Titel: Lovecraft - Horror Stories Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Inhalt:
Titel
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Jahr
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Erst-Veröffentlichung
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Übersetzer
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Welchem Buch entnommen?
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Vorwort von Wolfgang Hohlbein
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2008 |
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Cthulhus Ruf
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1928 |
Weird Tales
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H. C. Artmann
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Cthulhu Geistergeschichten
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Der Fall Charles Dexter Ward
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1928 |
Weird Tales
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Rudolf Hermstein
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Der Fall Charles Dexter Ward
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Die Farbe aus dem All
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1927 |
Amazing Stories
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Rudolf Hermstein
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Das Ding auf der Schwelle
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Berge des Wahnsinns
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1936 |
Astounding Stories
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Rudolf Hermstein
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Berge des Wahnsinns
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Stadt ohne Namen
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1938 |
Weird Tales
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Gräfin v Klinckowstroem
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Stadt ohne Namen
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Die Ratten im Gemäuer
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1924 |
Weird Tales
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H. C. Artmann
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Cthulhu Geistergeschichten
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Schatten über Innsmouth
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1936 |
The Shadow Over Innsmouth
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Rudolf Hermstein
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Der Fall Charles Dexter Ward
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Die Musik des Erich Zann
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1925 |
Weird Tales
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H. C. Artmann
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Cthulhu Geistergeschichten
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Cthulhus Ruf (The Call Of Cthulhu)
Obwohl viele von Lovecrafts Stories einfach nur Horror-Stories sind, ist er doch bekannt für seine Geschichten über die Großen Alten, den grausamen Göttern, welche vor unvorstellbarer Zeit von den Sternen kamen, um die Erde zu beherrschen. Jetzt liegen sie tot und träumen in der Vergessenheit und warten darauf, wieder aufzuerstehen. Benannt wurde dieser Mythos nach Cthulhu. Deshalb ist es nahezu unumgänglich, eine solche Zusammenstellung seines Schaffens mit Cthulhus Ruf zu beginnen.
Ein Polizist sucht eine Versammlung von Gelehrten Altertumsforscher auf, nachdem er in den Sümpfen Louisianas ein abscheuliches Ritual von Teufelsanbetern sprengte und eine seltsame Figur beschlagnahmte. Die Herren Professoren stellen eine Verbindung her zu degenerierten Eskimos, welche in den Schneewüsten Grönlands ebenfalls ähnlichen Göttern huldigen und zu den Träumen sensibler Künstler, de begannen, als sich eine Insel aus dem Meer erhob, die unvorstellbar fremdartige Ruinen ans Tageslicht bringt ... das berüchtigte R'lyeh, in der der schlafende Cthulhu liegt/lügt.
Hier kommt erstmals der viel zitierte Satz vor: Ph'nglui mglw'nafh Cthulhu R'lyeh wgah'nagl fhtagn, (In seinem Haus zu R'lyeh wartet der tote Cthulhu träumend).
Der Fall Charles Dexter Ward (The Case Of Charles Dexter Ward)
Weil sein Kindermädchen mit Charles gerne durch die alten Vierteln seiner Heimatstadt Providence spaziert ist interessiert sich der junge Mann später sehr für die Vergangenheit. Er forscht dabei auch nachs einen Wurzeln und stößt auf einen Vorfahr namens Joseph Curwen. Die Recherchen erweisen sich als äußerst schwierig, weil man offensichtlich versucht hat, sämtliche Spuren seines Lebens zu löschen. Das ist nicht gänzlich gelungen, und aus verstreuten Hinweisen wird klar, dass der Ahne des Forschers einen schlechten Ruf genoss. Er entstammte der berüchtigten Stadt Salem, und er alterte kaum. Er hantierte mit seltsamen Chemikalien, verbrauchte Unmassen an Fleisch. Seinen Häusern entströmte bisweilen ein widerlicher Gestank, und obwohl sie weit abgelegen lagen hörte man weithin laute Schreie.
Lovecrafts Stil sind die Andeutungen, aber hier wird sehr schnell klar, dass Joseph Curwen ein Hexer war! Ebenfalls ganz Lovecraft ist, dass die Beschäftigung mit derart verruchten Themen sich ungesund auf den menschlichen Geist auswirkt. Charles wird sein Ende in einer Nervenheilanstalt finden, und die Ärzte beraten nun darüber, ab wann die Krankheit sich seines Geistes bemächtigt.
Doktor Marinus Bicknell Willet, der Hausarzt der Familie hat da so seine eigene Vorstellung, aber er ist auch tiefer in den Fall verwickelt, als er dies jemals zugeben würde ...
Curwen konnte aus Salzen einen Toten wiederauferstehen lassen – und nachdem Charles seine Aufzeichnungen fand, konnte er es offensichtlich auch. Seine Prämisse ging dahin, dass er seinen Vorfahren erst dann verstehen könne, wenn er dessen Magie begreifen würde. Dabei beachtete er nicht die Warnung, nie etwas zu rufen, dass er nicht wieder zu bannen vermochte ...
Ich halte Der Fall Charles Dexter Ward für eine der besten Lovecraft-Geschichten überhaupt, wobei für mich der Reiz darin liegt, bereits zu wissen (okay, zu erahnen), was der Autor nur andeutet.
Außerdem mag ich Hexen-Geschichten. Es ist faszinierend, wie eine aufgeschlossene Gesellschaft mit Geschehnissen konfrontier wird, die sie irgendwann einmal nicht mehr ignorieren kann und die sie zum Handeln zwingt.
Die Farbe aus dem All (The Colour Out Of Space)
Ein Landvermessers überprüft er ein Heidegebiet westlich von Arkham, das geflutet werden soll, um als neues Wasserreservoir für die Stadt zu dienen. Dabei stößt er auf ein verlassenes Bauerngehöft, das über alle Maßen seltsam und abstoßend ist.
Von einem alten Einsiedler erfährt er mehr über die verfluchte Heide. Ein Meteorit sei dort hinab gestürzt. Der Meteorit war aus einem auf der Erde unbekannten Element, und in seinem Inneren befand sich eine Kugel mit einem vollkommen fremden Farbspektrum.
Tiere und Pflanzen begannen zu mutieren. Sie nahmen die außerirdische Farbe an und wurden letztendlich grau und spröde, und zerfielen dann zu Staub.
Auch die Tiere wurden grau und zerfielen, ihr Fleisch wurde ungenießbar.
Es schien, als bildete der Brunnen der Farm den Mittelpunkt der Seuche, und trotzdem tranken die Menschen weiterhin davon.
Der Einsiedler erzählt dem Landvermesser auch, dass sich das graue Gebiet jährlich etwa einen Zoll ausbreitet. Der Landvermesser hält es nun für keine gute Idee mehr das neue Wasserreservoir hier zu bauen...
Die Bedrohung aus dem All, das kosmische Grauen war schon immer ein Thema für Lovecraft gewesen. In den SF/Horrorfilmen der 50er Jahre nahm sich die Regierung / das Militär der Sache an, aber bei Lovecraft steht ein einfacher Mensch einer übermächtigen Bedrohung gegenüber. Die Bewohner der Farm fallen dem Wahnsinn anheim, bevor sie sterben. Wie sollen sie auch gegen eine Farbe kämpfen?
Was kann der Landvermesser tun? Kann er seine Vorgesetzten davon abhalten, den Staudamm zu bauen? Das ende bleibt offen, aber irgendwie wird schon klar, dass es kein Happy End geben kann.
Berge des Wahnsinns (At The Mountains Of Madness)
Auch diese Geschichte handelt von einem Wissen um eine kosmische Gefahr. Wissenschaftler der Miskatonic-Universität unternehmen eine geologische Expedition in die Antarktis. Dort stoßen sie auf Fossilien einer halb pflanzlichen und halb tierischen Rasse. Dass diese weiter entwickelt war, als es zuerst den Anschein hat belegen urzeitliche Ruinen gigantischer Städte, wobei es deutlich wird, dass die Bedrohung durch diese Wesen keine vergangene ist. Irgendwie ist nicht alles tot, was tot erscheint.
Die Ratten im Gemäuer (The Rats In The Walls)
Ein Mann auf der Suche nach seinen Wurzel restauriert den ehemaligen Familiensitz in England. Die Einheimischen beäugen ihn mit Argwohn, denn seine Familie genoss offensichtlich keinen guten Ruf in der Gegend. Und tatsächlich belegen einige Funde innerhalb des alten Gemäuers, dass dieser schlechte Ruf begründet war. Vorchristliche Kulte spielen dabei eine große Rolle, und besonders abscheuliche Ratten, angeführt von Nyarlathotep, einem der Großen Alten…
Wie in vielen von Lovecrafts Geschichten wird hier mehr angedeutet, als wirklich beschrieben. Degeneration und Wahnsinn verschleiern die Geschehnisse und man kann sich allenfalls vorstellen, was für unvorstellbare Riten vor unglaublichen zeiten abgehalten wurden ... mehr wäre hier mehr gewesen.
Schatten über Innsmouth (The Shadow Over Innsmouth)
Ein junger Mann mit wenig Geld reist nach seinem Schulabschluss durch das Land. Um Geld zu sparen nimmt er den Innsmouth-Bus, was kein Bewohner der um,liegenden Orte tun würde.
Die Bewohner des Fischerstädtchens kommen zwar dann und wann in die Stadt, um Geschäfte zu tätigen, aber man meidet sie. Sie sehen irgendwie degeneriert aus, was man jedoch der Abgeschiedenheit des Ortes (und unausgesprochener weise dem Inzest) zuschreibt.
Die Andeutungen und die Gerüchte veranlassen den jungen Mann die Wartezeit in der Bibliothek und im Museum zu verbringen, wo eine goldene Tiara ausgestellt ist, auf der seltsame Fischwesen dargestellt sind. Da das Schmuckstück keinem bekannten Stil zuzuordnen ist, spricht man von einem Piratenschatz, den der alte Obed Marsh auf dem Teufelsriff ausgegraben haben soll.
Weitere Gerüchte hört der junge Mann von einem Verkäufer, der die Filiale einer Handelskette im Dorf betreut und von einem alten Säufer. Von ihm erfahren wir, dass die Stadt einst ganz normal gewesen sei, dass jedoch der wirtschaftliche Untergang nur aufgehalten werden konnte, durch Pakte mit denen da Unten.
Von denen hat der alte Obed Marsh erstmals in der Südsee erfahren, wo die Kanaken Wesen aus der Tiefe Menschen opferten, um dafür reichen Fischfang zu erhalten.
Doch diesen Froschfischen oder Fischfröschen sei das nicht genug gewesen. Sie haben verlangt, dass sich die Menschen mit ihnen paarten. Das wollten die Menschen nun doch nicht – bis sie erfuhren, dass sie dadurch unsterblich werden würden. Da konnte man den unvorteilhaften Innsmouth-Look durchaus in Kauf nehmen.
Dieses Geheimnis wollen die Einwohner für sich behalten. Sie halten fremde Fischer von ihren Fischgründen fern und Besucher von ihren Kirchen. Und wenn jemand etwas sieht, dann verschwindet er spurlos.
Der junge Mann wird gezwungen, in der Stadt zu übernachten. Der Bus habe eine Panne. In der Nacht wollen die Einheimischen dann in sein Hotelzimmer eindringen, nur eine waghalsige Flucht rettet sein Leben – Die gesamte Stadt ist hinter ihm her, und im Mondlicht sieht er, dass seine Verfolger keine Menschen sind!
Die Geschehnisse sind derart prägnant, dass die Regierung das Militär gegen die Stadt einsetzt. Es werden auch Wasserbomben auf das Teufelsriff geworfen, an dessen Fuß sich eine unterseeische Stadt der Tiefen Wesen befindet.
Der Triumph der Zivilisation über das kosmische Grauen? Nein das wäre kein echter Lovecraft gewesen. Der junge Mann forscht nach seinen Ahnen und entdeckt einen Zweig seines Stammbaums, der aus Innsmouth stammt. Einige Andeutungen machen nun einen Sinn. Der Schrecken ist groß, sodass er ernsthaft erwägt, sich zu erschießen. Aber da sind auch Träume aus der Tiefe, verführerische Träume …
Für mich ist Schatten über Innsmouth das Beste, was Lovecraft je geschrieben hat. Das Grauen, es lauert mitten unter uns, praktisch in der Nachbarschaft. Obwohl die Menschen es sehen und fürchten ignorieren sie es.
Dabei sind die Tiefen Wesen, welche die Erde erobern könnten, wenn sie es nur wollten, nur die Dienerwesen des Dagon. An Land sind sie recht unbeholfen. Sie watscheln und hüpfen, aber sie sind viele. Verdammt viele, denn die Meere sind tief und sie verbergen sie vor den neugierigen Blicken der Menschen.
Schatten über Innsmouth ist aber auch eine Geschichte der Gier. Für Fisch, Gold und die Unsterblichkeit sind Menschen bereit, unvorstellbare Dinge zu tun. Zu töten, zu versklaven, sich zu verheiraten und Sex mit einem Partner zu haben, den man unter normalen Umständen nicht in Betracht ziehen würde. Nicht nur Prostituierte prostituieren sich.
Die Musik des Erich Zann (The Music Of Erich Zann)
Ein junger Mann wohnt aufgrund seiner beschränkten finanziellen Mittel in einer Gegend, in der sonst nur noch Ausländer hausen. Unter anderem der deutsche Musiker Erich Zann, der sehr seltsame Melodien spielt, wenn er sich alleine wähnt.
Wie der junge Student herausfindet, öffnen die Klänge des Musikers Tore in fremde Welten – Welten, die wunderbar und schrecklich zugleich sind...
Obwohl ich diese Geschichte für eher dürftig halte, erfreut sie sich unter Lovecraft-Fans großer Beliebtheit. Allgemein geht man davon aus, dass die Schwingungen bestimmter Töne, sei es in der Melodie eines Musikstückes, oder in der Betonung von Beschwörungsformeln diesseitige und jenseitige Dinge durchdringen und beeinflussen.
Fazit:
Als ich dieses Buch in meinen Händen hielt, fragte ich mich: Was soll das? Braucht es das? Was hat dieses Buch, was andere nicht haben?
Alle Geschichten sind bereits veröffentlicht worden. Eine Auflistung, welchen Büchern sie entnommen sind habe ich angefügt, und ich habe sie alle in meinem Regal stehen (und ich habe mir vorgenommen, sie alle nach und nach für diese Seite zu rezensieren).
Nun, dieses Buch hat ein Vorwort von Wolfgang Hohlbein.
Mein erster Kontakt mit dem Cthulhu-Mythos km tatsächlich durch Wolfgang Hohlbein zustande. Ich las das Buch Der Hexer von Salem, einen Nachdruck der Hexer-Heftromanserie (Gespenster-Krimi 1984-85; Eigene Serie 1985-87). Dort kämpft der Hexer Robert Craven gegen die Großen Alten und ihre Diener, und H. P. Lovecraft gehört als sein Freund und Mentor ebenfalls zu den Charakteren der Serie.
Der Vorfahre, der ein Hexer aus Salem war, stammt aus Der Fall des Charles Dexter Ward. Die Sternensteine stammen aus Berge des Wahnsinns. Die Flucht aus dem Hotel kann mann in Schatten über Innsmouth nachlesen. Hohlbein hat sich beim Meister etliche Anregungen geholt. Er hat dann später im Dämonen-Land 23 (1990) ebenfalls angedeutet, dass Lovecrafts Geschichten auf eigenen Erlebnissen beruhen könnten: Lovecrafts Reise ins Grauen.
Hier wurde auch ein neuer Zyklus begonnen, der dann später als Taschenbuch Das Labyrinth von London (1993-94) vollendet wurde (die Hexer-Romane werden hier sicherlich auch noch besprochen werden!)
Erwähnen sollte man noch den Professor Zamorra 183: Der Mann der das Grauen erbte (1981). Das Erbe bestand nämlich in dem berüchtigten Nekronomicon. Der Roman wurde später übrigens als Celhams Erbe in dem Taschenbuch Geisterstunde wiederveröffentlicht, wenngleich man den Charakteren aus der Zamorra-Serie neue Namen verpasste.
Wolfgang Hohlbein hat also durchaus eine ausgeprägte Beziehung zu Lovecrafts Schaffen. Ich hätte gerne mehr darüber erfahren – insbesondere, warum er ausgerechnet die vorliegenden Geschichten ausgewählt hat. Aber er erklärt lediglich, dass er Lovecraft nicht für einen guten Autor hält und seine Geschichten nicht für gute Geschichten. Es sei der Einfluss, den beide auf die Gesellschaft genommen hätten. Danke, Herr Hohlbein, dafür brauche ich mir kein Buch zu kaufen! (Beinahe) 10 Euro kann man besser anlegen.
Aber dann fiel mir auf, dass man für den Preis recht viel Buch bekommt. Meine alten Suhrkamp-Ausgaben haben durchgehend einen Preis von 12 – 14 DM ... sodass der Neueinsteiger einige Euros sparen kann, wenn er hier zugreift, um sich einen Überblick über das Werk eines bedeutenden Autors zu verschaffen. Er muss, sollte ihm das Gelesene gefallen, auch nicht alle Lovecraftbücher nachkaufen, denn durch die längeren Erzählungen kann er sich den Kauf von Schatten über Innsmouth, Der Fall Charles Dexter Ward, Berge des Wahnsinns, also 2 oder 3 Bücher (Die ersten beiden Erzählungen gibt es in einem und in getrennten Büchern) sparen. Deshalb, und nur deshalb kann ich dieses Buch für Neueinsteiger empfehlen! Ansonsten hasse ich es, wenn Verlage mit immer den selben Geschichten in neuen Zusammenstellungen Geld machen. Die für viele Leser unerschwinglichen Werkgruppen der Edition Phantasia enthalten noch Geschichten, welche Suhrkamp noch nicht veröffentlicht hat. Viele sind in Zusammenarbeit mit anderen Autoren entstanden (Auftragsarbeiten, Überarbeitungen etc.), aber das sind die Geschichten in Das Grauen im Museum und Azathoth auch ...