Reihe: Morning Glories, Band 1 |
Bange Frage: wird diese Serie auf Anhieb genügend Leser finden? Auf dem Cover: Sechs Kids in Schuluniform. Der Titel: "Morning Glories". "Für eine bessere Zukunft". "Highschoolmusicalkitsch"?
Nehmt den Band in die Hand, blättert hinein. Lest einfach mal die ersten Seiten. Vielleicht auch hier.
Denn es ist keine College-Story. Keine Studentensoap mit mysteriösen Einsprengseln. Es geht nicht zuerst um die Probleme Heranwachsender und in zweiter Linie um merkwürdige, geheimnisvolle Vorgänge. Es geht von Anfang an für alle Beteiligten ums Überleben.
Bevor wir die Protagonisten der Serie kennenlernen erhalten wir einen Einblick in die Eliteschule Morning Glories. Strenge Disziplin, ja fast schon ein totalitäres System scheint auf den ersten Seiten auf. Und Widerstand dagegen, zwei Studenten auf der Flucht. Für einen von ihnen endet das blutig - für den Leser wird klar: der Mord durch ein seltsam immaterielles Wesen deutet auf Abgründe dieser Schule hin.
Schnitt.
Casey - jung, blond, enorm ehrgeizig. Kann es kaum abwarten, an der Eliteschule angenommen zu werden.
Ike - verwöhnter Sohn aus reicher Familie. Von allen Schulen bisher geflogen. Nur dank des Einsatzes großer Geldmittel noch auf freiem Fuß. Und möglicherweise in den Tod seines Vaters verwickelt.
Zoe - muss sich auf dem Weg zur neuen Schule von vielen Lovern verabschieden. Und freut sich auf die nächsten.
Hunter - anscheinend ein netter Kerl, der von seinen Eltern wohl kaum vermisst werden wird.
Jade - Düstere Visionen auf dem platten Land. Aus der Enge der Provinz in die Enge der neuen Schule.
Kukayama Jun - von ihm erfahren wir fast nichts.
Doch diese Schule MORNING GLORIES hat es in sich. Schon beim Abholen der Novizen am Flughafen die erste Prüfung: der Name der Schüler nur als Anagramm auf dem Abholschild. Bei der Ankunft treffen Sie auf Ms. Daramount. Ihre Aufgabe: die "richtigen" Schüler finden. Welche Eigenschaft diese mitbringen müssen: unklar. Eine Voraussetzung allerdings scheint die Geburt an einem 4. Mai zu sein - der Tag ihres Einzugs in der Schule. Und schnell geht es los mit verwirrenden, blutigen, unheimlichen Ereignissen. Zeitsprüngen, Vor- und Rückblenden. Ein faszinierendes, wenn auch sehr enges Universum tut sich auf. Und Casey erweist sich, trotz oder gerade wegen eines Schocks gleich zu Anfang, als die Schülerin mit der steilsten Lernkurve.
Äh. Wow. Keine Zeit zum Ausruhen. Keine langsame Eingewöhnungsphase. Genauso wenig wie die Studenten an der mysteriösen Schule mit undurchsichtigen Zielen hat der Leser Zeit, allmählich in die Welt von MORNING GLORIES einzutauchen. Er wird hineingeworfen, und genau wie Casey und die anderen muss er versuchen, sich möglichst schnell zu orientieren.
Die vielen Andeutungen (und expliziten Hinweise) machen den Band zu einem anspruchsvollen und vielversprechenden Auftakt einer komplexen Serie. Eine Reihe von Nebenfiguren werden eingeführt, so dass die Geschichte schwer im Auge zu behalten ist. Aber die Frage "Was geht hier vor?" beschäftigt den Leser durchgehend. In der Enge eines Kammerspiels entwickelt sich eine große Dynamik.
Die Story von Nick Spencer ist verzwickt, die Zeichnungen von Joe Eisma, gehalten in pastelligen Tönen (Farben: Alex Sollazzo), scheinen zum Genre "Highscool-Story" zu gehören, aber dafür wird es schnell zu blutig.
Mal was Anderes - und das ist das Schönste, was man heutzutage sagen kann. Wer Spaß an mysteriösen Settings und epischer Story-Anlage hat, der wird nicht enttäuscht werden. Lass Dich darauf ein, Comic-Leser.