Tiitel: Die ganze Wahrheit über den Fall der verschwundenen Miss Finch Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Der zweite Band dieser feinen Reihe kleiner Hardcover-Bände mit „Neil Gaiman“-Kurzgeschichten präsentiert in der Adaption Todd Kleins eine weitere Story aus Gaimans preisgekrönter Storysammulng „Smoke and Mirrors: Short Fictions and Illusions“ (dt. bei Heyne; „Die Messerkönigin“).
Drei Freunde - Jane und Jonathan sowie ein befreundeter Fantasy-Autor - wollen zusammen mit Miss Finch, einer äußerst spröden Geo-Biologin, die vorübergehend als Gast des Paares in London weilt, einen netten Abend verbringen, der mit einem gemeinsamen Sushi-Essen abgeschlossen werden soll. Zuvor jedoch steht ein Besuch in einem besonderen Zirkus auf der Tagesordnung, dem „Theater der Nächtlichen Träume“, welches man in einer kleinen verlassen Nebenstraße finden kann und das in Kellergewölben unter der Stadt residiert.
Was sich zunächst wie ein normales Spektakel aus zauberhafter Inszenierung, Artistik und Akrobatik ausnimmt, wird mit jedem Raum, den die Besucher betreten, seltsamer, surrealer und bizarrer, bis schließlich im achten Gewölbe eine hünenhafte Gestalt erscheint und Miss Finch mit sich ins Dunkel reißt. Eher verwundert als verängstigt und durch eine weitere akrobatische Nummer abgelenkt, betreten die drei Freunde den vorletzten Raum und finden sich in einer phantastischen Welt wieder, in der ihre Miss Finch eine ganz besondere Rolle zu spielen scheint.
Wie so oft bei Gaiman oder in von Gaiman inspirierten Geschichten ist auch bei der vorliegenden Story - um es mit Konfuzius zu sagen - der Weg das Ziel. Es geht Interpréteur Todd Klein nicht um vordergründige Botschaften oder eine Moral, sondern in einem zugegebenermaßen plakativen Ansatz um den reinen „Sense of Wonder“, um das Entführen des Lesers in eine Sphäre des Phantastischen. Natürlich könnte man eine Analyse von „Die ganze Wahrheit über den Fall der verschwundenen Miss Finch“ bis ins Absurde treiben, aber mal ehrlich: Wer ginge in den Cirque du Soleil oder den „Black Rider“ von Tom Waits, um über Geschlechterrollen oder die Vor- und Nachteile japanischer Rohkost zu reflektieren?
Dass die Geschichte, die in toto trotz zahlreicher skurriler Einfälle nicht herausragend originell ist, auf einer intuitiven Ebene so gut funktioniert, liegt natürlich am grandios dekorativen Artwork Michael Zullis. Leicht, freundlich, expressiv und in der Farbgebung von einer fazinierenden visuellen Lebendigkeit, schlägt es den Leser von der ersten Seite in seinen Bann.
In editorischer Hinsicht komplettieren drei Kurzbiografien der Macher - Gaiman, Zulli und Klein - den erfreulichen Gesamteindruck dieses Comics.
Fazit: leichte, unaufdringliche und fesselnde urbane Phantastik in grandiosen Bildern. Für jeden Freund fantastischer Geschichten ein Muss.