Titel: Labyrinth der Spiegel (2009) Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Leonid lebt in St. Petersburg und ist einer der besten Hacker der Welt. Seit - eher durch einen Zufall - eine viruelle Welt mit Namen “Die Tiefe” entstanden ist, ist er einer der wenigen Menschen, die diese Umgebung wirklich beherrschen. Als sogenannter Diver kann er sich unabhängig im virtuellen Raum bewegen und so seine absolute Anonymität wahren. Menschen können zwar ihr Äußeres verändern, aber ihre IP-Adresse verrät, wer sie sind. Diver sind Legenden im virtuellen Raum, und als Leonid für einen Auftraggeber einen illegalen Auftrag erledigt, erhält er ein Angebot für einen Job mit fürstlicher Belohnung: In einer virtuellen Kampfarena, das Labyrinth genannt, steckt ein User in einem Level fest und alle Versuche, diesen zu befreien, sind bislang gescheitert. Die Zeit läuft den Verantwortlichen davon, denn der Körper wird in der Wirklichkeit nicht versorgt und zu lange Online-Zeiten stellen eine Bedrohung für das Leben dar. Nun soll es Leonid richten, doch schon bald stellt er fest, dass an dem User etwas nicht stimmt. Der User ist schon zu lange online und allmählich müsste die geistige Erschöpfung erkennbar werden. Mehr noch: Der User wirkt entrückt und verwirrt. Ist diese gestrandete Existenz am Ende gar kein Mensch?
Labyrinth der Spiegel ist ziemlich genau ein 50:50-Mischung aus Gibsons Neuromancer und Williams' Otherland. Doch Sergej Lukianenko bietet keine oberflächliche Unterhaltung, sondern eine durchaus vielschichtige Geschichte, die zu überzeugen versteht, und das lässt den Leser über eine gewisse fehlende Originalität hinwegsehen. Leonid ist ein gelungener Protagonist mit vielen Ecken und Kanten und der Autor lässt ihn überzeugend die Geschichte reflektieren. Das Fehlen weiterer Handlungsebenen stört kein bisschen und der Spannungsbogen bleibt stets im Fokus, so dass nie Langweile oder Eintönigkeit sich ausbreitet. Aber von einem routinierten Autor wie Sergej Lukianeko hätte man auch nichts anderes erwartet und auch dieses Mal enttäuscht er seinen Leser nicht, im Gegenteil: Man merkt, dass dies nun ein sehr neuer Roman ist (nach Weltengänger und Sternenspiel) und man sieht auch, dass sich die Fähigkeiten des Autors besonders durch die Wächter-Reihe deutlich verbessert haben.
Ein interessanter Auftakt zu einer Reihe, der Lust auf mehr macht: Fachlich und inhaltlich versteht es der Autor zu überzeugen und er bestätigt wieder einmal seine Führungsrolle in der russischen Phantastik.
8 von 10 Punkten.