Reihe: Die Wölfe aus Mercy Falls, Band 3 Eine Rezension von Doreen Below |
Klappentext
Der Frühling kehrt zurück nach Mercy Falls und mit dem Winter streifen die Wölfe ihre Pelze ab. Sam, nun fest in seiner menschlichen Haut verankert, hat die vergangenen Monate nur auf diesen Moment gewartet: Grace‘ Rückkehr aus dem Wald. Doch ihr Glück währt kurz. Als man ein Mädchen findet, das von Wölfen getötet wurde, verfällt Mercy Falls in Hysterie. Auf einer Treibjagd sollen die Wölfe ein für alle Mal ausgerottet werden. Nun ist es an Sam, sein Rudel – seine Familie – zu retten. Zusammen mit Grace, Cole und Isabel fasst er einen verzweifelten Plan: Sie wollen die Wölfe umsiedeln, in ein Waldgebiet weit entfernt von menschlichen Siedlungen. Sam weiß, dass er dafür einen hohen Preis zahlen wird. Denn damit das Rudel ihm folgt, muss er seine menschliche Gestalt aufgeben.
Meine Meinung:
Das Wort ENDE kann vieles bedeuten. Mal preschen wir ihm entgegen, weil wir vor Spannung fast umkommen und uns einfach nach einem Happy End sehnen. Ein anderes Mal wollen wir endlich erlöst werden, von purer Langeweile. Hat man es schließlich erreicht, ist eines gewiss: es ist endgültig und nicht umkehrbar. Nun schreibt also auch Maggie Stiefvater dieses bedeutungsvolle Wort unter ihre Wolfstrilogie und somit heißt es Abschied nehmen. Was mit "Nach dem Sommer" begann und mich mit "Ruht das Licht" schließlich komplett verzaubern konnte, neigt sich nun dem Unausweichlichen zu. Schlussendlich kann ich behaupten: Maggie Stiefvater mag nicht für puren Nervenkitzel bekannt sein, doch wenn es um eindringliche Worte & tiefgründige Charaktere geht, ist sie eine unverwechselbare Künstlerin. In meinen Augen!
In der Ruhe liegt die Kraft! Dieses Sprichwort passt wunderbar, wenn es um Maggie Stiefvaters Bestsellertrilogie geht. Da verwundert es kaum, dass nach einem wirkungsvollen wie tödlichen Prolog erneut leisere Töne angestimmt werden und die Spannung eher hintergründig auf der Lauer liegt. Bis sie auf den letzten Seiten schließlich unvermittelt angreift. Nachdem "Ruht das Licht" mit einem atemraubenden Ende aufwartete, knüpft der finale Band nun wenige Wochen nach den dramatischen Ereignissen an. ENDLICH gibt es ein Wiedersehen zwischen Grace & Sam sowie Isabel & Cole, die wiederholt ein eigenes Sprachrohr für ihre Gedanken bekommen. Bis es jedoch soweit ist, heißt es: Geduld ist eine Tugend! Es braucht etwas, bis das bissig-melancholische Quartett zueinander findet und emotionale, dramatische sowie wunderschöne Momentaufnahmen folgen. *Seufz*. Unterdessen sorgt der Tod eines Mädchens und die damit einhergehende Bedrohung (eine alte Feindin aus "Nach dem Sommer" kehrt zurück) durchaus für dynamische Bewegungen, während des überwiegend tiefsinnigen Spaziergangs durch die Wälder von Mercy Falls.
Wie gewohnt, zeigt sich Maggie Stiefvater´s Stärke in der bildgewaltigen wie phantasievollen Art des Erzählens. Mit ihren oftmals metaphorischen Worten lässt sie ein dreidimensionales Kopfkino entstehen. Man sieht/fühlt/hört förmlich wie Grace zunächst in Gestalt eines Wolfes durch das Unterholz tapst und sich wenig später in Gestalt eines Menschen an ihr altes Leben/ihre Liebe zu erinnern versucht. Nicht anders sieht es bei dem sensiblen Sam aus. Sein schmerzlicher Verlust wird auf eine eindrucksvolle Weise eingefangen. Egal, ob er sich in alten Erinnerungen um seinen Adoptivvater Beck verliert, er zu seiner Gitarre greift, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, oder die Angst um Grace ihn aktiv werden lässt. Was man liest, erwärmt das Herz!
Indes bleibt der tiefe Einblick in die seelischen Abgründe der vier Hauptprotagonisten nicht aus, die sich innerhalb der Trilogie stark weiterentwickelt haben und sich ein weiteres Mal ihren Ängsten/der Vergangenheit stellen müssen. Selbstverständlich schließt das Cole und Isabel mit ein. Wie zuvor in "Ruht das Licht" faszinieren sie im Kontrast zu Grace und Sam. Die kratzbürstige Anwaltstochter und der abgestumpfte Ex-Sänger der Rockband NARKOTIKA sind einfach ein Garant, wenn es um den nötigen Biss in der Story geht. Was wiederum schlagfertige, aber auch nachdenkliche Dialoge mit sich bringt. Eine elektrisierende Spannung liegt in der Luft! Und für die benötigt es nicht immer eines abgeschlossenen Pinselstrichs. Mit anderen Worten: an manch einer Stelle darf man die eigene Phantasie spielen lassen. *Klopf, Klopf*.
Das wäre dann auch das Stichwort, wenn es um das Wörtchen ENDE geht. Wie es sich für den Abschluss einer Buchreihe gehört, wollen drängende Fragen beantwortet und Konflikte ad acta gelegt werden. In dieser Hinsicht könnte so mancher enttäuscht werden. Meiner Meinung nach kommt es ganz auf den Betrachtungswinkel an! Einige verschleppte Probleme aus "Nach dem Sommer" sowie "Ruht das Licht" können geklärt werden. Ähnliches gilt für den tödlichen Konflikt, der mit Beginn des Prologes eingeführt und mit einem verlustreichen wie emotionalen Showdown zum Abschluss gebracht wird. Allerdings ist mitunter der Zufall des Glückes Unterpfand, geht es beispielsweise um die Umsiedlung des Rudels in ein weniger bedrohtes Terrain. Zudem kann man sich einigermaßen ausmalen, wer letztendlich in die Schusslinie des Feindes gerät oder für eine kleine Schreckenssekunde sorgt - Spuren in diese Richtung muss man nicht großartig wittern. Ein trauriger Nachhall bleibt trotzdessen erhalten. Ja, und in anderen, zwischenmenschlichen Belangen muss dann erneut die eigene Phantasie die Führung, dem Sonnenuntergang entgegen, übernehmen.
Ende gut, alles gut? Wenn es nach mir geht JA!!! Natürlich den Umständen entsprechend. Für mich waren die genannten Kritikpunkte nämlich wie kleine Fliegen, die einem kurzweilig um den Kopf schwirren, jedoch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Gleiches gilt für die eher hintergründigen Spannungselemente. Was mich an dieser Romanreihe begeistern konnte, war die unvergleichliche Handschrift von Maggie Stiefvater. Das schließt die mittlerweile äußerst liebgewonnen wie gut ausgearbeiteten Schlüsselfiguren mit ein, getreu dem Motto: und wenn sie nicht gestorben sind, dann ... Entsprechend gigantisch ist nun meine Vorfreude auf Stiefvaters neusten Phantastik-Roman "Rot wie das Meer", der im November 2012 erscheinen soll.
Kurz gesagt:
Es muss nicht unbedingt ein Rocksong sein, auch eine Ballade vermag kraftvoll die Stimme zu erheben und die Ohren/Augen zu fesseln! Wie gewohnt lauern die hohen Töne nicht hinter jedem Baum, doch geht es um eine eindringliche Note & tiefgründige Charaktere, mutiert Maggie Stiefvater zu einer unverwechselbaren Künstlerin. Mit Grace, Sam, Isabel & Cole ein letztes Mal durch die Wälder von Mercy Falls zu streifen, fühlte sich mehr als perfekt an. Da vermochten selbst kleine Blessuren im Plot die atmosphärische Stimmung nicht zu trüben. "In deinen Augen" ist in meinen Augen ein phantastischer Abschluss einer herausragenden Trilogie, die mein Herz berührte und wehmütige Spuren darin hinterließ. Für mich heißt es deshalb: Ende gut, alles gut, wenn auch nicht an allen Ecken und Enden. Wie im realen Leben eben!