Titel: Márais Todesreiter Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Die komplexe Geschichte von "Márais Todesreiter" beginnt mit der Doktorandin Pamela Taylor, die sich in San Diego eines Tages einen wunderschönen 1960er Pontiac Catalina ersteigert. Als sie auf dem Weg zu einem lang ersehnten Date eine Reifenpanne erleidet und im Kofferraum nach einem Ersatzreifen sucht, entdeckt sie eine goldene Statue. Vor ihr liegt eine Nachbildung eines Indianers auf einem Pferd reitend, der im Begriff ist, einen Speer zu schleudern:
Remingtons Cheyenne. Wie sich später herausstellt, gibt es eine größere Zahl dieser Skulpturen aus Remingtons Hand, jedoch die Nummern 7 und 17 der Reihe wurden von ihm ohne weitere Helfer und in aller Heimlichkeit angefertigt. Welches Geheimnis verbirgt sich hinter ihnen? Gerüchte besagen, dass jeder, der diese besonderen zwei Statuen berührt, entweder sein Leben lang mit Glück und Erfolg gesegnet oder nur noch mit Pech geschlagen ist. Und man kann im Vorhinein nie sagen, welche Statuen gerade welche Ausstrahlung - ob gut oder böse - besitzen. Diese zwei Skulpturen wandern durch die neuere Geschichte Amerikas und hinterlassen große Freude wie auch Tod und Leid. Manchmal beeinflussen sie sofort und grundlegend, manchmal ändert sich nur ein kleines Detail in der Lebensplanung ihrer "Opfer".
Nun ist also Pamela Taylor mit der Geschichte der Familien Fibione und Johnston konfrontiert, die von dem Cheyenne maßgeblich beeinflusst wurden.
Der erworbene Pontiac wurde vor vielen Jahren von Max Fibione gefahren: gerade mal volljährig, überfuhr dieser den Vater von Thomas Johnston, heute ein erfolgreicher Herzchirurg, und beging Unfallflucht. Der Wagen wurde daraufhin vergraben und erst nach der Auflösung des Besitzes von Fibione wiedergefunden. Offenbar hatte Thomas Johnston Remingtons Skulptur berührt, welche sich gerade im Besitz von Walt Disney befand. Er konnte zwar eine steile Karriere einschlagen, musste aber mit dem Leben seines Vaters bezahlen.
Nun scheint sich der Kreis der Geschichte wieder zu schließen. Max Fibione, mittlerweile ein angesehener Kunsthändler und unter neuem Namen lebend, bekommt den Auftrag, eine der Remington-Skulpturen aus der Hand von Johnston zu erwerben. Nun wird er also einerseits mit einer der geheimnisvollen Figuren und andererseits mit dem nichts ahnenden Sohn seines damaligen Opfers konfrontiert. Ebenso gerät der ungarische Autor Sándor Márai in den Studel der Ereignisse. Dieser wurde als junger Mann mit der Indianerfigur konfrontiert und konnte dank ihr aus dem Ungarn der Nazizeit fliehen. Mittlerweile lebt er in den USA und wird nun, nach vielen Jahrzehnten, mit dem Fluch des Cheyennes konfrontiert. Eine kriminelle Vereinigung interessiert sich ebenso für die beiden Remington-Figuren und hat sich auf die Spur Fibiones gesetzt. Pam Taylor, als neue Besitzerin von Fibiones Auto, gerät in ihr Visier und wird von zwielichtigen Gestalten entführt und misshandelt.
All diese Ereignisse drehen sich mehr oder weniger um Max Fibione als unfreiwilligem Katalysator der teils katastrophalen und verstörenden Geschehnisse, die aber zumindest im ersten Teil des Romanes aus der Sicht von Pamela Taylor geschildert werden, was sich im zweiten Teil nur noch auf den Handlungsstrang ihrer Entführung bezieht.
Diese Tatsache hat zwei Seiten. Ich weiß nicht, ob Peter Weiler eine Tochter hat, aber er versteht es fast bis zur Schmerzgrenze, die unsägliche Plapperei einer gut situierten und jungen Amerikanerin umzusetzen, die ihren Tag zu meistern versucht. Jeder im ersten Teil auftauchende Protagonist wird zugeschwallt von der Redelust Taylors - und ebenso der Leser. Meist Unwichtiges überdeckt aber die feinen Handlungsfäden, die Peter Weiler in diesem Teil des Romanes zu spinnen beginnt, bis zur Explosion eines wahren Stranges an Fäden einer Handlung, die mehrere Zeitebenen und Familien durchdringt, wo Protagonisten, ohne es zu ahnen, von den Taten anderer profitieren oder eben leiden müssen - je nachdem, wie sich Remingtons Cheyenne scheinbar zufällig entscheidet.
Muss man sich in der ersten Hälfte, wie gesagt, etwas durch einen Teenie-Roman schleppen, wird der Leser spätestens ab der Entführung Taylors gefordert, besonders genau zu lesen, um nicht aus der Spur des Verständnisses zu geraten. Schnelles Hinüberfliegen über die Seiten des Romans bewirkt spätestens nach wenigen Blättern große Verwirrung und Unverständnis.
Genau austariert hat Weiler die Ereignisse, die durch die geheimnisvolle Statue ausgelöst werden, ohne je deren Hintergründe genauer zu beleuchten. So weidet sich der Leser an voneinander abhängigen Leidensgeschichten der Protagonisten, ist sozusagen ein Voyeur von tragischen Ereignissen. Im Laufe der zweiten Hälfte wird auch der Handlungsfluss deutlich spannender und interessanter, ausgelöst durch die vielfältigen Beziehungen.
Peter Weilers "Todesreiter" ist ein Mystery-Krimi, der anfangs einige Schwächen aufzuweisen hat, bei dem sich der Leser bei Inkaufnahme des Verlustes einer höheren Lesegeschwindigkeit in der weiteren Folge jedoch eine höchst komplexe und spannende Geschichte erarbeiten kann.
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