Rattenbewusstsein eingewoben hat, dass King Rat seit diesem Tag seine Gefolgschaft verloren hat. Er ist ein König ohne Untertanen, was er mit Sauls Hilfe endlich ändern möchte.
Saul findet sich sehr bald zwischen den Fronten wieder, denn auch der Rattenfänger ist in London und wird zur tödlichen Gefahr für ihn, seinem vermeintlichen Oheim und seinen Freunden.
China Miéville bietet seinen Lesern eine Mischung aus Fantasy, Horror, Gegenwarts-, Historien- und Subkulturroman. Obwohl dieser Roman innerhalb der SF-Reihe erschienen ist, finden sich SF-Elemente nun rein gar nicht. Zu Beginn könnte man dieses Werk noch für einen Krimi halten, aber sehr schnell wird dem Leser klar, dass er hier einen Roman gekauft hat, der viele Elemente miteinander vereint. Auffällig ist vor allem, dass sich Miéville sehr detailliert der Subkultur der Jungle-Musik widmet. Diese ist im Hintergrund der Handlung immer präsent und nimmt zum Ende hin eine beherrschende Rolle ein. Nun kann ich nicht sagen, ob der Autor hier persönliche Vorlieben oder Kenntnisse verarbeitet. Auf alle Fälle hinterließ er bei mir den Eindruck, dass er von dieser Musikrichtung fasziniert ist. Diese Subkultur und ihre Angehörigen stellen ein wichtiges Element des Romans dar.
Hierzu passt Sauls und seiner Freunde Einstellung gegenüber der Polizei und dem Establishment. Über weite Strecken liest sich König Ratte wie ein Subkultur-Roman, in dem der Autor seinen Lesern eine für diese völlig fremde Welt schildert. Eine Welt, zu der die Erwachsenen keinen Draht haben und die geprägt ist von Veränderungen. Stillstand bedeutet Langeweile und Uncoolsein. Die Welt der DJ's stellt das einzig wahre Leben dar.
Da ich persönlich mit dieser Musikrichtung wenig anzufangen weiß, konnten mich die Passagen, die sich um Jungle drehten, wenig begeistern. Hinzu kommt, dass der Autor die Vater-Sohn-Beziehung zu weit in den Vordergrund stellt. Fast wird dadurch der Fortgang der Handlung blockiert und man möchte den Roman genervt zur Seite legen. Aber Miéville bekommt noch so gerade die Kurve und beendet den Roman mit einem rasanten Abgang.
Insgesamt gesehen hat mir Perdido Street Station weitaus besser gefallen. Ansätze von Miévilles Können finden sich aber bereits in seinem Debütroman, so dass er als Ergänzung zu seinem reiferen SF-Werk durchaus lesenswert ist. Zumal der Leser so an der schriftstellerischen Entwicklung des Autors teilnimmt.